
Mittlerweile sind es vier Wochen und die Protestwelle im Iran ebbt nicht ab. Seit die 22-jährige Kurdin Mahsa Amini getötet wurde, kommt das Land nicht zur Ruhe. Sie wurde Opfer von Irans Moral- oder auch Sittenpolizei, von der sie festgenommen wurde, weil sie den Hidschab in der Öffentlichkeit nicht regelkonform getragen haben soll. Angeblich war es nur eine Haarsträhne, die den Stein des Anstoßes darstellte. Seit der Islamischen Revolution im Jahr 1979 gelten dort sehr strenge Kleidungsvorschriften. Frauen haben nicht nur ihre Haare zu bedecken, sondern müssen lockere und weite Kleidung tragen, die ihre Figur verhüllt.
Kurz nach ihrer Verhaftung wurde Mahsa Amini in ein Krankenhaus gebracht. Die iranische Polizei behauptet zwar, sie hätte einen Herzinfarkt und einen Schlaganfall erlitten, doch gibt es Hinweise darauf, dass sie an einer Hirnblutung als Folge von Schlägen gestorben ist. So wird in den sozialen Medien mehrfach berichtet, dass der Kopf der jungen Frau nach der Festnahme im Polizeifahrzeug gegen eine Scheibe geschlagen worden sei. Zweifelsfrei beweisen lassen sich bislang beide Versionen des Hergangs nicht. Es ist jedoch keine Seltenheit, dass die Sittenpolizei bei Kontrollen der Kleidungsvorschriften öfter auch Gewalt anwendet.
In der Hauptstadt Teheran und Aminis Heimatprovinz Kurdistan entlädt sich seit ihrem Tod immer wieder der Zorn gegen das Regime auf den Straßen und an den Universitäten. Mehrere Frauen nahmen und nehmen aus Solidarität ihre Kopftücher ab. Manche verbrennen diese sogar öffentlich. In den sozialen Medien posten sie Videos, wie sie ihre Haare abschneiden. Aber es geht längst nicht mehr nur um Aminis Tod, sondern auch um die blutige Niederschlagung der nachfolgenden Proteste durch die Sicherheitskräfte, die mit Tränengas, Wasserwerfern, Schlagstöcken und scharfer Munition vorgehen. Amnesty International geht mit Stand von letzter Woche von mindesten 82 bestätigten Todesfällen aus. Die Menschenrechtsorganisation „The Kurdistan Human Rights Network“ zudem von 825 Verletzten und mindestens 2000 Verhaftungen.
Und da es für viele von uns fassungslos und unvorstellbar erscheint, wie eine einzelne Haarsträhne zum Tod einer jungen Frau führen konnte und wie schlimm die Unterdrückung im Iran tatsächlich ist, werfen wir mit dem nun folgenden Thread mal ein Blick auf die vielzitierte Sittenpolizei Irans und ihren Ruf. Dafür übergeben wir der Twitteruserin @Die_AidaLoos das Wort.
Ich hatte mal in einem Sommer der Spätneunziger einen Freund in Teheran, der zuckersüß und zuvorkommend war. Statt „I love you“ sagte er „Albalu“, was Weichsel auf Persisch heißt und ich fand das so sweet, dass ich meine spätere Katze so genannt habe, also Albalu. 🧵
— Aida Loos (@Die_AidaLoos) October 5, 2022
Ich hatte mal in einem Sommer der Spätneunziger einen Freund in Teheran, der zuckersüß und zuvorkommend war. Statt „I love you“ sagte er „Albalu“, was Weichsel auf Persisch heißt und ich fand das so sweet, dass ich meine spätere Katze so genannt habe, also Albalu. 🧵
— Aida Loos (@Die_AidaLoos) October 5, 2022
Wir haben uns auf einem „Mehmooni“ kennengelernt. Er fand damals keinen Kulli und ich versprach ihm, mir seine Telefonnummer zu merken. Bis heute weiß ich sie auswendig: 81 81 136. „Mehmooni“ ist eine Homeparty, die es zu hauf gab, weil outdoors durfte man keinen Spaß haben.
— Aida Loos (@Die_AidaLoos) October 5, 2022
Wir haben uns auf einem „Mehmooni“ kennengelernt. Er fand damals keinen Kulli und ich versprach ihm, mir seine Telefonnummer zu merken. Bis heute weiß ich sie auswendig: 81 81 136. „Mehmooni“ ist eine Homeparty, die es zu hauf gab, weil outdoors durfte man keinen Spaß haben.
— Aida Loos (@Die_AidaLoos) October 5, 2022
Indoors zumindest mit der Gefahr, dass Musik nach außen dringen könnte oder man verpetzt wird und die Sittenpolizei die Party stürmt, alle mitnimmt und weiß der Teufel was mit einem macht.
— Aida Loos (@Die_AidaLoos) October 5, 2022
Indoors zumindest mit der Gefahr, dass Musik nach außen dringen könnte oder man verpetzt wird und die Sittenpolizei die Party stürmt, alle mitnimmt und weiß der Teufel was mit einem macht.
— Aida Loos (@Die_AidaLoos) October 5, 2022
Wir trafen uns in diesem Sommer fast täglich und liebten uns heimlich auf einer geheimen Terrasse Teherans.
— Aida Loos (@Die_AidaLoos) October 5, 2022
Wir trafen uns in diesem Sommer fast täglich und liebten uns heimlich auf einer geheimen Terrasse Teherans.
— Aida Loos (@Die_AidaLoos) October 5, 2022
Am Vorabend meines Rückflugs nach Wien führte er mich verbotenerweise in die Berge im Norden Teherans zum Essen aus. Dort gab es nämlich ein duftendes Kebabrestaurant, in dem man auf Paletten saß, unter denen ein Bergbächlein durchfloß.
— Aida Loos (@Die_AidaLoos) October 5, 2022
Am Vorabend meines Rückflugs nach Wien führte er mich verbotenerweise in die Berge im Norden Teherans zum Essen aus. Dort gab es nämlich ein duftendes Kebabrestaurant, in dem man auf Paletten saß, unter denen ein Bergbächlein durchfloß.
— Aida Loos (@Die_AidaLoos) October 5, 2022
Und während ich dort verhüllt, aber zunehmend von Liebe und Essen hypnotisiert saß, kamen seine Freunde vorbei und wir fuhren alle gemeinsam im Auto nach Hause.
— Aida Loos (@Die_AidaLoos) October 5, 2022
Und während ich dort verhüllt, aber zunehmend von Liebe und Essen hypnotisiert saß, kamen seine Freunde vorbei und wir fuhren alle gemeinsam im Auto nach Hause.
— Aida Loos (@Die_AidaLoos) October 5, 2022
Ich vorne am Beifahrersitz und seine 3 Freunde hinten. Während der Fahrt erzählte mein Freund ihnen, dass ich etwas habe, was dort zu der Zeit ein absolutes Schaustück war, nämlich ein Zungenpiercing. Ich drehte mich also nach hinten und zeigte ihnen das gute Teil.
— Aida Loos (@Die_AidaLoos) October 5, 2022
Ich vorne am Beifahrersitz und seine 3 Freunde hinten. Während der Fahrt erzählte mein Freund ihnen, dass ich etwas habe, was dort zu der Zeit ein absolutes Schaustück war, nämlich ein Zungenpiercing. Ich drehte mich also nach hinten und zeigte ihnen das gute Teil.
— Aida Loos (@Die_AidaLoos) October 5, 2022
Ich streckte ihnen meine Zunge entgegen und machte alle Kunststücke damit, die zwar Eindruck schinden, aber eigentlich sinnlos sind: Ein Kleeblatt, einen Twist in beide Richtungen, einen Strudel.
— Aida Loos (@Die_AidaLoos) October 5, 2022
Ich streckte ihnen meine Zunge entgegen und machte alle Kunststücke damit, die zwar Eindruck schinden, aber eigentlich sinnlos sind: Ein Kleeblatt, einen Twist in beide Richtungen, einen Strudel.
— Aida Loos (@Die_AidaLoos) October 5, 2022
Und während sich die Jungs vor Staunen und Lachen ihre Kebabbäuche hielten, überholte uns von hinten die Sittenpolizei, die das Spektakel mitbekam, weil sie die ganze Zeit hinter uns fuhr.
Wir mussten also rechts ranfahren und ich weiß noch, wie mein Freund sagte:
— Aida Loos (@Die_AidaLoos) October 5, 2022
Und während sich die Jungs vor Staunen und Lachen ihre Kebabbäuche hielten, überholte uns von hinten die Sittenpolizei, die das Spektakel mitbekam, weil sie die ganze Zeit hinter uns fuhr.
Wir mussten also rechts ranfahren und ich weiß noch, wie mein Freund sagte:— Aida Loos (@Die_AidaLoos) October 5, 2022
„Wenn sie dich jetzt kriegen, dann bist du dran.“ Während diese Sittenpolizei der Reihe nach aus dem Auto stieg und im Dunklen großen, wütenden Schrittes auf uns zukam, wartete mein Freund darauf, dass der Fahrer auch fast bei uns war.
— Aida Loos (@Die_AidaLoos) October 5, 2022
„Wenn sie dich jetzt kriegen, dann bist du dran.“ Während diese Sittenpolizei der Reihe nach aus dem Auto stieg und im Dunklen großen, wütenden Schrittes auf uns zukam, wartete mein Freund darauf, dass der Fahrer auch fast bei uns war.
— Aida Loos (@Die_AidaLoos) October 5, 2022
Dann gab er Gas, drehte die Autolichter ab und fuhr mit einer Wahnsinnsgeschwindigkeit diesen Berg hinab. Die Sittenpolizei wurde noch wütender, rannte zurück in ihr Auto und tat das gleiche. Ich war natürlich komplett paralysiert und wusste gar nicht, wie mir geschieht.
— Aida Loos (@Die_AidaLoos) October 5, 2022
Dann gab er Gas, drehte die Autolichter ab und fuhr mit einer Wahnsinnsgeschwindigkeit diesen Berg hinab. Die Sittenpolizei wurde noch wütender, rannte zurück in ihr Auto und tat das gleiche. Ich war natürlich komplett paralysiert und wusste gar nicht, wie mir geschieht.
— Aida Loos (@Die_AidaLoos) October 5, 2022
Ich dachte ernsthaft, ich würde gleich sterben und tatsächlich hätte uns dafür nur ein Auto entgegenkommen müssen.
Irgendwann mal ist mein Freund links in eine Gasse gebogen und da stand -wie es der Teufel wollte- die Müllabfuhr.
— Aida Loos (@Die_AidaLoos) October 5, 2022
Ich dachte ernsthaft, ich würde gleich sterben und tatsächlich hätte uns dafür nur ein Auto entgegenkommen müssen.
Irgendwann mal ist mein Freund links in eine Gasse gebogen und da stand -wie es der Teufel wollte- die Müllabfuhr.— Aida Loos (@Die_AidaLoos) October 5, 2022
Wir hupten wie wild und die Sittenpolizei stand schon an meinem Fenster und hämmerte dagegen, als sich mein Freund irgendwie rechts halb am Abhang durchschummeln konnte und es ihm so gelang, diese Bastarde abzuhängen.
— Aida Loos (@Die_AidaLoos) October 5, 2022
Wir hupten wie wild und die Sittenpolizei stand schon an meinem Fenster und hämmerte dagegen, als sich mein Freund irgendwie rechts halb am Abhang durchschummeln konnte und es ihm so gelang, diese Bastarde abzuhängen.
— Aida Loos (@Die_AidaLoos) October 5, 2022
Ich will mit diesem Schmankerl aus meinem Leben verdeutlichen, dass dieses einmalige Erlebnis, das mein privilegiertes Leben nachhaltig traumatisierte, der ganz normale Alltag im Iran ist.
Ständig ist man auf der Lauer, ständig ist man auf der Flucht.
— Aida Loos (@Die_AidaLoos) October 5, 2022
Ich will mit diesem Schmankerl aus meinem Leben verdeutlichen, dass dieses einmalige Erlebnis, das mein privilegiertes Leben nachhaltig traumatisierte, der ganz normale Alltag im Iran ist.
Ständig ist man auf der Lauer, ständig ist man auf der Flucht.
— Aida Loos (@Die_AidaLoos) October 5, 2022
Niemals hätte ich mich damals getraut, Auge in Auge mit der Sittenpolizei mein Kopftuch herunterzuziehen oder gar zu verbrennen und die IranerInnen verdienen in dem Moment, nämlich wirklich jetzt gerade, nicht nur unsere Anerkennung, sondern unsere Hilfe.
— Aida Loos (@Die_AidaLoos) October 5, 2022
Niemals hätte ich mich damals getraut, Auge in Auge mit der Sittenpolizei mein Kopftuch herunterzuziehen oder gar zu verbrennen und die IranerInnen verdienen in dem Moment, nämlich wirklich jetzt gerade, nicht nur unsere Anerkennung, sondern unsere Hilfe.
— Aida Loos (@Die_AidaLoos) October 5, 2022
#mahsaamini war nicht die erste, die sie umgebracht haben und sie wird nicht die letzte sein. Je mehr wir hier unsere Aufmerksamkeit auf den feministischen Kampf im Iran lenken, der auch global gesehen etwas verändern wird, desto mehr fühlt sich die Mullah beobachtet.
— Aida Loos (@Die_AidaLoos) October 5, 2022
#mahsaamini war nicht die erste, die sie umgebracht haben und sie wird nicht die letzte sein. Je mehr wir hier unsere Aufmerksamkeit auf den feministischen Kampf im Iran lenken, der auch global gesehen etwas verändern wird, desto mehr fühlt sich die Mullah beobachtet.
— Aida Loos (@Die_AidaLoos) October 5, 2022
Desto weniger werden sie sich trauen, willkürlich zu foltern und zu morden. Bitte seid ein Teil davon.
Danke und Albalu! ❤️🍒
PS: Das am Foto sind nicht wir.#MahsaAmini#iranprotests2022
— Aida Loos (@Die_AidaLoos) October 5, 2022
Desto weniger werden sie sich trauen, willkürlich zu foltern und zu morden. Bitte seid ein Teil davon.
Danke und Albalu! ❤️🍒
PS: Das am Foto sind nicht wir.#MahsaAmini#iranprotests2022
— Aida Loos (@Die_AidaLoos) October 5, 2022
Das sagen andere User:
Die Eskalation der Gewalt im Iran macht fassungslos, aber sie hat eine lange Geschichte. Die Menschen gehen nicht nur wegen Amini auf die Straße, sondern weil sie an einem Punkt angekommen sind, wo sie lieber ihr Leben riskieren, als weiter in einer Diktatur zu leben. Es geht in der Summe um 40 Jahre Unterdrückung, Demütigung, Folter und Mord. Was wir sehen, ist der Beginn einer Revolution. Es bleibt zu hoffen, dass die Herrschaft des iranischen Regimes ein schnelles Ende findet, bevor noch mehr Menschen sterben werden. Nachfolgend haben wir ein paar Kommentare von Leserinnen und Leser für euch gesammelt:
Danke für diesen Einblick. Solche erzählungen sollten wir öfter lesen, damit
Wir priviliegierten einmal wirklich verstehen was da vor sich geht. Es ist erschütternd und gleichzeitig so hoffnungsvoll wenn man das liest. Die liebe kann man nicht verbieten. Die Angst vor Frauen ist
— Manuela Guschelbauer (@Maclaudi13) October 6, 2022
Danke für diesen Einblick. Solche erzählungen sollten wir öfter lesen, damit
Wir priviliegierten einmal wirklich verstehen was da vor sich geht. Es ist erschütternd und gleichzeitig so hoffnungsvoll wenn man das liest. Die liebe kann man nicht verbieten. Die Angst vor Frauen ist— Manuela Guschelbauer (@Maclaudi13) October 6, 2022
Eine berührende und aufregende Geschichte zugleich, danke dass du das teilst, weil wir uns das hier nicht vorstellen können, wir sehen momentan „nur“ die Bilder der mutigen, tapferen Frauen I 🇮🇷
Mögen sie gewinnen ✊🏼✊🏼✊🏼
— juice your download 🏳️🌈🇺🇦🇮🇷 (@mirjam_the) October 5, 2022
Eine berührende und aufregende Geschichte zugleich, danke dass du das teilst, weil wir uns das hier nicht vorstellen können, wir sehen momentan „nur“ die Bilder der mutigen, tapferen Frauen I 🇮🇷
Mögen sie gewinnen ✊🏼✊🏼✊🏼— juice your download 🏳️🌈🇺🇦🇮🇷 (@mirjam_the) October 5, 2022
Die haben keinen Feierabend, die sind indoktriniert und für die Gesellschaft verloren.
— Mariam Malüü (@MaluuMariam) October 6, 2022
Die haben keinen Feierabend, die sind indoktriniert und für die Gesellschaft verloren.
— Mariam Malüü (@MaluuMariam) October 6, 2022
P.S. und Googeln bildet doch; Sauerkirschen, oder auch Weichselkirschen werden in manchen Gegenden von Bayern, Österreich und Schweiz kurz „Weichsel“ genannt, puuh,
jetzt ergibt’s wieder Sinn… so was weiß doch ein Umständehalber-Wahlpreusse nicht…🥺🫶
— 🇺🇦Katharina Екатерина ﮼کاتوو Zafarani 🍄 (@katooZafarani) October 6, 2022
P.S. und Googeln bildet doch; Sauerkirschen, oder auch Weichselkirschen werden in manchen Gegenden von Bayern, Österreich und Schweiz kurz „Weichsel“ genannt, puuh,
jetzt ergibt’s wieder Sinn… so was weiß doch ein Umständehalber-Wahlpreusse nicht…🥺🫶— 🇺🇦Katharina Екатерина ﮼کاتوو Zafarani 🍄 (@katooZafarani) October 6, 2022
Danke für diesen wunderschön und packend geschriebenen Einblick und das Näherbringen welche Mut zur Zeit auf den Straßen Irans aufgebracht wird.
— Tingting (@Tingting1407) October 6, 2022
Danke für diesen wunderschön und packend geschriebenen Einblick und das Näherbringen welche Mut zur Zeit auf den Straßen Irans aufgebracht wird.
— Tingting (@Tingting1407) October 6, 2022
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit! Wenn ihr mögt, schaut doch hier noch rein: