Psychische Gesundheit betrifft uns alle. Leider herrscht immer noch ein enormes Stigma rund um diese Art von Krankheiten, das es vielen Menschen erschwert, darüber zu sprechen. Diese Stigmatisierung reicht sogar bis in die politische Arena, wo Krankheiten generell oft als Schwäche angesehen werden und eine erkrankte Person als ungeeignet für ein öffentliches Amt angesehen wird.
Der Punkt dabei ist, dass jeder von uns zu irgendeinem Zeitpunkt in seinem Leben mit gesundheitlichen Problemen konfrontiert wird. Das ist keine Frage der Schwäche, sondern eine Angelegenheit der menschlichen Erfahrung. Indem wir Vorurteile um psychische Krankheiten aufheben, schaffen wir einen Raum für Offenheit und Verständnis. Wir verhindern damit auch, dass Einzelne sich aus Angst gezwungen sehen, über ihren Status zu lügen. Indem wir uns ermutigen, über unsere eigenen Kämpfe zu sprechen, helfen wir anderen, sich weniger isoliert zu fühlen und ermutigen sie, ebenfalls ihre Geschichten zu teilen. Andernfalls könnte es nämlich sein, dass wir Menschen von der Unterstützung abhalten, die sie brauchen und verdienen.
Darüberhinaus sollten politische Arenen keine Orte sein, an denen Menschen wegen ihrer psychischen Gesundheit diskriminiert werden. Stattdessen sollten wir danach streben, eine inklusive und vielfältige Politiklandschaft zu schaffen, in der jeder, unabhängig von seinem gesundheitlichen Zustand, die Möglichkeit hat, seine Stimme zu erheben und positive Veränderungen herbeizuführen. Psychische Krankheiten sollten nicht als Hindernis betrachtet werden. Darüber zu reden und sich Hilfe zu suchen, sollte als Stärke gesehen werden, die zu besseren Entscheidungen und einer tieferen Empathie führen kann.
Beispiel gefällig? Die Twitteruserin @Amyrlin_ berichtet in dem nun folgenden Thread von ihren Erfahrungen.
Vor eineinhalb Jahren erzählte ich meiner Stadtratsfraktion und meinem potentiellen Nachrücker,dass ich wegen meiner schweren Depression in der Psychiatrie sei und mindestens 6 Monate ausfallen würde. Ich bat sie, geheim darüber abzustimmen, ob ich mein Mandat zurückgeben sollte.
— Hexe (@Amyrlin_) May 27, 2023
Ich bekam persönliche Rückmeldung von mehreren, inklusive dem Nachrücker, dass mein Platz an ihrer Seite sei und ich wiederkommen sollte, wenn ich so weit bin. Die Abstimmung verlief einstimmig für mich.
— Hexe (@Amyrlin_) May 27, 2023
Als Landesdeligierte informierte ich den Vorsitzenden meines Ortsverbandes, dass ich auch in dieser Position ausfallen würde und warum.
Er dankte mir für die Offenheit und sagte, ich solle mir Zeit nehmen und zurückkommen, wenn ich so weit sei.— Hexe (@Amyrlin_) May 27, 2023
Psychische Gesundheit, bzw Krankheit, hat ein riesiges Stigma inne. Psychische Krankheit in der Politik wird oft als Schwäche gesehen, eine psychisch erkrankte Person als fürs Amt ungeeignet.
— Hexe (@Amyrlin_) May 27, 2023
Dass die wichtigsten Personen in meiner lokalpolitischen Gemeinschaft so wertschätzend und freundlich mit mir umgingen, war für meine Genesung SO wichtig.
Ich bin zurück in allen Ämtern und zusätzlich jetzt selbst im Vorstand.
— Hexe (@Amyrlin_) May 27, 2023
Warum ich das schreibe?
Denkt bitte einfach mal eine Sekunde darüber nach, wie ihr reagieren würdet, würde jemand in eurem Leben sich als psychisch krank outen. Geht die verschiedenen Szenarien durch.
Jemand aus der Familie, dem Job, dem Ehrenamt.— Hexe (@Amyrlin_) May 27, 2023
Jede 4. Person hat irgendwann in ihrem Leben eine psychiatrisch relevante Episode. Ihr kennt also mit Sicherheit jemanden, der*die betroffen ist.
Seid bitte die Person, an die er*sie sich vertrauensvoll wenden kann.
Danke 🙂
— Hexe (@Amyrlin_) May 27, 2023
Das sagen andere User:
Die Beseitigung des Stigmas um psychische Erkrankungen erfordert einen kollektiven Einsatz. Es liegt an uns allen, Vorurteile zu bekämpfen und diejenigen zu ermutigen, die den Mut finden, ihre Geschichten zu teilen. Es wird Zeit, dass psychische Gesundheit als das betrachtet wird, was sie ist: ein Teil unseres umfassenden Wohlbefindens. Nur so können wir eine Gesellschaft aufbauen, die Empathie, Verständnis und Heilung fördert. Aber genug von uns, hören wir doch mal, was die Leserinnen und Leser dazu zu sagen hatten:
Eine unwürdige Praxis
Das finde ich großartig! Ich habe das auch schon gemacht – und hatte am nächsten Tag die Kündigung im Briefkasten. (Probezeit)
— Buntbüro (@ReginaRullmann) May 27, 2023
Das ist toll
Als ich nach dem Tod meines Mannes mitten in der Pandemie mein Mandat einige Zeit nicht wahrnehmen konnte, hat mich der Bezirksausschuss einstimmig zur 2.stellv. Vorsitzenden gewählt. Iwie ein großer Trost!
— BarbaraE_Hartje (@HartjeBarbel) May 27, 2023
Es tut gut, darüber zu reden
Ich habe vor ca. 9 Jahren meinem damaligen Chef gesagt, dass ich an Depressionen leide. Es hat auch sehr Verständnisvoll reagiert. Dass es halt eine scheiß Krankheit ist und ich gesund/stabil werden soll. War für mich auch eine Erleichterung.
— momo (@heike02667337) May 28, 2023
Nicht jeder traut sich
Ich habe viele Jahre an Depressionen gelitten und war weiter voll berufstätig.Keiner meiner Arbeitgeber wusste von meiner Erkrankung und das ist gut so.Selbst aus heutiger Sicht alles https://t.co/YHTvGExSPYückwünsche,dass Du ganz andere Erfahrungen gemacht hast.Alles Gute🍀
— Iris (@Iris23342229) May 27, 2023
Wie ätzend manche Menschen sein können
Das ist wundervoll zu lesen. Als ich früh in der Pandemie nach einer Fehlgeburt eine Weile als Fraktionssprecherin im Bezirksausschuss ausgefallen bin, nutzte das die stellv Vorsitzende, um Stimmung gegen mich zu machen.
— Frau Fio (@fraufio) May 28, 2023
Akzeptanz ist das A und O
Meine Kollegin wollte ihr Amt auch ruhen lassen, war von der Fraktion aus auch ok und hat sich nach einem halben Jahr entschieden, dass sie es nicht mehr schafft. Auch das ist ok und wenn sie bei der nächsten Wahl wieder dabei ist, freuen wir uns. Dir alles Gute und danke 🙏
— Lilonia (@LiIonia) May 27, 2023
Das muss aufhören!
Ich bin dank meiner Offenheit, gemobbt, erniedrigt und gegangen worden
— Cloudine (@Cloudin26790443) May 27, 2023
Hoffentlich kommt es niemals so weit
So sollte es sein. Aber in der Realität kämpfen wir alle gegen Vorurteile.
Und jedes Mal, wenn ein psychisch Kranker eine schwere Straftat begeht,werden Stimmen laut,die ein Register für Menschen mit F-Diagnosen wollen,damit „die“ nicht in verantwortungsvoller Position arbeiten.
— Hexe (@Amyrlin_) May 27, 2023
Transparenz ist auch wichtig für die Arbeitsmoral
Ich habe einen Azubi begleitet, der für 3 Mon in die Tagesklinik konnte. Wir haben gemeinsam den AG informiert. Der war einfühlsam, zugewandt und konnte die AU so besser einordnen. Es sollte auch Gerüchten vorbeugen, wenn Kollegen den Azubi in der Zeit bei Aktivitäten treffen.
— Atalia (@Atalia03023455) May 28, 2023
Leider keine Selbstverständlichkeit
Probleme mit meinem AG und wurde von allen toll zurückempfangen. 4 Monate später konnte ich sogar eine Leitung übernehmen und bekomme viel Unterstützung, wenn ich an Grenzen stoße. Ich weiß aber auch, dass dies nicht typisch ist, auch wenn es das sein sollte.
— sozialarbeitende Mama 💉💉💉 💉 (@eulenmami) May 28, 2023
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit! Da wir gerade von Mental Health sprechen: