Thread: Gibt es Patienten, an die ihr heute noch denkt?
Die absolute Mehrheit der Menschen, die einen Beruf in der Pflege oder der Medizin ergreifen, tun dies aus Leidenschaft. Aus Leidenschaft, für andere Menschen da zu sein, zu helfen und zu heilen. Leiden und Schmerzen zu lindern – oder auch auf dem letzten Weg zu begleiten. Das heutige kranke Gesundheits- und Pflegesystem, das immer mehr auf Profit und Effizienz getrimmt wird, lässt viele dieser Beschäftigten zusehends verzweifeln. Weil schon lange nicht mehr der einzelne Patient, die einzelne Patientin oder deren Gesundheit und Versorgung im Vordergrund stehen, sondern Gewinne, Gewinne, Gewinne. Eine Überlastung und Überarbeitung der Beschäftigten bis hin zum endgültigen Kollaps, ein vielerorts katastrophaler Personalschlüssel und Zeitdruck machen mürbe. Und das in einem Bereich, in dem Menschlichkeit und Zuwendung eigentlich zu den wichtigsten Aspekten der täglichen Arbeit gehören sollten. Wer wissen will, wie man Menschen, die eine Berufung haben oder die für eine systemrelevante Tätigkeit brennen, verheizt oder abschreckt, sollte sich in der Pflege umschauen. Dass es neben diesen absolut unwürdigen Umständen jedoch auch Erinnerungen an Patient*innen gibt, die lange im Gedächtnis bleiben, zeigt eindrucksvoll, welch aufreibende Arbeit Pflegekräfte und medizinisches Personal Tag für Tag leisten. Und welchen Respekt und welche Wertschätzung wir als Gesellschaft dieser Berufsgruppe um @instantnurse eigentlich entgegenzubringen hätten.
Gibt es Patienten, an die ihr heute noch denkt?
Bei mir war es ein freundlicher Herr Ende 50, der mich vorm Zugang legen darauf hinwies,dass er HIV positiv wäre. Ich bedankte mich für den Hinweis und wir kamen ins Gespräch. Er war seit 1986 infiziert, die Viruslast seit Jahren 1/— 💉🩹InstantNurse-just add Coffee💉🏥 (@instantnurse) May 2, 2022
unter der Nachweisgrenze.
Wir unterhielten uns über die Entwicklung der arvT über die Jahre und das Stigma, dass der Infektion noch heute anhaftet. Er war unglaublich positiv, obwohl die 80er und 90er für ihn schrecklich gewesen sein müssen. Therapien voller Nebenwirkungen und2/— 💉🩹InstantNurse-just add Coffee💉🏥 (@instantnurse) May 2, 2022
Ein gesellschaftliches Stigma, das teilweise bis heute überdauert.
Ich denke von Zeit zu Zeit immer noch an ihn, hoffe, es geht ihm gut und bin dankbar für das offene Gespräch, das sich spontan ergab.— 💉🩹InstantNurse-just add Coffee💉🏥 (@instantnurse) May 2, 2022
„So alt wie ich“ wirkt meist noch etwas näher
Transplantation und eine junge Frau mit einem Sarkom, sie starb nachdem sie 5 Wochen bei uns auf der Unfallchirurgie lag sie war so alt wie ich
— Dr. Blub (@AnikaBlub) May 2, 2022
Lässt einen wohl niemals so ganz los
Die 50-jährige Patientin, die mit stärksten Lumboischialgien zu uns kam. Im Labor Auffälligkeiten der Leber. Letztendlich überall Metastasen ohne Primarius. Ich verlegte sie in die Onkologie, drückte noch ihre Hand und wünschte viel Kraft. Sie Starb eine Woche später.
— Ygritte🥼🩺👩🏼⚕️ (@jgYgritte) May 2, 2022
Meine 1. Kellerfahrt, da weiß ich Namen und Todesursache noch.
Alle Kinder die wir verloren haben.
Gibt so einige.— Die 78. Nell🏥 (@Nell781) May 2, 2022
Es gibt auch die schönen Erinnerungen
Einige.
Elektrikermeister Herr A. zum Beispiel.
H., der über ein Jahr bei uns Reha machte.
Die Pat mit MS, die aus dem hohen Norden zu uns wieder kam und tatsächlich bei uns ihr Reha-Ziel „Gehen am Rollator“ schaffte.
…— Wasdnedsagsd?! 🩹🩹🩹 (@wasdnedsagsd) May 2, 2022
Sehr toll!
A., sehr klein, sehr krank. Ich holte sie als Azubi mit von der ITS ab, dachte eigentlich, dass ich sie nie anfassen darf. Drei Tage später war sie für zwei Monate „mein“ Kind. Ab da war ich in der Pflege angekommen. Habe sie danach noch oft auf anderen Stationen besucht.
— nordseemädchen 🏥 (@nordseemadchen) May 2, 2022
Verdammt schwierige Momente
Die Anfang 30-jährige Patientin mit fortgeschrittener ALS, die aus einem anderen KH zur Diagnosesicherung kam. Die Diagnose haben wir dann bestätigt. Sie und ihr Mann lagen auf dem Bett und weinten. Sie hatte 2 Kinder, eines war zu dem Zeitpunkt 2y
— Ygritte🥼🩺👩🏼⚕️ (@jgYgritte) May 2, 2022
Erinnerungen und Begegnungen, die für immer bleiben
Kurz nach der Facharztprüfung mein erstes Neugeborenes mit Duodenalatresie durch Pancreas anulare, und eines ziemlich im selben Zeitraum mit Analatresie. Beide Elternpaare melden sich immer noch fast jährlich, obwohl es fast 17 Jahre her ist.
— Faeline711 (@faeline711) May 2, 2022
Die ca.60-jährige Patientin mit Ca im Endstadium,der wir sagen mussten,dass ihr Sohn bei einem Motorradunfall getötet wurde. Sie starb kurz darauf und sie wurden zusammen beerdigt. Ich weiß sogar noch ihren Namen,obwohl es 25 Jahre her ist.
— Anna Lenk (@AnnaLenk2) May 2, 2022
Leider aktueller denn je
Ja. Einen ärztlichen Kollegen, der im ersten Jahr an Covid verstorben ist. Ich werde nie mehr vergessen wie krass Menschen sich unter höchster medizinischen Behandlung verändern können, was so ein Körper alles aushalten kann und wie heftig man am Ende doch stirbt.
— Fjordi 🦠👩🏽⚕️😷 🇩🇪🇧🇻 (@Mel_sverdifjell) May 2, 2022
Ganz stark
Der Elektriker, der von einer Leiter stürzte und sich alle (!!!) Beugesehnen scharf durchtrennte und den ich in einem meiner ersten OA-Dienste versorgen durfte und der mir danach fast 1Jahr in der BG Sprechstunde erhalten blieb. Netter Kerl übrigens
— Saftmoppel (@saftmoppel) May 2, 2022
Okay, aber was sagt man da und vor allem WIE?
Patient Ende 40, kommt unter Reanimation. Nach Ankunft aus dem Ausland von Geschäftsreise im Bahnhofsviertel im Bordell gelandet, nach Koks und Viagra kollabiert und reapflichtig geworden. Mitten in der Rea ruft Ehefrau an und wollte wissen, was passiert ist.
— _Miri🍁🍂🍃🌻_ (@_einfach_M) May 2, 2022
Könnte eigentlich jede*r ganz gut gebrauchen
Oh ja. Da war die Gewandmeisterin aus Berlin, die zuletzt in der Eifel wohnte und aufgrund einer Gürtelrose zu mir kam. Während der „Chilipflaster-Therapie sang sie die „Ode an die Freude“ als Ablenkung und alle PatientInnen wollten „auch das, was Sie ihr verschrieben haben“😊
— Der Schmerztherapeut⛑ (@hypnos1974) May 2, 2022
Wow!
Ach, und den freundlichen Herrn im chir. Dienst Z.n. Rasenmäher gegen Finger, der den Verlust des Fingers erwartete, was ich verhindern wollte ohne zu wissen, dass er Berufsmusiker war. Hat geklappt. Irgendwann später kam er mit Trompete auf die Kinderstation und spielte.
— Faeline711 (@faeline711) May 2, 2022
Viele. Mein erstes Polytrauma, Dame 90+ gegen Tram. Ein Jahr später war sie zur Nachsorge für die schlimm zerbröselten Beine. Am Gehstock, und ich soll mich beeilen, sie feiert Geburtstag und muss noch für 8 Gäste kochen ❤
— Höhlen-Schildkröte 🔴🔴🔴 (@zynmaster1) May 2, 2022
Nur menschlich …
Die Patientin, die alle 2-14Tage mit luxierter Hüftprothese kam und die sich nur von mir reponieren ließ, weil wir es zusammen ohne Narkose schafften.
Der Langzeitlieger, der im vollen 3-Bett-Zimmer seine Freundin hinter dem Waschbeckenvorhang poppte
— Saftmoppel (@saftmoppel) May 2, 2022
Wunderbar und schrecklich zugleich
Als ich 2016 auf der Onkologie lag, war im Bett nebenan ein 19jähriger, der zum zweiten Mal Leukämie hatte. Wir blieben in Kontakt, und ich habe seine Höhen und Tiefen mitbekommen. Ende 2018 war ich auf seiner Beerdigung. Die Mutter rufe ich jedes Jahr zu seinem Geburtstag an.
— ☣ (@Lanthidis) May 2, 2022
DAS ist Rock ’n‘ Roll
Es sind so viele. Einen habe ich noch. Der Rocker nach der Herz-OP, den ich nachts extubiert habe. Im Hintergrund (wir reden über Anfang 200er, ich war jung!) lief leise „Rockland Radio“. Tubus raus, Rocker nuschelt irgendwas. Frage nach. er. „MUSIK LAUTER!“😂😂😂
— Christian Gröschel (@groeschc) May 2, 2022
Glück im Unglück
Promi muss 30 min auf sein freies Zimmer warten. Er zu mir: „Hallo Fräulein, sie wissen schon, dass ich Privatpatient bin?!“ Mein neben mir stehender Chef: „Das macht erst mal nix, wir behandeln Sie trotzdem“
😂👍— 089-Bavaria 🇺🇦 💉💉💉💉 (@089Bavaria) May 2, 2022
Leider passender und aktueller denn je: