In einer Gesellschaft, die sich als modern und aufgeklärt bezeichnet, scheint es immer noch die Tendenz zu geben, Menschen aufgrund ihres Erscheinungsbildes oder ihrer Körperhygiene zu meiden und zu verurteilen. Vielleicht ist es manchmal auch nur ein Reflex. Wir alle kennen diese Situationen, wenn wir an einer Straßenecke stehen und einen Obdachlosen sehen, der uns mit einem verschmutzten Gesicht und einem ungewaschenen Körper entgegenkommt. Die meisten von uns werden ihn ignorieren oder ihm höchstens eine Münze zuwerfen, bevor sie schnell weitergehen, um den unangenehmen Geruch loszuwerden.
Wir sortieren diese Menschen gedanklich in Schubladen ein, ohne dabei zu bedenken, dass auch sie eine Geschichte haben und womöglich ohne eigenes Verschulden in Armut oder gar Obdachlosigkeit geraten sind. Manchmal reicht ein schlechter Tag, eine falsche Entscheidung oder eine unglückliche Kette von Ereignissen aus, um ein ganzes Leben zu zerstören. Ein Beispiel gefällig? Der Twitteruser und Intensivmediziner @narkosedoc hat eines für uns parat.
Ein Patient wurde in die Notaufnahme gebracht, er hat sich mehrfach übergeben, liegt in seinen eigenen Ausscheidungen. Er stinkt übel, die Ausscheidungen sind teilweise bereits verkrustet, mehrere Tage alt. Er ist erheblich mischintoxikiert, sein Zustand ist verwahrlost.
— @[email protected] (@narkosedoc) April 9, 2023
Zusätzlich hat er schwerste Erkrankungen der Leber und des Herzens und muss zur Rekompensation erstmal auf die Intensivstation. Es braucht eine gewisse Überwindung, sich diesem Menschen zu nähern, auch weil wir an und mit seinem verschmutzten, stinkenden Körper arbeiten müssen.
— @[email protected] (@narkosedoc) April 9, 2023
Und dann finde ich in einem alten E-Brief einen psychotherapeutischen Bericht, in dem etwas angedeutet ist, was so grausam ist, dass ich es mir nicht mal vorstellen kann. Langjährige Misshandlungen schon als Kind und Jugendlicher, eine einzige Biografie aus Gewaltexzessen.
— @[email protected] (@narkosedoc) April 9, 2023
Man fragt sich unweigerlich – was musste dieser Mensch alles ertragen?
Und was wäre, wenn er liebevolle Eltern gehabt hätte, die ihn unterstützt hätten? Vielleicht hätte er ein ganz normales Leben geführt, wäre Busfahrer geworden oder was auch immer.— @[email protected] (@narkosedoc) April 9, 2023
Stattdessen der komplette Absturz und es ist zu naheliegend auf „so jemanden“ hinab zu blicken.
Das darf uns nicht passieren!
Wer es nicht mehr schafft, den Menschen hinter der Oberfläche zu sehen, ist falsch in dem Beruf.— @[email protected] (@narkosedoc) April 9, 2023
Wir müssen demütig und dankbar bleiben und uns unserer privilegierten Situation bewusst sein und uns dann ganz besonders für diejenigen stark machen, die keine behütete Kindheit und kein so gutes Leben haben.
Vergisst man zu schnell (ich schließe mich da ausdrücklich mit ein!).— @[email protected] (@narkosedoc) April 9, 2023
Das sagen andere User:
Ihr seht, es ist wichtig, dass wir uns daran erinnern, dass jeder Mensch eine Geschichte hat, die ihn zu dem gemacht hat, was er heute ist. Wir sollten uns also nicht von oberflächlichen Eindrücken blenden lassen und diejenigen verurteilen, die auf der Straße leben oder ein anderes unkonventionelles Aussehen haben. Wir sollten stattdessen versuchen, uns in ihre Lage zu versetzen und uns fragen, wie es wäre, wenn wir selbst an ihrer Stelle wären. Insbesondere dann, wenn sie Hilfe benötigen.
Niemand verdient es, aufgrund seines Aussehens oder seiner Hygiene gemieden oder verurteilt zu werden. Wir sollten uns daran erinnern, dass wir alle Menschen sind und dass es in unserer Verantwortung liegt, einander mit Respekt und Mitgefühl zu behandeln. Das sehen auch viele Leserinnen und Leser so. Wir haben ein paar der treffendsten Antworten und Reaktionen für euch gesammelt.
So nämlich!
Nachtrag: Es geht im Kontext des dankenswerten Ausgangstweets nicht um den indiskutablen Spruch des Kollegen. Es geht darum, dass wir lernen müssen, den Menschen auch dann zu sehen, wenn der Blick auf ihn durch Not, Vorurteile, aber auch Zeit- und Kostendruck verstellt wird.
— Dr.med. Herman Oytik (@hermanoytik) April 9, 2023
Wer Hilfe braucht, sollte sie bekommen
Aufgesammelt und in die NA gebracht. Hinter allen steckte irgendein schweres Schicksal
— EinDrittelHeizölZweiDrittelBenzin (@ADHS_FamilyLife) April 9, 2023
Danke dafür
Viele von uns leben nur deshalb (noch), weil es Menschen wie Dich gibt. Danke!!!
— tim o. spielmann (@tim_spielmann) April 9, 2023
Never forget
Hatte auch letztens auch son Einsatz der mich demütig machte.
Gewalt in der Familie, ein 24h zu pflegendes Kind, Schulden, desaströse Wohnsituation (Schmutz, weder Küche noch Betten, Gestank)
Wir sollen nicht werten sondern helfen.
DAS ist unser Job!Danke für dein Posting! 🫂
— Aenni (@_Aenni_) April 9, 2023
Wie es sein sollte
Danke für deinen Tweet ❤️ Wir hatten auf der Unfallchirurgie einen älteren Herr’n der immer wieder kam und auch auf der Straße lebte,er hatte offene Beine und ständig Ungezieferbefall im Wundgebiet.Das Team hat ihn immer respektvoll behandelt und versorgt .
— Kerbe 😷💚🏴☠️🥦 (@Brokkoliaioli) April 9, 2023
Es kann so schnell gehen
Mehr, weil es zu stark weh tat. Wir wissen nicht was passiert ist 🥺. Er wusste das er krank war. Ich bin froh das die Ärzte ihm geholfen haben. 🥺. Die Menschen betäuben sich um nichts mehr wahrzunehmen + ich kann es absolut verstehen, ich bin froh das ich einen anderen Weg fand
— Claudi (@Ismirnichwurst) April 9, 2023
Sozialberufe stärken, so wichtig
Danke für‘s Erinnern! 🙏🏼 Empathisch sein kann aber glaube ich nur jemand, dem nicht selbst gerade das Wasser bis zum Hals steht. Deshalb sind z.B. gute Arbeitsbedingungen für HelferInnen aller Berufszweige wahnsinnig wichtig!!!
— Tina (@pommesglueck) April 9, 2023
Wegsehen ist keine Option
Fahre demente Senior*innen in die Tagespflege. Die Wohnsituation eines Gastes war so schlimm, dass ich so lange nervte, bis er in die Einrichtung übersiedeln konnte. Oft ist man die einzige Person, die sowas sieht oder wahrnimmt. Wir haben die Pflicht, dann zu handeln.
— 🧡⛵️🚑(((@[email protected])))❤️✊😉 (@SilentInFlames) April 10, 2023
Wer es noch nicht wusste …
Was ich mir auch immer wieder klar mache ist, dass Verwahrlosung bzw. wenig Körperhygiene (speziell bei Frauen, aber nicht nur) eine Form des Selbstschutzes sein kann.
— Herda (@InkognitoSimsa) April 9, 2023
… das ist auch ein Grund
„Absturz“ ist eine Sichtweise. Genauso wahrscheinlich ist diese nicht-Selbstführsorge ein Schutz. Nicht mal ihr wolltet euch nähern. Wer sich nicht nähert, verletzt nicht. Es hält Leute fern. Ein negatives Selbstbild wird sein Übriges getan haben.
— Blesinde23 (@blesinde23) April 9, 2023
This!
Ich habe immer im Rahmen der Ausbildung im Rettungsdienst eines gelehrt: “ Niemand der verwahrlost und alkoholisiert vielleicht unterstandslos ist hat mit 14 Jahren bei der Berufsberatung angegeben mit 30, 40,50,…. Jahren das zu werden „. Jeder Mensch hat eine Biografie
— 😷🏳️🌈Romanganznormal (@Romanganznormal) April 10, 2023
Sollte ein Leitspruch für uns ALLE sein!
absolut richtig 👍🥰
Respekt und Anstand sollten gewahrt wären.
Ich hatte mal einen Spruch gelesen „Urteile nie über einen Menschen,in dessen Schuhen du nicht läufst!“
sollte ein Leitspruch in unserem Job sein 😉— Wellnessqueen 🌺🐞🌻 (@lovlyfee) April 9, 2023
Viele Dank für eure Aufmerksamkeit! Wenn euch dieser Beitrag gefallen hat, schaut doch noch hier rein: