Corona-Proteste in Berlin: Demonstranten mit Reichskriegsflaggen stürmen die Reichstagstreppe

Chris Schröder 30.08.2020, 9:35 Uhr

An den Protesten in Berlin gegen die Corona-Politik der Bundesregierung haben gestern schätzungsweise 38.000 Menschen teilgenommen. Die endgültigen Zahlen stehen noch aus. Aufgerufen hatte die Stuttgarter Initiative Querdenken 711 sowie mehrere rechtsextreme Gruppierungen und AfD-Politiker. Es kam zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei, Straßen wurden vorübergehend blockiert, Absperrungen durchbrochen und ein Baucontainer angezündet. 300 Personen wurden festgenommen, allein vor der russischen Botschaft waren es 200, unter ihnen auch Attila Hildmann. Demonstranten gelang es, Absperrungen zu überwinden und am Ende sogar die Reichstagstreppe zu stürmen. Die Berliner Polizei konnte Schlimmeres verhindern.

Bereits am Vormittag mussten sich die Beamten vom Pariser Platz zurückziehen, weil die Stimmungslage aggressiver wurde. Immer wieder wurden die Absperrungen durchbrochen. Den geplanten Demonstrationszug an der Friedrichstraße hatte die Polizei am Mittag gar nicht erst starten lassen, weil die Mindestabstände zum Infektionsschutz nicht eingehalten wurden. Deswegen wurde das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes zur Auflage gemacht, was der Veranstalter aber trotz Abstimmung per Handzeichen und Lautsprecherdurchsagen nicht umsetzen konnte. Nach längeren Verhandlungen begann die vermeintlich unterbesetzte Polizei dann schließlich, die Versammlung aufzulösen. Mit zunächst eher mäßigem Erfolg.

Obwohl die Demo offiziell aufgelöst war, strömten mehrere Tausend Teilnehmer zur Siegessäule. Auf der dortigen Großkundgebung, die insgesamt friedlich ablief, forderte Michael Ballweg von der Initiative Querdenken, alle Corona-Gesetze aufzuheben. Die Bundesregierung müsse sofort zurücktreten. Tosender Beifall aus der Menge. Immer wieder riefen sie «Widerstand» und «Wir sind das Volk». Das Lied „Freiheit“ von Marius Müller-Westernhagen wurde mehrfach gespielt und gesungen. Das Spektrum der Teilnehmer reichte dabei von Impfgegnern und Verschwörungstheoretikern über Hippies, Esoteriker und Familien mit Kindern, die alle Seite an Seite mit Rechtsextremen, Hooligans und Reichsbürgern demonstrierten. Das verbindende Element: Unzufriedenheit und Unverständnis mit den Corona-Maßnahmen der Bundesregierung.

Vor der russischen Botschaft wurde indes ein Friedensvertrag mit Russland gefordert. Dort kam es zur Eskalation, als die Polizei versuchte, eine Gruppe aus 2.000 bis 3.000 Rechtsextemisten und Reichsbürger aufzulösen. Aus dieser Gruppe kam es dann zu Steinen- und Flaschenwürfen auf die Beamten. Sieben Polizistinnen und Polizisten wurden dabei verletzt. 200 Menschen wurden festgenommen, darunter auch Attila Hildmann. Er hatte wiederholt versucht, eine nicht angemeldete Rede zu halten und Demo-Teilnehmer dazu ermutigt, die Absperrungen zu durchbrechen und den Reichstag zu stürmen.

Ursprünglich wollten die Behörden die Versammlungen verbieten, sie unterlagen jedoch vor dem Verwaltungsgericht- und Oberverwaltungsgericht. Als Begründung für die Verbotsverfügung hatte die Polizei angeführt, dass durch die Ansammlung ohne Maske und Abstand ein zu hohes Gesundheitsrisiko für die Bevölkerung entstehe. Die Richter sahen dies jedoch nicht als ausreichenden Grund an.

Die Aufarbeitung des gestrigen Tages wird die Öffentlichkeit noch eine Weile beschäftigen. Reichskriegsflaggen und Rechtsextreme auf den Stufen des Reichstages, das sind Bilder, die nicht so schnell verblassen werden. Das ist ein Armutszeugnis für den deutschen Rechtsstaat. Zu wenig Polizisten, fragwürdige Einsatztaktik und zu lasches Vorgehen. Jede linke Demo wäre bei derartigem Verhalten sofort mit Tränengas und Wasserwerfern beendet worden. Es gibt massive Kritik an der Berliner Polizeipräsidentin Barbara Slowik und dem Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD), die bereits wegen der Demo am 1. August nicht gut dastanden.

Wir haben die Demo auf Twitter begleitet und die treffendsten Tweets für euch zusammengetragen.

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