Thread: Das Beispiel Dieter Schwarz
Wir alle kennen das Motto „Vom Tellerwäscher zum Millionär“, das wie kein anderes für den „American Dream“ steht. Aber auch in Deutschland ist man noch dem Mythos verfallen, dass harte Arbeit der Schlüssel zu Reichtum ist. Klar, es gibt hin und wieder tatsächlich Erfolgsgeschichten, auf die diese Erzählung zutrifft, allerdings sind sie so selten und wahrscheinlich wie ein siebenstelliger Lottogewinn. Tatsächlich hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung versucht herauszufinden, wie Reichtum in Deutschland zustande kommt und dafür im Auftrag des Bundesarbeits- und -sozialministeriums 130 Millionärshaushalte befragt.
Zwei Drittel der Befragten gaben dabei an, dass Erbschaften oder Schenkungen ein Hauptgrund für ihren heutigen Reichtum seien. Darüber hinaus nannten 36 Prozent der Vermögensmillionärinnen Heiraten als Quelle ihres Wohlstands, bei Männern 19 Prozent. Das Fazit dieser Untersuchung ist ernüchternd und räumt ein für alle Mal mit dem Mythos auf. Zusammenfassend lässt sich sagen: Der vorhandene Reichtum wurde meist nicht selbst erarbeitet und die Vermögenden trugen – wenn überhaupt – nur zu einem geringeren Teil selbst dazu bei.
Warum wir das schreiben? Nun, die Schere zwischen Arm und Reich ist mittlerweile so breit wie die San-Andreas-Verwerfung und das bedeutet auch, dass immer häufiger gut situierte Unternehmer und Milliardäre im Fokus von Kapitalismuskritik stehen. Kein Wunder, denn wenn mehr als 3.000 Superreiche in Deutschland ein Fünftel des Privatvermögens besitzen, während mehr als 2 Millionen Menschen armutsbetroffen und auf den Versorgungsdienst der Tafel angewiesen sind, läuft gehörig etwas schief in diesem Land. Und schaut man sogar noch etwas genauer hin, wird deutlich, dass sich diese Entwicklung immer weiter zuspitzt. So gab es 2004 in Deutschland 9.688 Einkommensmillionäre, 2022 sind es über 26.300.
Damit wir nicht noch mehr alarmierende Zahlen in den Raum werfen, übergeben wir das Wort lieber der Twitteruser*in @bini_adamczak, die sich ein prominentes Beispiel vorgenommen hat und im nun folgenden Thread über die ungleiche Vermögensverteilung und über den Mythos von Reichtum durch harte Arbeit aufklärt.
Alle, die sagen, „Hört auf zu kritisieren, dass Lidl Eigentümer Dieter Schwarz so reich ist und viele andere arm, strengt euch besser an, dann könnt ihr das auch schaffen“, möchte ich an folgendes erinnern:
1/5— bini adamczak (@bini_adamczak) October 26, 2022
Ein Kassierer bei Lidl bekommt 19.000 – 33.000 € brutto im Jahr. Wer es bei Lidl bis nach oben „schafft“, nämlich auf die am besten bezahlte Stelle des Vertriebsleiters, kann bis zu zehnmal mehr verdienen, das heißt 68.000 – 195.000 €.
2/5— bini adamczak (@bini_adamczak) October 26, 2022
– Das ist viel Geld, da winkt die erste Million nach weniger als sechs Jahren.
Um aber das aktuelle Vermögen von Lidl Eigentümer Dieter Schwarz zusammen zu bekommen, müsste ein Lidl Vertriebsleiter mit dem Spitzengehalt von 195.000 € brutto 244.000 Jahre lang arbeiten.
3/5— bini adamczak (@bini_adamczak) October 26, 2022
Anders formuliert: Bei einer durchschnittlichen Lebensarbeitszeit von 38,8 Jahren bräuchte er 6291 Leben. Aber ja, mit ein bisschen Anstrengung kann er das schon schaffen.
4/5— bini adamczak (@bini_adamczak) October 26, 2022
Übrigens, eine Lidl Kassiererin in Vollzeit mit einem Höchstgehalt von 33.000 € brutto jährlich bräuchte, um das aktuelle Vermögen des Lidl Eigentümers zu verdienen, 1,4 Millionen Jahre oder 37.176 Arbeitsleben.
5/5— bini adamczak (@bini_adamczak) October 26, 2022
Quellen: https://t.co/BJKG9NYGdLhttps://t.co/TESzLQWWsL
— bini adamczak (@bini_adamczak) October 26, 2022
Das sagen andere User:
Tja, was soll man dazu noch sagen? Als Einzelperson lässt sich gegen diese Ungerechtigkeit eigentlich nichts ausrichten. Hier ist ganz eindeutig die Politik gefragt. Die Frage ist nur, reicht es, hier Vermögens- und Erbschaftssteuern anzusetzen, oder brauchen wir nicht viel eher einen grundlegenden Systemwandel? Hinterlasst uns doch einen Kommentar, wie ihr das seht. Was die Leserinnen und Leser des Threads dazu zu sagen hatten, das erfahrt ihr jetzt:
Und wer weiß, auf welcher Art von Ausbeutung diese „Familienunternehmen“ gegründet wurden.
— ege_oz (@1egemenoz) October 26, 2022
Stimmt, das von Dieter Schwarz ist vollkommen risikolos. Wenn er verkackt, springt der Staat ein. Wenn eine Kassiererin falsch die Bons bucht, Differenz selbst zahlen oder Kündigung.
— Andi Weiland (@ohrenflimmern) October 27, 2022
Solche Rechnungen vergessen immer, das diejenigen die das sagen meinen, das doch jeder selbst Ausbeuter werden kann (aber selbst wenn jeder das könnte, so können das eben nicht alle – und erstrebenswert ist es natürlich auch nicht überhaupt Ausbeuter werden zu wollen)
— Rudolf Mühland (@Rudolf_Muehland) October 26, 2022
Höhere Erbschaftssteuer im Gegenzug einer verringerten Einkommensteuer könnte hier Abhilfe schaffen.
Allerdings unterstütze ich das Prinzip, wonach Leute, die mehr Risiko eingehen zu scheitern auch besser belohnt werden sollten. Das ist bei Gründungen der Fall.— Benjamin Radermacher (@BenjaminRaderm1) October 27, 2022
Dass Dieter Schwarz, Musk, Bezos und ein paar andere unglaublich reich sind zeigt nicht, dass es jeder schaffen kann, sondern im Gegenteil, dass das fast niemand schaffen kann.
Reich wird man nicht durch eigener Hände Arbeit, sondern indem man andere für sich arbeiten lässt.
— Arthur Hopfenschauer (@Hopfenschauer) October 27, 2022
Ich würde dann schon eher kritisieren, dass ihr angesichts der Systemkrise so langsam den Kapitalismus grundlegend kritisieren solltet, und nicht die ungleiche Verteilung von Reichtum im Kapitalismus. Dafür gibt es ja die SPD…
— tomasz konicz (@tkonicz) October 26, 2022
Und Never forget, dass er mal in einem Spiegel-Interview gesagt hat, eine Näherin in Bangladesch könne niemals so viel Geld verdienen wie ein Manager in Deutschland, weil sie niemals so produktiv sein könne.
🤮— Anna A (@AveGym) October 27, 2022
Ich will nicht reich sein, sondern wohlhabend. Ich möchte, dass alle Menschen um mich herum ebenfalls wohlhabend sind. Solange ich „reich“ als erstrebenswert erachte, bin ich Teil des Problems. Sollte ich Armut als erstrebenswert erachten, bin ich die andere Seite des Problems.
— @[email protected] 🕊 (@padeluun) October 27, 2022
Das ist ja nur eine Seite. Die andere ist, dass Schwarz 1. die Gewinne von LiDL und Kaufland in Stiftungen steckt und nicht versteuert und 2. das Vermögen den radikal rechten Evangelikalen/Pfingstlern zuschustert…
— Boris (@BobFollow99) October 26, 2022
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit! Wenn ihr mögt, schaut doch hier noch rein: