Thread: Meine Schwiegermutter hat studiert und ihr Examen mit Auszeichnung bestanden
Erst vor wenigen Tagen haben wir einen Thread veröffentlicht, in dem wir darüber sprechen, wie wichtig die Anerkennung von „Care-Arbeit“ als Arbeit ist. Warum ist das so? Für sehr lange Zeit sah die Rollenaufteilung bekanntlich vor, dass die Frau daheim bleibt und sich um Haushalt und Nachwuchs kümmert, während der Familienvater das Haushaltseinkommen sichert. Sie war „mitversorgt“, „mitversichert“, irgendwann vielleicht einmal „mitverdienend“. Auch wenn wir uns heute Schritt für Schritt davon lösen, ist dieses Denken doch tief in unserer Gesellschaft verankert. In den Köpfen, aber auch in der Legislative und daraus folgernd in allen relevanten Lebensbereichen. Kein Wunder, wurde doch die Gesetzgebung für sehr lange Zeit exklusiv von denen gemacht, die genau von diesem Rollenbild profitieren. Schaut sie euch an, die Gründer- und Verfassungsväter Deutschlands, Europas und der Welt! Es fällt schwer, sich vorzustellen, wie die 31 selbstverständlich männlichen Vertreter auf der Herreninsel im Chiemsee bei der Ausarbeitung einer Vorlage für das Grundgesetz zusammensaßen und über Frauen- oder Kinderrechte diskutierten. Husch, husch, ihr Trümmerfrauen, danke für euren Beitrag und nun wieder hinter den Herd. Natürlich nur zum eigenen Wohl. Oder? Wie oft hört man auch heute noch, dass das Kümmern um Kinder und Haushalt praktisch ein Picknick sei? Im Gegensatz zu einem bezahlten Beruf.
Um es klar zu sagen: Es gibt kaum einen anspruchsvolleren, zermürbenderen und in vielerlei Hinsicht frustrierenderen Beruf als den als Caregiver. Es ist ein Job, bei dem man Tag und Nacht im Einsatz ist und doch niemals fertig wird. Bei dem es keine Ruhezeiten gibt, keine Gehaltsstufen, kein Arbeitsrecht, keine Karriereleiter und praktisch keine gesellschaftliche Anerkennung. Gleichzeitig könnte die Verantwortung nicht größer sein. Verantwortung für das einzelne Kind, aber auch für das Fortbestehen der Gesellschaft. Denjenigen, die diese Arbeit auf sich nehmen, sollten wir mit höchstem Respekt und größter Dankbarkeit begegnen. Dieser Meinung ist auch Twitteruserin @mommyisanerd2.
Meine Schwiegermutter hat studiert und ihr Examen mit Auszeichnung bestanden. Eine Promotionsstelle hat sie ausgeschlagen, weil sie schwanger wurde und dann ja Kinder und Haushalt schmeissen musste, da ihr Mann Karriere gemacht und nicht geholfen hat. Man merkt ihr jedesmal wenn
— nerd mommy (🏥) (@mommyisanerd2) June 21, 2022
sie darüber spricht an, dass sie bereut, nicht weitergemacht zu haben oder wieder eingestiegen zu sein. Sie trauert dem nach.
Heute hat ein Bekannter zu ihr gesagt, sie habe ja nicht ‚malochen müssen, wie ihr Mann‘. Sie hat zwei Kinder alleine groß gezogen, ohne die Hilfe des
— nerd mommy (🏥) (@mommyisanerd2) June 21, 2022
Mannes. Sie HAT ,malocht‘. Und sich selbst dafür zurückgenommen bis zur Aufgabe ihrer Selbstverwirklichung. 24/7 ohne Urlaub, ohne Gewerkschaft, ohne Krankschreibungen und ohne Bezahlung.
Habt verdammt nochmal Respekt vor Care Arbeit ihr Überbleibsel aus der Steinzeit!
— nerd mommy (🏥) (@mommyisanerd2) June 21, 2022
So reagieren andere User*innen
Wie frustrierend ist es bitte, wenn man die eigene Karriere zum Wohle anderer opfert und dafür keinerlei Respekt bekommt? Auch heute können Millionen Frauen in Deutschland auf genau diese Frage eine Antwort geben. Eben deswegen ist es so wichtig, verkrustete Rollenbilder aufzubrechen: Nur wer die Belastungen und Herausforderungen von Care-Arbeit und der sogenannten Lohnarbeit kennt, ist in der Lage, beide entsprechend wertzuschätzen. Auch die Twitteruser*innen haben ihre eigenen Erfahrungen mit dieser Thematik gemacht und in den Kommentaren zum Ausdruck gebracht. Wir haben wie üblich die wichtigsten Gedanken festgehalten.
Wer das glaubt, hat es noch nicht erlebt
Es ist unglaublich, dass auch heute noch oft gedacht wird, Kinder und Haushalt seien ja quasi so nebenbei versorgt. Mich fragte in der EZ mal ein Freund, wieso ich müde sei, ich wäre ja den ganzen Tag zu Hause. Er wurde dann ein ehemaliger Freund 🙄
— Mondfunzel (@Drachenkeks) June 21, 2022
Es ist ein langer und schwieriger Prozess, in Gedanken vorzudringen
Hier auch bei Schwiegermutter. Bloß leider lässt sie ihren Frust an mir aus – weil ich trotz der Kinder arbeite. Bin dadurch aus ihrer Sicht nie genug – als Mutter, als Hausfrau und im Job (!?). Es geht nur um ihren Sohn, der sich ja so sehr aufopfern muss weil ich arbeite 🙄
— Curly Chaos (@curlyemotion) June 21, 2022
Das ist Mist. Bei mir ist es umgekehrt, sie erzählt immer, was sie für einen Respekt vor meiner Leistung hat, und ich kriege nicht in ihren Kopf rein, dass das nicht meine Solo-Leistung ist. Es funktioniert nur als Team, und, weil sie ihren Sohn vernünftig erzogen hat.
— nerd mommy (🏥) (@mommyisanerd2) June 21, 2022
Hut ab!
Es ist so traurig, wie viele Frauen zurückstehen, um die Karriere ihrer Männer zu ermöglichen, obwohl sie eigentlich selber sich verwirklichen möchten 😔.
Meine Schwiegermutter hat angefangen Medizin zu studieren, als mein Mann geboren war.
— Bruja 🇪🇦🇺🇸🇳🇱😷💉💉💉💉 (@BentsCristin) June 21, 2022
Mein Schwiegervater war damals schon Facharzt. Die haben das nur hinbekommen, weil mein Schwiegervater auf der einen Seite – wenn er zu Hause war und nicht in der Klinik – viel Care Arbeit übernommen hat (Kind betreut, gekocht, gebügelt, geputzt,..)
— Bruja 🇪🇦🇺🇸🇳🇱😷💉💉💉💉 (@BentsCristin) June 21, 2022
und sie zudem ein Au Pair hatten, die Schwiegermutter auch entlastet hat. Beide mußten damals viele Anfeindungen ertragen, dass meine Schwiegermutter ihren Traum, Ärztin zu werden, wahrgemacht hat und nicht zu Hause geblieben ist, für das Kind und den Mann.
— Bruja 🇪🇦🇺🇸🇳🇱😷💉💉💉💉 (@BentsCristin) June 21, 2022
Eltern aller Länder, vereinigt euch: