Thread: Über die Mitschuld freizügig gekleideter Frauen
Triggerwarnung: Dieser Beitrag thematisiert sexuelle Belästigungen und die damit einhergehende Täter-Opfer-Umkehr.
Wie die Überschrift schon verrät, tauchen wir mal wieder in den tiefen Sumpf der toxischen Männlichkeit ab und in das Thema sexuelle Belästigung ein. Nicht, dass zur klassischen Täter-Opfer-Umkehr eigentlich schon alles gesagt worden wäre, in den Köpfen der meisten XY-Chromosomenträger ist es längst nicht angekommen. Denn dabei wird nicht nur gern den Frauen die Schuld für sexuelle Übergriffe zugeschoben, sondern auch die Täter werden als fremd- und triebgesteuert verharmlost. Das Anspruchsdenken vieler Männer und die Machtausübung, mit der Frauen entwertet und als reine Sexualobjekte charakterisiert werden, rundet die Abscheulichkeit dieser Debatte sogar noch ab. Und so kommen wir zu dem nun folgenden Thread von Agota Lavoyer, die Expertin für sexualisierte Gewalt ist. Darin fasst sie kurz und knapp zusammen, was man antworten kann, wenn das Thema beziehungsweise die Schuld-Mythen zur Sprache kommen.
Ich wurde gestern auf einem Podium gefragt, was man denn entgegnen könne, wenn jemand sagt, eine freizügig gekleidete Frau sei mitschuldig wenn sie belästigt werde.
Meine Antwort im 🧵.
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*tief einschnauf und ausschnauf*— Agota Lavoyer (@ALavoyer) May 18, 2022
Mit der Annahme, dass hetereosexuelle Männer nicht anders können, als freizügig bekleidete Frauen zu belästigen, bedient man mehrere, leider immer noch tief verankerte, Mythen.
— Agota Lavoyer (@ALavoyer) May 18, 2022
Mythos 1:Männer seien triebgesteuert und könnten sich vor lauter Lust nicht mehr kontrollieren. Das ist falsch. Und ist im Übrigen einer der Unterschiede zwischen Tier und Mensch: Menschen können ihre Triebe kontrollieren, alle. Auch wenn ihnen ein Penis zwischen den Beinen hängt
— Agota Lavoyer (@ALavoyer) May 18, 2022
Mythos 2: Sexualisierte Gewalt sei eine Triebtat, habe mit der Lust des Täters zu tun. Das ist falsch. Sexualisierte Gewalt ist eine der schlimmsten Formen der Abwertung, Demütigung und Erniedrigung. Das hat absolut nichts mit Lust und sehr viel mit Machtausübung zu tun.
— Agota Lavoyer (@ALavoyer) May 18, 2022
Mythos 3: Freizügig angezogene Frauen legen es bewusst darauf an, von Männern angeschaut, angesprochen und für Sex gefragt zu werden. Diese internalisierte Objektifizierung von Mädchen- und Frauenkörpern wird als etwas Unüberwindbares angesehen. Das ist, natürlich, auch falsch.
— Agota Lavoyer (@ALavoyer) May 18, 2022
Worum es hier geht: um ein konservatives Geschlechterrollenverständnis und um ein verinnerlichtes Ressentiment gegenüber Mädchen, die sich sogenannt „billig“ kleiden und somit vermeintlich einer Schicht angehören, von der man sich abgrenzen will.
— Agota Lavoyer (@ALavoyer) May 18, 2022
Der Unterschied zwischen Täter und Opfer? Während der Täter die Entscheidung getroffen hat, die Grenzen seines Gegenübers auf massivste Weise zu missachten und zu überschreiten, hat das Opfer nie entschieden, Opfer werden zu wollen. Die Schuld liegt somit nur beim Täter. Immer.
— Agota Lavoyer (@ALavoyer) May 18, 2022
Das sagen andere User:
Besser kann man es nicht auf den Punkt bringen! Weil so viele Frauen damit bereits negative Erfahrungen mit dem Thema gemacht haben, gab es jede Menge Kommentare von Leserinnen und Lesern. Ein paar der treffendsten Reaktionen haben wir hier für euch zusammengetragen.
Gibt dazu Untersuchungen, die zeigen, dass das oft ein Akt magisches Denkens ist.https://t.co/NmaUFMpLS6
— Bruja 🇪🇦🇺🇸🇳🇱😷💉💉💉💉 (@BentsCristin) May 19, 2022
„freizügig gekleidete Frau“?
Selbst wenn eine Frau nackt durch die Gegend laufen sollte, ist dies keine Rechtfertigung/kein Grund für Anmache, Belästigung oder gar Vergewaltigung! Punkt!
Die alleinige Schuld trägt der Aggressor!
— Der mit dem E-Rolli (@rolli_e) May 19, 2022
CN R*pe
Ich musste dem Richter genau schildern, was ich getragen habe. Er und der Staatsanwalt unterhielten sich lautstark vor mir darüber, ob die Kleidung bei der Tat eine Rolle gespielt habe. Ich war 17, trug einen Rollkragenpullover und eine Stoffhose.— Zuckerwaffe ⌨️🤷🏻♀️ (@Zuckerwaffe1) May 18, 2022
Was hattest du denn an, bei dem Raubüberfall?
Sorry, aber wer so ein teures Auto/Handy/Uhr/Schuhe/…dickes Portemonnaie besitzt, muss sich nicht wundern, wenn er beraubt wird. Da muss man den Täter auch einfach mal entlasten. Dein Besitz hat ihn ja praktisch eingeladen!— Bluesdays (@Bluesdays1) May 19, 2022
gutes Projekt! Die Kleidung spielt absolut keine Rolle. Es geht immer um Erniedrigung und Machtausübung.
— Listiger Impf-Höhlen-Lurch ☮️🚺😷💉💉💉 (@_ListigerLurch_) May 19, 2022
wie viele Mädels und einige Jungs schon mit sexueller Gewalt konfrontiert werden. Fast alle Mädchen haben es in irgendeiner Form schon erlebt. Die Schüler*innen lernen Grenzen zu erkennen und sich zu wehren. Das macht sie selbstbewusster und sensibler im Umgang miteinander. 😉
— 🏳️🌈 Pinoschka 🏳️🌈 (@T_Pinoschka) May 19, 2022
Die Frauen sind ja auch Schuld, dass Eva den Apfel gepflückt und Adam damit verführt hat. Man macht die Opfer, in diesem Fall die Frauen, zu Tätern.Für manche Männer ist eine Nonnentracht oder die Burka schon zu freizügig.
— Hans Joachim Rieks (Hajo) (@HajoRieks) May 19, 2022
Schöne Idee. Und dann auf einer präzisen Antwort bestehen! Immer wieder nachhaken. Farbe, Schnitt, Material der Kleidung, Uhrzeit, Standort etc.
— Aushilfskönigin (@aushilfsdings) May 19, 2022
Und selbst wenn, dann ist das ja auch noch immer keine Einladung zu was auch immer.
— just call me heinz (@fs01obelix) May 19, 2022
Die meisten Opfer von Vergewaltigung waren normal gekleidet. Jeans, T-Shirt, nichts besonderes. Könnte man durch unförmige Jogginghosen Übergriffe vermeiden, würden viele Frauen welche tragen. Ich würde eine in meine Tasche stopfen und drüberziehen, wenn es spät wird.
— Lissys Rolfchen 💙💛 (@LissysFrauchen) May 19, 2022
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit! Zu diesem Thema haben wir noch das: