Thread: Warum machen das nicht alle so?
Wir wissen längst, dass die Bildungschancen in Deutschland nicht gleich oder gar fair sind. Das sagt uns das Gefühl und das belegen die Zahlen. Seit Jahrzehnten übrigens. Statistisch haben Kinder, deren Eltern studiert haben, eine dreimal höhere Wahrscheinlichkeit, selbst ein Studium zu ergreifen, als andere. Ähnlich dramatisch sind die Unterschiede, wenn wir auf das Einkommen der Eltern schauen. Oder auf deren Herkunft und Sprachkenntnisse. Natürlich kann man argumentieren, dass die Glorifizierung einer akademischen Ausbildung ein absurdes Maß angenommen hat. Aber diese Diskussion geht völlig am Kernproblem vorbei – welches lautet: Bildung in Deutschland ist schreiend ungerecht.
Man kann an dieser Ungleichheit schrauben, wenn man es denn möchte. Und zwar vor allem, wenn es um den Faktor Geld geht. Dass Bildung nicht in weiten Teilen vom Geldbeutel der Eltern abhängen sollte, müsste längst selbstverständlich sein. Doch nach wie vor gibt es Familien, die sich kaum die Hefte, Stifte und Bücher leisten können. Von Nachhilfeunterricht, Tablets und Klassenfahrten ganz zu schweigen. Im reichen Deutschland gehen jeden Morgen Kinder ohne Frühstück zur Schule. Und manche von ihnen verzweifeln, wenn es zu Beginn des Schuljahres um die Anschaffung der Unterrichtsmaterialien geht. Nicht so bei der Twitteruserin @sozialesUtopia. In der Klasse ihres Kindes (in Berlin) haben die Lehrerinnen eine Lösung gefunden, die für ein bisschen Gerechtigkeit sorgt.
Die Lehrerinnen von K3 bestellen ALLE Schulmaterialen incl. Tuschkasten, Hefte, Scheren usw. für die ganze Klasse. Das kostet pro Kind 15€. Sie wollen, dass jedes Kind hat es was braucht unabhängig vom Verdienst der Eltern und es keine Konkurrenz gibt. 1/2
— FranUtopia (@sozialesUtopia) July 3, 2022
Das meiste bleibt im Klassenzimmer, Sachen für Hausaufgaben kommen mit nach Hause. D.h. die Kinder müssen auch nicht viel schleppen. Für 15 €, sind die Sachen die sonst so auf den Listen stehen nicht zu bekommen- Sammelbestellung machts möglich
Warum machen das nicht alle so?— FranUtopia (@sozialesUtopia) July 3, 2022
Das alles findet übrigens übrigens an einer sogenannte „Brennpunktschule“. Deshalb sind zwei LehrerInnen in der Klasse. Die ersten drei Schuljahre sind jahrgangsübergreifend-nennt sich Schulanfangsphase, in der die Kinder 2-4 Jahre verbringen.
— FranUtopia (@sozialesUtopia) July 4, 2022
Gerade hab ich den Zettel fürs neues Schuljahr bekommen. Dieses Mal sind es sogar nur 10€ fürs Schuljahr, weil sie Scheren, Farben, Pinsel noch teilweise weiterbenutzen können und sie sich mit anderen Lehrerinnen zusammen getan haben und noch mehr Rabat im Großhandel bekommen
— FranUtopia (@sozialesUtopia) July 4, 2022
So reagieren andere User*innen:
Nicht nur die Bildungschancen in Deutschland sind ungleich. Auch jedes Bundesland kocht sein eigenes Süppchen. Und dann sind da noch die unterschiedlichen Schulen und pädagogischen Ansätze einzelner Lehrkräfte. In diesem Fall waren sich jedoch die meisten User*innen einig, dass das Vorgehen der beiden Lehrerinnen eine gute Idee ist. Über Vor- und Nachteile, Herausforderungen und Bedeutung solcher unbürokratischer Modelle tauschten sich Eltern, Armutsbetroffene und Lehrende unter dem Thread aus. Wie üblich haben wir die treffendsten Kommentare zusammengefasst.
Wer geht in Vorleistung?
Finde das auch super! Das „Problem“ ist, dass jemand dieses Geld idR erst Mal auslegen und dem dann ggf hinterherrennen muss.
— Immerhungrigimmermüde (@Anjaversuchts) July 3, 2022
Das Hinterrennen stimmt wahrscheinlich. Bei uns legt das aber der Förderverein der Schule aus. Das Hinterher rennen wird dadurch erleichtert, dass die Lehrerinnen sowie viel Elternarbeit machen und sie fast alle Eltern regelmäßig sehen.
— FranUtopia (@sozialesUtopia) July 3, 2022
Ein schönes Signal an die Familien
Bei uns in der Stadt (Frankreich) werden die Schulmaterialien für alle Kinder von der Gemeinde finanziert, ist also für die Familien komplett kostenlos.
— Lady Asphyx (@lady_asphyx) July 3, 2022
Deswegen sind solche Ideen so wichtig
Komme aus einer armutsbetroffenen Familie, genau so eine Lehrerin schuf mir in meiner Kindheit eine Perspektive.
— Sandra Yan (@Helfertante) July 3, 2022
Solche Lehrerinnen sind so wichtig! Sie machen einen Unterschied.
Ich hab K1, K2 und K3 durch diese Klasse geschleust. Sie unterrichten auch mit großer Leidenschaft jahrgangsübergreifend (Klasse 1-3). Jedes Kind kann in eigener Geschwindigkeit lernen- an einer Regelschule.
— FranUtopia (@sozialesUtopia) July 3, 2022
Gut für die Kinder, gut für die Eltern
War in der 1. Klasse der Tochter auch so. Wir mussten in Vorleistung gehen. 10 oder 15€. Ich war so dankbar…. Die Zeit, die man im Laden verbringt, um alles zu suchen… Usw usw
— Mama Elefant (@ElefantMama) July 3, 2022
nichts kümmern
— Häsin mit Augenbrauen des Todes (@diewahreHaesin) July 3, 2022
Manche Ideen sollen einfach Schule machen
Machen die Lehrerinnen von K3 auch, die Kinder haben ein Etui für Hausaufgaben und in der Schule eine Kiste mit allem, was sie brauchen. Sie sagen aber z. B. auch: Nicht jedes Kind braucht einen Kasten Wachsmalstifte, sondern wir brauchen 1 oder 2 für die ganze Klasse.
— Nicole (@die_Ook) July 3, 2022
Das freut mich, dass es da von Elternseite so viel Zustimmung gibt, denn ich will das auch einführen – das Material für die Klasse einkaufen. Das kostet nicht so viel Zeit, wie das ständige Rumquengeln in den ersten Wochen wo das Material bleibt. 😉
— mar wan (@win_mai) July 3, 2022
Bitte nicht vergessen
Weil viele die Erfahrung machen mussten, dass sie ewig dem Geld hinterher sein mussten und es dann von einigen gar nie bekommen haben und privat verstecken mussten.
Wenn eure Lehrerin das so macht, seid bitte dankbar und zeigt ihr das! Sie muss das nicht tun.— Frau Fuchs 😷 BW (@FrauFuchs5) July 3, 2022
Weil mich euch das ganze System steht und fällt: