
Sonntagabend konnte man im Ersten nicht nur den Tatort bestaunen oder sich über Deutschlands Sieg bei der Basketball-Weltmeisterschaft freuen, es gab auch ein weiteres politisches Sommerinterview zu sehen, ob man wollte oder nicht. Darin offenbarte Alice Weidel (AfD) nicht nur, dass sie das Kriegsende von 1945 als „Niederlage des eigenen Landes“ sehe, sondern distanzierte sich auch von der Bezeichnung „queer“, obwohl sie sich selbst in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung befindet. Wir haben alles Wissenswerte hier für euch zusammengetragen und ein paar passende Tweets dazu herausgesucht.
Beginnen wir zunächst mit der Frage aller Fragen: Soll man einer Partei und ihren Vertreter*innen, die in weiten Teilen als faschistisch bezeichnet werden dürfen und vom Verfassungsschutz beobachtet werden, überhaupt eine Bühne bieten?
Warum werden Faschisten eigentlich zu einem Sommerinterview eingeladen?
— Martin Bethke (@Martin_Bethke) September 10, 2023
Warum werden Faschisten eigentlich zu einem Sommerinterview eingeladen?
— Martin Bethke (@Martin_Bethke) September 10, 2023
Sicher, die AfD mag eine demokratisch gewählte Partei sein, jedoch eine, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, demokratische Normen, Prozesse und Regeln zu stören und zu zersetzen. Mehr noch, die Vertreter*innen dieser Partei beklagen regelmäßig, dass sie Opfer der Medien (und ganz besonders der öffentlich-rechtlichen) sind, da sie angeblich nicht oft genug befragt, eingeladen oder gehört und in direkter Konfrontation mit den Fakten (!) falsch dargestellt werden. Dass man der AfD da natürlich den Wind aus den Segeln nehmen will, ist ein ehrbares Motiv. Das Opfer-Narrativ erhält die selbst ernannte Alternative aber so oder so aufrecht, weil es bei ihren Wählern besser ankommt als die Tatsache, dass man mit der „Lügenpresse“ zusammenarbeitet.
Der Rest der Republik staunte in diesem Zusammenhang nicht schlecht, dass die Produzenten des Interviews im Vorfeld Publikumsfragen für Alice Weidel sammelten, als wäre sie der normalste Gast auf der Welt – so als wüsste man nicht, was sie sagen würde. Als wäre nicht längst klar, dass die AfD immer mit Populismus, Hetze und Lügen agiert, ohne echte Lösungen zu bieten. Als wäre ihr Leitspruch nicht schon immer „Je schlechter es Deutschland geht, desto besser für die AfD“ gewesen und als würde sie nicht ständig durch rassistisches Gedankengut und Menschenfeindlichkeit auffallen.
Was zu erwarten war
Die harsche Kritik im Interview an der aktuellen Regierung und der EU kam wenig überraschend. So bezeichnete Weidel den Kanzler und sein Kabinett als „idiotisch“ und warf der Ampelkoalition vor, gegen die Mehrheit der Bevölkerung zu handeln. Sie betonte, dass die Bundesregierung um Olaf Scholz (SPD) die Mehrheiten in der Bevölkerung verloren habe und forderte Neuwahlen.
AfD-Chefin Alice Weidel fordert im ARD-#Sommerinterview Neuwahlen.
— Bericht aus Berlin (@ARD_BaB) September 10, 2023
AfD-Chefin Alice Weidel fordert im ARD-#Sommerinterview Neuwahlen.
— Bericht aus Berlin (@ARD_BaB) September 10, 2023
Weiterhin kritisierte die Vorsitzende das Gebäudeenergiegesetz, das aus ihrer Sicht zu Investitionskosten und Wertverfall von Immobilien führt. Sie warf der Regierung vor, die Altersvorsorge vieler Menschen zu gefährden. Zum Thema Fachkräftemangel bot Weidel natürlich keine Lösungen an, aber sie sah das Problem als selbst verschuldet an. In Bezug auf die EU erklärte sie, dass die Menschen diese nicht mehr haben wollen und stattdessen eine europäische Wirtschaftsgemeinschaft bevorzugen würden. Sie forderte dabei eine Stärkung der Zusammenarbeit in bestimmten Bereichen wie dem Binnenmarkt, der Sicherheits- und Verteidigungspolitik sowie der Grenzsicherung.
Bezüglich einer möglichen Kanzlerkandidatur ließ Weidel offen, ob sie sich bewerben werde. Die Entscheidung werde auf dem Parteitag im kommenden Jahr getroffen. Sie betonte jedoch, dass die AfD einen Führungsanspruch stellen werde, wenn sie zweitstärkste Kraft werde würde. Abschließend äußerte sie Bedenken hinsichtlich einer möglichen Spaltung des „regierungskritischen Lagers“ aufgrund der Pläne von Sahra Wagenknecht (Die Linke), eine neue Partei zu gründen. Sie bezweifelte, dass Wagenknecht die größte Gefahr für die AfD sei. So weit, so erwartbar für eine Vertreterin dieser Partei.
Ein Tabubruch, der tief blicken lässt
Viel erschreckender war jedoch eine andere Aussage, die als Beleg für die faschistische Grundhaltung der Partei gewertet wird. Dabei ging es nämlich darum, dass Weidel verlautbarte, in der Niederlage des Nationalsozialismus keinen Grund zur Freude zu sehen. So sei sie am Tag der Befreiung deshalb nicht in der russischen Botschaft gewesen, weil sie „die Niederlage des eigenen Landes“ nicht feiern wolle. Eine Aussage, die tatsächlich sehr tief blicken lässt, ist sie doch als Zäsur der deutschen Geschichte bekannt, die in ihrer Folge den Grundstein für unsere demokratische Grundordnung legte. Warum das Interview an dieser Stelle nicht abgebrochen wurde, gibt vielen Zuschauer*innen Rätsel auf und sorgte für kollektives Kopfschütteln.
Habe mich dagegen entschieden, „die Niederlage des eigenen Landes zu befeiern“. AfD-Chefin Alice Weidel im ARD-#Sommerinterview zur Frage, warum sie nicht – wie Tino Chrupalla – am Tag der deutschen Kapitulation in der russischen Botschaft zu Gast war.
— Bericht aus Berlin (@ARD_BaB) September 10, 2023
Habe mich dagegen entschieden, „die Niederlage des eigenen Landes zu befeiern“. AfD-Chefin Alice Weidel im ARD-#Sommerinterview zur Frage, warum sie nicht – wie Tino Chrupalla – am Tag der deutschen Kapitulation in der russischen Botschaft zu Gast war.
— Bericht aus Berlin (@ARD_BaB) September 10, 2023
Zu guter Letzt sorgte noch eine Zuschauerfrage für Aufsehen: „Wie gehen Sie selbst mit der offenen Queer-Feindlichkeit in ihrer Partei um?“ Denn die Interviewte antwortete, dass sie sich nicht als queer sehe, sondern sei lediglich mit einer Frau verheiratet, die sie seit 20 Jahren kenne. Eine irre Steilvorlage für all die Memefans und Kommentator*innen im Internet, wie sich herausstellen sollte. Und auch sonst gab es jede Menge Tweets über das Interview zu lesen. Wir haben ein paar davon für euch zusammengestellt.
#1: Das kann man Normalisierung nennen
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk und Nazis keine Bühne bieten Challenge (impossible) https://t.co/YBirDVSLnD
— 𝙧𝙤𝙩𝙚𝙧 𝙥𝙖𝙣𝙙𝙚𝙧 (@roter_pander) September 6, 2023
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk und Nazis keine Bühne bieten Challenge (impossible) https://t.co/YBirDVSLnD
— 𝙧𝙤𝙩𝙚𝙧 𝙥𝙖𝙣𝙙𝙚𝙧 (@roter_pander) September 6, 2023
#2: Ein Zitat aus den Geschichtsbüchern
„Ihr werdet die Deutschen immer wieder daran erkennen können, ob sie den 8. Mai als Tag der Niederlage oder der Befreiung bezeichnen.“ Heinrich Böll#AliceWeidel #Sommerinterview
— Georg Restle (@georgrestle) September 11, 2023
„Ihr werdet die Deutschen immer wieder daran erkennen können, ob sie den 8. Mai als Tag der Niederlage oder der Befreiung bezeichnen.“ Heinrich Böll#AliceWeidel #Sommerinterview
— Georg Restle (@georgrestle) September 11, 2023
#3: Es bleibt unverständlich
Man muss nicht verstehen, was in Frau Weidels Kopf vorgeht, wenn Sie als Homosexuelle den Untergang Nazideutschlands als nicht zu feiernde Niederlage darstellt. Warum das Interview nicht an dieser Stelle endete darf hingegen als Beleg rechtspopulistischer Normalisierung gelten.
— Guido Kühn (@ProfGuidoKuehn) September 11, 2023
Man muss nicht verstehen, was in Frau Weidels Kopf vorgeht, wenn Sie als Homosexuelle den Untergang Nazideutschlands als nicht zu feiernde Niederlage darstellt. Warum das Interview nicht an dieser Stelle endete darf hingegen als Beleg rechtspopulistischer Normalisierung gelten.
— Guido Kühn (@ProfGuidoKuehn) September 11, 2023
#4: Laut Umfragen können sich 22 Prozent vorstellen, diese Partei zu wählen
Der Versuch der AfDVorsitzenden, die Befreiung Deutschlands von der NS-Diktatur durch die Alliierten als #Niederlage umzudeuten, ist ein weiterer Schritt der #AfD sich völlig offen gegen die Werte unserer FreiheitlichDemokratischen Grundordnung zu stellen. https://t.co/eVx3k84gll
— Konstantin v. Notz (@KonstantinNotz) September 11, 2023
Der Versuch der AfDVorsitzenden, die Befreiung Deutschlands von der NS-Diktatur durch die Alliierten als #Niederlage umzudeuten, ist ein weiterer Schritt der #AfD sich völlig offen gegen die Werte unserer FreiheitlichDemokratischen Grundordnung zu stellen. https://t.co/eVx3k84gll
— Konstantin v. Notz (@KonstantinNotz) September 11, 2023
#5: Mit Rechten reden – oder soll man es lassen?
Spätestens, als Weidel im ARD-#Sommerinterview verlautbarte, in der Niederlage des Nationalsozialismus keinen Grund zur Freude zu sehen, wäre Gelegenheit für Interviewer gewesen, mit „An dieser Stelle beenden wir das Gespräch, denn Sie haben sich aus demokrat. Minimalkonsens
— Nadine Milde 🌈🌍 (@nadine_milde) September 11, 2023
Spätestens, als Weidel im ARD-#Sommerinterview verlautbarte, in der Niederlage des Nationalsozialismus keinen Grund zur Freude zu sehen, wäre Gelegenheit für Interviewer gewesen, mit „An dieser Stelle beenden wir das Gespräch, denn Sie haben sich aus demokrat. Minimalkonsens
— Nadine Milde 🌈🌍 (@nadine_milde) September 11, 2023
selbst verabschiedet“ klare Kante zu zeigen.
Die beständigen Plauschrunden mit Rechtsextremen erhellen nichts &stellen diese nicht – sie tappen in die immer gleichen rechten Rhetorikfallen und helfen in dieser Form mit einem vergaloppierten „Neutralitäts“-Begriff nur dabei,
— Nadine Milde 🌈🌍 (@nadine_milde) September 11, 2023
selbst verabschiedet“ klare Kante zu zeigen.
Die beständigen Plauschrunden mit Rechtsextremen erhellen nichts &stellen diese nicht – sie tappen in die immer gleichen rechten Rhetorikfallen und helfen in dieser Form mit einem vergaloppierten „Neutralitäts“-Begriff nur dabei,
— Nadine Milde 🌈🌍 (@nadine_milde) September 11, 2023
#6: Never forget
Es war Richard von Weizsäcker, der als erster BP den
8. Mai 1945 einen -Tag der Befreiung- nannte. Seine Rede, ein Meilenstein in der Aufarbeitung der NS-Zeit.
Für @Alice_Weidel #AfD bedeutet dieser Tag die Niederlage des eigenen Landes!
Ideologie demaskiert! 1/2#Servicetweet
— Dieter 🇺🇦❤️🔥 (@lefthand_69) September 11, 2023
Es war Richard von Weizsäcker, der als erster BP den
8. Mai 1945 einen -Tag der Befreiung- nannte. Seine Rede, ein Meilenstein in der Aufarbeitung der NS-Zeit.
Für @Alice_Weidel #AfD bedeutet dieser Tag die Niederlage des eigenen Landes!
Ideologie demaskiert! 1/2#Servicetweet— Dieter 🇺🇦❤️🔥 (@lefthand_69) September 11, 2023
#7: Freispruch!
„Ich habe keine Bank ausgeraubt. Ich habe mir Geld genommen, das andere hier seit 20 Jahren liegen gelassen hatten.“
— Marie von den Benken (@Regendelfin) September 11, 2023
„Ich habe keine Bank ausgeraubt. Ich habe mir Geld genommen, das andere hier seit 20 Jahren liegen gelassen hatten.“
— Marie von den Benken (@Regendelfin) September 11, 2023
#8: So geht AfD
Offenkundige Widersprüche sind das Programm der #AfD. Man lebt in der Homoehe, hetzt aber gegen die tolerante 🌈Gesellschaft. Man pocht Montags auf die Demonstrationsfreiheit, faselt aber von Diktatur. Man mault gegen Zwangsgebühren, und geht fröhlich ins Sommerinteriview.
— Konstantin v. Notz (@KonstantinNotz) September 11, 2023
Offenkundige Widersprüche sind das Programm der #AfD. Man lebt in der Homoehe, hetzt aber gegen die tolerante 🌈Gesellschaft. Man pocht Montags auf die Demonstrationsfreiheit, faselt aber von Diktatur. Man mault gegen Zwangsgebühren, und geht fröhlich ins Sommerinteriview.
— Konstantin v. Notz (@KonstantinNotz) September 11, 2023
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit! Wer jetzt ganz dringend ein paar positive Nachrichten braucht, sollte hier reinschauen: