Auch ohne gegenderte Fahrspur*innen: Warum AfD-Mann Gunnar Lindemann wirklich gefährlich ist
Es gibt nur wenige Themen, über die sich die selbsternannte „Alternative für Deutschland“ in hübscher Regelmäßigkeit so wunderbar echauffieren kann wie über den „Genderwahnsinn“, der unser Heimatland massivst bedroht. Weil, das hat es früher auch nicht gebraucht! Und früher – damit meint die AfD ziemlich genau die Zeit ab 1933 – war bekanntlich eh alles besser. Vor allem in Deutschland. Das weiß jeder, der sich mit seinen Großeltern über diese Zeit unterhalten konnte. Keine Unisex-Toiletten, kein drittes Geschlecht und die Frau stand noch brav zuhause hinter dem Herd. Zusätzlich gab es damals auch noch starke Führungspersönlichkeiten, ach was waren das für Zeiten …
Doch wann immer man endgültig denkt, man hätte von den „Beschützern des Vaterlandes“ wirklich schon alles gehört, kommt ein weiterer Patriot ums deutsche Eck – gestatten, Gunnar Lindemann (AfD) mein Name. Gunnar vertritt im Berliner Abgeordnetenhaus den Wahlkreis Marzahn 1 und hatte am Sonntag beim Zeitungslesen mal so richtig Puls. Was war passiert? Ein Artikel der „B.Z.“ über einen Verkehrsunfall war folgendermaßen betextet: „Eine Frau hatte auf der A10 bei Michendorf das „Fahrspurende“ übersehen und war in eine Baustelle gefahren. Es gab zwei Verletzte.“ (Gute Besserung an die beiden Verletzten, an dieser Stelle!)
Klar, – wobei, nein, eigentlich überhaupt nicht – dass AfD-Mann Lindemann überschäumt und wutentbrannt in die Tasten haut:
Der tägliche Genderwahnsinn: Jetzt werden sogar Fahrspuren gegendert. Wie wäre es mal mit der guten alten Duden-Rechtschreibung anstatt mit diesem links-grünen Ideologien liebe @bzberlin ? Dann verstehen Euch vielleicht auch die Leser wieder.#zib2 #Gender #Gendergaga #twitch
— Gunnar Lindemann MdA (@AfDLindemann) July 27, 2020
Meint der das tatsächlich ernst? Was darf Satire? Fragen über Fragen, doch der Gegenwind ließ nicht lange auf sich warten. Wir haben die besten Reaktionen (ist das schon wieder Genderwahnsinn?!) zu Gunnars Tweet gesammelt und klären mit dem Thread von Ben Schneider, der in Berlin seit 2016 von Gunnar vetreten wird, auf, warum der AfD-Mann auf eine erschreckende Art und Weise nicht nur „lustig“ sondern auch brandgefährlich ist. Aber eine Pointe muss dann doch noch sein: Lindemann sitzt für die AfD im Berliner Abgeordnetenhaus tatsächlich im Verkehrsausschuss. Ende!
#1:
Frechheit. Dabei wissen die Fahrspurerinnen doch ganz genau, dass sie bei Fahrspurer mitgemeint sind!
— Robin Engelhardt (@Elektro_Robin) July 27, 2020
#2:
Du lernst auch reiten für die Blumentopferde, richtig?
— Wurzelmann (@Wurzelmann) July 27, 2020
#3:
Es wird ja immer schlimmer, neulich auch an der Kühltruhe!!1!
— andreasdotorg (@andreasdotorg) July 27, 2020
#4:
Ich hab letztens auch ein Straßenschild gesehen, auf dem „Spuren“ gegendert wurde. Der Genderwahnsinn nimmt kein Ende.
— Glühender Goldfisch (@habkeintwitta) July 28, 2020
#5:
Hey Lindi, vielleicht kannst ja mal auch was gegen die absolut unsinnige Gentrifizierung von Autopflegeprodukten tun? Oder fehlt da nur ein „R“ und ich wende das falsch an? Ich bin ratlos.
— silentsign (@silentsign_de) July 28, 2020
#6:
Ein weiterer Fall für Sprachwächter Gender-Gunnar: der bzw. die Fußinnenraum #gendernwiegunnar
— SCHWARTZ (@schwartz_ht) July 28, 2020
#7:
Hab’s noch ein wenig verfeinert. #fahrspurende
— Phlogistontaube (@suhjamel) July 28, 2020
#8:
Definitiv dafür, dass der @Dudenverlag jetzt „Fahrspurer“,“Fahrspurerin“ und „Fahrspurende“ offiziell aufnimmt.
— Der Gazetteur (@dergazetteur) July 27, 2020
#9:
Der Fuchs ist schlau und stellt sich dumm, beim Gunnar ist das andersrum.
— Nicht Chevy Chase (@DrWaumiau) July 28, 2020
#10:
Hab einen Witz über Gunnar Lindemann, aber der ist wirklich saudumm. https://t.co/OGPiNiluFL
— Tom Kraftwerk (@TomKraftwerk) July 27, 2020
#11:
Ich verstehe es wirklich nicht und bin irgendwie neugierig. Worauf zielt denn diese Kritik am „genderwahnsinn“ ab?
Das Fahrspurende ist das Ende der Fahrspur. Das Fahrspurende. Wie soll man das sonst ausdrücken?
Reichsautobahnabschluss oder wie?
— Otto von der Internet (@TheRealOttoBot) July 27, 2020
#12: Nun kommt der wirklich wichtige Teil!
Für mich ist Gunnar #Lindemann nicht nur ein peinlicher Witz (#Fahrspurende) in den Social Networks sondern politische Realität. Denn Lindemann ist in Marzahn-Nord seit 2016 „mein“ Direktabgeordneter. Und das ist alles andere als lustig.
Ein Thread [1/12]
— Ben Schneider (@ben_schndr) July 28, 2020
Bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus 2016 wurde Lindemann überraschend direkt gewählt. Viele in diesem Wahlkreis haben zuvor Linkspartei gewählt und ihrer Wut und Resignation über politische Abgeschiedenheit so Ausdruck verliehen. [2/12]https://t.co/D0OUuUuC9K
— Ben Schneider (@ben_schndr) July 28, 2020
Kaum Mitglied des Berliner Parlaments wird Lindemann erstmals bekannt mit einem menschenverachtenden Tweet über geflüchtete syrische Menschen. Seitdem ist Lindemann mit seinen kruden, falschen & rassistischen Tweets immer wieder im Fokus von Spott. [3/12]https://t.co/VpU13vsBnz
— Ben Schneider (@ben_schndr) July 28, 2020
Am bekanntesten ist Lindemann für seine Nähe zu Russland und dortigen nationalistischen Kräften. Seine Reisen auf die Krim zeugen von der Faszination für die faschistischen Kräfte in Osteuropa. Die taz bezeichnete ihn u.a. als „Putins blauen Helfer“ [4/12] https://t.co/lpxAoSf8w3
— Ben Schneider (@ben_schndr) July 28, 2020
Offiziell sucht Lindemann hier nur den Austausch mit der Zivilgesellschaft, um im Wahlkreis bei Russlanddeutschen Wähler*innen zu punkten. Was dort tatsächlich abgeht? Sowas. [5/12]https://t.co/taufV6fYzD
— Ben Schneider (@ben_schndr) July 28, 2020
Auf der Krim ließ sich Lindemann 2019 zum „Helden des Antifaschismus“ auszeichnen. Schon kurios für einen bekennenden Anhänger des Flügels, der 2017 für den Wahlkampf Björn #Höcke in den Bezirk einlud. [6/12]https://t.co/fPKWqJlXpp
— Ben Schneider (@ben_schndr) July 28, 2020
Apropos Flügel: In der Berliner AfD-Fraktion tobt seit Ewigkeiten ein Machtkampf um die Vorherrschaft der Führung. Mit dabei natürlich Lindemann. Nicht auszudenken, was passiert, wenn er in einer wichtigeren Position landet. [7/12]https://t.co/BNJvpGhbOq
— Ben Schneider (@ben_schndr) July 28, 2020
Und weil Lindemann so ein stabiler Antifaschist ist, erfindet er beim Holocaust-Gedenken im Bezirk, dass friedliche Gegendemonstrant*innen (inklusive mir) Gräber geschändet hätten. Wir waren nur da, um gegen seine Anwesenheit zu demonstrieren. [8/12]https://t.co/1yh1tpqZP1
— Ben Schneider (@ben_schndr) July 28, 2020
Lindemann ist ein gefährlicher Hetzer, wenn er behauptet „die Sozialdemokraten hätten Hitler ins Amt gebracht“. Was krasse Antifaschisten halt so behaupten. 🤷🏼♂️ [9/12]https://t.co/i39WXwpHSv
— Ben Schneider (@ben_schndr) July 28, 2020
Und auch in Zeiten von Corona bleibt sich Lindemann treu und findet sich lieber auf Corona-Demos von Verschwörungsfanatikern wieder, als sich um kämpfende Unternehmen und Familien im Wahlkreis zu kümmern. [10/12]https://t.co/XzM4DiRZsU
— Ben Schneider (@ben_schndr) July 28, 2020
Ja, Lindemann ist für viele zu einem Meme von Inkompetenz geworden. Dieser Mann ist aber auch ein gefährlicher Hetzer mit guten Kontakten in die Szene. Lindemann kokettiert mit Gewaltandrohungen bei öffentlichen Konfrontationen, bedient rechtsextreme Narrative … [11/12]
— Ben Schneider (@ben_schndr) July 28, 2020
… und ist an ernsthafter Arbeit für seinen Wahlkreis nicht interessiert. Ihr findet ihn lächerlich und genauso gefährlich? Gut! Nächstes Jahr sind Wahlen und wir müssen Lindemann gemeinsam das Direktmandat abnehmen. Bitte unterstützt uns vor Ort dabei! #NazisRaus [12/12]
— Ben Schneider (@ben_schndr) July 28, 2020