Thread: Warum kein Grundeinkommen für Eltern?
Dass die Sache mit dem Leistungsprinzip im Kapitalismus nicht wortwörtlich zu verstehen ist, daran haben wir uns längst gewöhnt. Und selbst wenn: Die Tatsache, dass bestimmte Berufsgruppen das astronomisch Vielfache von anderen verdienen, erscheint lachhaft – oder glaubt irgendjemand ernsthaft, dass ein Fußballprofi das Hundertfache einer Pflegefachkraft leistet? Auch die Einteilung in systemrelevante und nicht-systemrelevante Berufe zu Beginn der Coronakrise hat daran rein gar nichts geändert. Applaus zahlt nun mal keine Brötchen.
Eine Personengruppe, die bei unseren Vergütungsprinzipien besonders schlecht wegkommt, sind Eltern. Zumindest jene, die in der bezahlten Tätigkeit zugunsten des Nachwuchses zurückstecken. Denn der Deal lautet in aller Regel: weniger Einkommen bei mehr Arbeit: Mahlzeiten planen, vor- und zubereiten, Kinder physisch, psychisch und emotional sinnvoll beschäftigen, soziale Kompetenzen vermitteln, Arzttermine organisieren, auf-, um- und hinterherräumen, Papierkram rechtzeitig erledigen und so weiter und so fort. Natürlich ohne geregelte Arbeitszeiten, Urlaubs- oder Krankheitstage oder Gewerkschaft. Kinderbetreuung ist herausfordernd, kräftezehrend, gesellschaftlich kaum respektiert – und unbezahlt! Ach ja, nicht zu vergessen – natürlich rein zufällig – gerne Frauen vorbehalten.
Twitteruserin @hl_h2o, auch bekannt als Frau Mira, ist alleinerziehend mit zwei Kindern und hat sich Gedanken über ein Grundeinkommen für betreuende Eltern gemacht.
Manches Mal, wenn ich um 6.00h aufgestanden bin, mich den Tag um die Kinder gekümmert habe, HA gemacht, geübt, Elternabende, soziale Kontakte gefördert, geputzt und gesund gekocht habe usw, abends dann um 20.30h aus den Kinderzimmern rauskomme frage ich mich, was gegen ein
— Frau Mira🦋🏡 (@hl_h2o) September 22, 2020
Grundeinkommen für den betreuenden Elternteil spricht. Trage ich nicht so einen indirekten, aber wesentlichen Teil zur Gemeinschaft bei? Dass ich darauf achte, dass meine Kinder gut ausgebildet werden und sozialverträgliche Erwachsene werden?
— Frau Mira🦋🏡 (@hl_h2o) September 22, 2020
Anständig kümmern kostet Zeit, aber sich nicht ausreichend kümmern (können) bedeutet doch auf lange Sicht, schlechter ausgebildete Erwachsene und im schlimmsten Fall welche mit psychischen Problemen, die dann behandelt werden müssen. Wirtschaftlich gesehen ist es doch
— Frau Mira🦋🏡 (@hl_h2o) September 22, 2020
sinnstiftender, im Vorfeld zu investieren, als hinterher viel mehr für ALG und Therapien zu bezahlen. Von den gesellschaftlichen Folgen durch mangelnde Zeit im Kindesalter mal ganz abgesehen.
— Frau Mira🦋🏡 (@hl_h2o) September 22, 2020
Das sagen andere User*innen:
Tatsächlich gibt es auch mehrere Studien, die bereits belegen, dass Grundeinkommen wesentlich günstiger sind als Hilfspakete, Obdachlosenprogramme, Verwaltungsapparate, Polizeieinsätze und Gerichtsverfahren und alles, was Obdachlose sonst noch so brauchen. Als weiterer Denkanstoß
— Mademoiselle🏳️🌈 (@Klavieristin) September 22, 2020
Da Care Arbeit nicht anerkannt ist, kümmert man sich selbstlos um die Kinder, oder man gibt sie in eine Betreuung, um berufstätig sein zu können. Ich halte beides für keine gute Lösung. Entweder hat man berufliche Nachteile oder man sorgt sich um die Kinder.
— sauvage2018 (@sauvage20181) September 22, 2020
Wenn BGE, dann doch für alle. Kinder sind kein Gesellschaftsprojekt und der Alltag nennt sich auch einfach Leben. Um auf das alles einzugehen bräuchte ich viele Tweets. Aber soviel: Weg mit dem Ehegattensplitting und Besserstellung von Alleinerziehenden.
— Schlendrian (@Komfortfreund) September 22, 2020
Ich verstehe deinen Ansatz , sehe da aber viele Probleme. Es würde dazu führen , dass sich dann immer ein ET rechtfertigen müsste , warum es denn trotzdem arbeiten geht. Es gibt viele Familien , die das gar nicht leisten könnten , Familien im Wechselmodell etc
— Kejoch (@Kejoch1) September 22, 2020
Man muss aber die Mehrheit betrachten, nicht den geringen Anteil. Möglicherweise ist deine Nachbarin überfordert und hat Burnout? Depressionen?
— Frau Mira🦋🏡 (@hl_h2o) September 22, 2020
Wir brauchen Modelle abseits des harten Kapitalismus. Aber wie sollen die aussehen? Lasst uns mal eine Idee durchspielen: