Twitterperlen News: Alice Weidel im Sommerinterview

Chris Schröder 12.09.2023, 13:40 Uhr

Sonntagabend konnte man im Ersten nicht nur den Tatort bestaunen oder sich über Deutschlands Sieg bei der Basketball-Weltmeisterschaft freuen, es gab auch ein weiteres politisches Sommerinterview zu sehen, ob man wollte oder nicht. Darin offenbarte Alice Weidel (AfD) nicht nur, dass sie das Kriegsende von 1945 als „Niederlage des eigenen Landes“ sehe, sondern distanzierte sich auch von der Bezeichnung „queer“, obwohl sie sich selbst in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung befindet. Wir haben alles Wissenswerte hier für euch zusammengetragen und ein paar passende Tweets dazu herausgesucht.

Beginnen wir zunächst mit der Frage aller Fragen: Soll man einer Partei und ihren Vertreter*innen, die in weiten Teilen als faschistisch bezeichnet werden dürfen und vom Verfassungsschutz beobachtet werden, überhaupt eine Bühne bieten?


Sicher, die AfD mag eine demokratisch gewählte Partei sein, jedoch eine, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, demokratische Normen, Prozesse und Regeln zu stören und zu zersetzen. Mehr noch, die Vertreter*innen dieser Partei beklagen regelmäßig, dass sie Opfer der Medien (und ganz besonders der öffentlich-rechtlichen) sind, da sie angeblich nicht oft genug befragt, eingeladen oder gehört und in direkter Konfrontation mit den Fakten (!) falsch dargestellt werden. Dass man der AfD da natürlich den Wind aus den Segeln nehmen will, ist ein ehrbares Motiv. Das Opfer-Narrativ erhält die selbst ernannte Alternative aber so oder so aufrecht, weil es bei ihren Wählern besser ankommt als die Tatsache, dass man mit der „Lügenpresse“ zusammenarbeitet.

Der Rest der Republik staunte in diesem Zusammenhang nicht schlecht, dass die Produzenten des Interviews im Vorfeld Publikumsfragen für Alice Weidel sammelten, als wäre sie der normalste Gast auf der Welt – so als wüsste man nicht, was sie sagen würde. Als wäre nicht längst klar, dass die AfD immer mit Populismus, Hetze und Lügen agiert, ohne echte Lösungen zu bieten. Als wäre ihr Leitspruch nicht schon immer „Je schlechter es Deutschland geht, desto besser für die AfD“ gewesen und als würde sie nicht ständig durch rassistisches Gedankengut und Menschenfeindlichkeit auffallen.

Was zu erwarten war

Die harsche Kritik im Interview an der aktuellen Regierung und der EU kam wenig überraschend. So bezeichnete Weidel den Kanzler und sein Kabinett als „idiotisch“ und warf der Ampelkoalition vor, gegen die Mehrheit der Bevölkerung zu handeln. Sie betonte, dass die Bundesregierung um Olaf Scholz (SPD) die Mehrheiten in der Bevölkerung verloren habe und forderte Neuwahlen.


Weiterhin kritisierte die Vorsitzende das Gebäudeenergiegesetz, das aus ihrer Sicht zu Investitionskosten und Wertverfall von Immobilien führt. Sie warf der Regierung vor, die Altersvorsorge vieler Menschen zu gefährden. Zum Thema Fachkräftemangel bot Weidel natürlich keine Lösungen an, aber sie sah das Problem als selbst verschuldet an. In Bezug auf die EU erklärte sie, dass die Menschen diese nicht mehr haben wollen und stattdessen eine europäische Wirtschaftsgemeinschaft bevorzugen würden. Sie forderte dabei eine Stärkung der Zusammenarbeit in bestimmten Bereichen wie dem Binnenmarkt, der Sicherheits- und Verteidigungspolitik sowie der Grenzsicherung.

Bezüglich einer möglichen Kanzlerkandidatur ließ Weidel offen, ob sie sich bewerben werde. Die Entscheidung werde auf dem Parteitag im kommenden Jahr getroffen. Sie betonte jedoch, dass die AfD einen Führungsanspruch stellen werde, wenn sie zweitstärkste Kraft werde würde. Abschließend äußerte sie Bedenken hinsichtlich einer möglichen Spaltung des „regierungskritischen Lagers“ aufgrund der Pläne von Sahra Wagenknecht (Die Linke), eine neue Partei zu gründen. Sie bezweifelte, dass Wagenknecht die größte Gefahr für die AfD sei. So weit, so erwartbar für eine Vertreterin dieser Partei.

Ein Tabubruch, der tief blicken lässt

Viel erschreckender war jedoch eine andere Aussage, die als Beleg für die faschistische Grundhaltung der Partei gewertet wird. Dabei ging es nämlich darum, dass Weidel verlautbarte, in der Niederlage des Nationalsozialismus keinen Grund zur Freude zu sehen. So sei sie am Tag der Befreiung deshalb nicht in der russischen Botschaft gewesen, weil sie „die Niederlage des eigenen Landes“ nicht feiern wolle. Eine Aussage, die tatsächlich sehr tief blicken lässt, ist sie doch als Zäsur der deutschen Geschichte bekannt, die in ihrer Folge den Grundstein für unsere demokratische Grundordnung legte. Warum das Interview an dieser Stelle nicht abgebrochen wurde, gibt vielen Zuschauer*innen Rätsel auf und sorgte für kollektives Kopfschütteln.

Zu guter Letzt sorgte noch eine Zuschauerfrage für Aufsehen: „Wie gehen Sie selbst mit der offenen Queer-Feindlichkeit in ihrer Partei um?“ Denn die Interviewte antwortete, dass sie sich nicht als queer sehe, sondern sei lediglich mit einer Frau verheiratet, die sie seit 20 Jahren kenne. Eine irre Steilvorlage für all die Memefans und Kommentator*innen im Internet, wie sich herausstellen sollte. Und auch sonst gab es jede Menge Tweets über das Interview zu lesen. Wir haben ein paar davon für euch zusammengestellt.

#1: Das kann man Normalisierung nennen

#2: Ein Zitat aus den Geschichtsbüchern

#3: Es bleibt unverständlich

#4: Laut Umfragen können sich 22 Prozent vorstellen, diese Partei zu wählen

#5: Mit Rechten reden – oder soll man es lassen?

#6: Never forget

#7: Freispruch!

#8: So geht AfD

Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit! Wer jetzt ganz dringend ein paar positive Nachrichten braucht, sollte hier reinschauen:

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