Thread: Eine Geschichte voller Hoffnung und Liebe
Corona morgens, Corona mittags, Corona abends. Corona, Corona, Corona! Könnt ihr es auch nicht mehr hören und lesen? Euch kommt das Thema zu den Ohren raus? Dann versetzt euch mal in die Lage des medizinischen Fachpersonals, das dem Thema noch viel weniger entkommen kann, als es uns möglich ist. Aus diesem Bereich kommt dankenswerterweise aber die nun folgende Ablenkung und die Besinnung auf Hoffnung und Zuversicht in einer Zeit voller schlechter Nachrichten. Eine schöne Geschichte mit – Spoileralarm – Happy End. Vorhang auf für den nun folgenden Thread von @Lam3th.
PS: Es kann nicht schaden, wenn ihr ein Taschentuch bereithaltet.
Ich brauche gute Erinnerungen. Deswegen will ich mal wieder eine Geschichte erzählen.
Vor einigen Jahren wurde ich zu einem Konsil in die Gynäkologie gerufen. Eine junge Schwangere hat schwer Luftnot. Massiv Wasser eingelagert. Im Ultraschall vom Herzen stellt man eine schwerste— Lämêth (@Lam3th) November 18, 2021
Klappenundichtigkeit fest. Sie muss einer Herzoperation unterzogen werden. Es ist SSW 24. Eine Operation mit Herz-Lungen-Maschine bei einer Schwangeren ist mit extrem hohen Risiko für Mutter und Kind verbunden.
Wir treffen uns mit den Gynäkologen, Kinderärzten, Kardiologen,— Lämêth (@Lam3th) November 18, 2021
Anästhesisten und besprechen was die beste Option wäre. Optimal wäre es noch einige Wochen für das ungeborene Leben zu gewinnen, damit es sicher geholt werden kann, damit die Mutter möglichst danach operiert werden kann. Nur die Mutter muss es bis dahin schaffen, ohne dass das
— Lämêth (@Lam3th) November 18, 2021
Herz in die Knie geht, denn dann sind auch wieder Mutter und Kind gefährdet. Wir sprechen alle Optionen in der gesamten Runde mit der Patientin, Lebensgefährten und Eltern der Patientin durch. Die Familie – vor allem die junge Frau – will alles daran setzen das Kind zu retten.
— Lämêth (@Lam3th) November 18, 2021
Sie wird auf die herzchirurgische Intensivstation gelegt. Denn wenn sie hoch akut dekompensiert, dann wären die Wege in den OP am kürzesten. Insgesamt bleibt sie 6 Wochen auf unserer Station und wird rekompensiert. Nicht ganz einfach, denn jede Medikation sprechen wir mit den
— Lämêth (@Lam3th) November 18, 2021
Kinderärzten und Gynäkologen durch. Sie kommen jeden Tag. Der Lebensgefährte kommt. Nach 4 Wochen auf der Intensivstation sind ihre Nerven durch. Aber körperlich sind Baby und Mutter wohlauf. Die Reifung des Kindes geht voran. Die Operationen rücken näher.
Die beiden beschließen— Lämêth (@Lam3th) November 18, 2021
auf der Intensivstation zu heiraten. Nicht nur aus romantischen Gründen, sondern auch, damit die Vaterschaft direkt anerkannt wird. Die erste und einzige Hochzeit auf einer Intensivstation, die ich erlebt habe. Wir sind die einzigen Gäste und Zeugen. Aber die Standesbeamten haben
— Lämêth (@Lam3th) November 18, 2021
er ermöglicht.
Der Kaiserschnitt wird im herzchirurgischen OP in Notfallbereitschaft durchgeführt. Für den Fall eines Kreislaufeinbruchs würde man direkt mit dem Kaiserschnitt auch die Patientin an die Herz-Lungen-Maschine nehmen. Den Abschied von Ihrem Ehemann werde ich nicht— Lämêth (@Lam3th) November 18, 2021
vergessen. Er begleitet sie bis zur OP Schleuse, dann wird sie entgegengenommen. Die Anspannung im Saal ist groß. Gynäkologie, Frühgeborenen-Intensiv-Team, Herzchirurgie, Anästhesie. Eine unglaubliche Menge an Personal ist zusammengerückt. Alle drücken die Daumen. Wir sprechen
— Lämêth (@Lam3th) November 18, 2021
uns ein letztes Mal ab. Was machen wir, wenn welche Eventualität eintritt. Wie würden wir Sie notfalls an die HLM bekommen. Was machen wir bei einer Reanimation. Ab wann darf man welche Medikamente geben. Wann das ich Blutverdünner geben, damit ich an die HLM kann ohne dass Sie
— Lämêth (@Lam3th) November 18, 2021
an ihrem Kaiserschnitt verblutet. Tief durchatmen und los gehts…
Zum Glück läuft alles spektakulär unspektakulär. Der Kaiserschnitt kann ganz problemlos durchgeführt werden. Ein winziges Wesen betritt unsere Welt. Die Mutter und das Kind überstehen alles perfekt. Sie hält ihr— Lämêth (@Lam3th) November 18, 2021
Baby auf dem Arm. Tränen fließen. Nicht nur bei der Patientin. Danach müssen wir sie trennen. Das kleine Mädchen geht auf die Frühgeborenen ITS die Mutter zu uns. 48h später ist Ihre Herzoperation angelegt. Eigentlich ist ihr Zustand nur auf niedrigem Niveau stabil. Erneuter
— Lämêth (@Lam3th) November 18, 2021
Abschied auf der ITS von Ihrem Mann. Sie konnte seit 48h ihr Baby nicht sehen. Das Kind ist für die Umstände sehr fit.
Die Herzoperation verläuft genau so unspektakulär wie der Kaiserschnitt. 48 weitere Stunden später verlegen wir sie in die Gynäkologie. Damit sie näher bei Ihrem— Lämêth (@Lam3th) November 18, 2021
Baby sein kann. 10 Tage später treffe ich sie zufällig irgendwo auf dem Kliniksgelände. Sie strahlt. Sie fällt mir sogar in die Arme. Sie freut sich. Bedankt sich. Weint. Sie können bald die Klinik wohl verlassen. Bei ihr und dem Baby ist alles gut.
Inzwischen müsste die Kleine— Lämêth (@Lam3th) November 18, 2021
auf die Grundschule gehen.
Danke für’s Lesen.
— Lämêth (@Lam3th) November 18, 2021
Das sagen andere User:
Was für eine wundervolle und rührende Geschichte. Das sahen auch die Leser des Threads so und versahen ihn mit vielen Herzchen und Dankesbotschaften. Ein paar der treffendsten Kommentare haben wir hier für euch zusammengetragen.
Ich hatte eine Patientin, bei der in der Schwangerschaft Krebs diagnostiziert wurde. Sie sollte wählen, ob sie ihr eigenes Leben retten, oder das Kind bekommen möchte.
Sie hat sich für das Kind entschieden, nach der Geburt ihre Therapie angefangen und auch überlebt.— Alberta Zweifels (@AlbertaZweifels) November 18, 2021
Eine Geschichte voller Hoffnung und Liebe. Es tut so gut, Deine Geschichte zu lesen. Es scheint nur Elend in diesen Zeiten zu geben, da sind diese Erinnerungen wichtig. Danke. Und hoffentlich hast Du noch viele gute Erinnerungen um nicht in diesem Wahnsinn unterzugehen❣️
— Helene Hages🌻 🇪🇺🇨🇵❤️ (@gugy_hages) November 18, 2021
Als ehemaliger Kinderintensivpfleger musste ich mir gerade auch eine Träne wegwischen.
Wir vergessen viel zu häufig, warum wir das alles tun.
Die negativen Fälle bleiben im Kopf. Für immer. Dabei gibt es so viel mehr positives.
Danke für eure Arbeit! 🥺❤️
— Andre Oestreich (@DerOetzmann) November 18, 2021
Danke für deinen Einsatz und den zu Herzen ❤ gehenden Bericht. Da sieht man, wie nötig intensivmedizinische Betreuung ist. Ich wünsche, das wäre auch weiterhin möglich. 😪
— Elke Glatzer 💉💉💉 (@GlatzerElke) November 18, 2021
Danke für diese eindrückliche Schilderung! Als Ex-Intensivpflegekraft berührt einen dies immer noch. Mögen wir so sehr hoffen, dass genau dieses Kind (& Eltern) jetzt wg. lascher Politik KEIN #Corona bekommt. Welche Tragik wäre nach diesem Start damit verbunden!
— Udo Jürgensen (@produktmanager) November 18, 2021
Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit! Wir hätten noch das hier für euch: