Thread: Wie formuliert man “Er unterschlug Betriebsvermögen und wurde daher fristlos gekündigt” positiv?

Dass Johann Wolfgang von Goethe grob sein halbes Leben gebraucht hat, um die Tragödie Faust zu vollenden, ist bekannt. Dass er die restliche Zeit damit verbracht hat, ein Mitarbeiterzeugnis zu formulieren, leider weniger. Ist aber so. Mitarbeiterzeugnisse sind der Endgegner aller Prosa. Nirgendwo ist der Klang schöner und die Wahrheit besser zwischen den Zeilen versteckt oder im fein abgestimmten Vokabular verklausuliert. Bullshit-Bingo-Großalarm! Vergesst Gedichtinterpretation oder Romananalyse, das hier sollte in Schulen gelehrt werden! Aber wie so oft ist dafür keine Zeit. Deswegen widmen wir uns jetzt unserem Lehrauftrag und reichen die Frage von Twitteruser @Kizito5 weiter: Wie formuliert man “Er unterschlug Betriebsvermögen und wurde daher fristlos gekündigt” positiv? Da steht er nun, der arme Tor, und ist so klug als wie zuvor!

So, Mitarbeiterzeugnis schreiben. Da dürfen ja nur gute Sachen drin stehen.

Wie formuliert man “Er unterschlug Betriebsvermögen und wurde daher fristlos gekündigt” positiv?

— Commander Keen (@Kizito5) March 31, 2022

Und Ihre Hobbys?

Er interessierte sich sehr für die Finanzbuchhaltung und ging mit diesen Informationen sehr vertraulich um. Mit dem xx.xx.xxxx endete das Arbeitsverhältnis.

— ǝʇʇǝlǝssɐnb (@Quasselette) March 31, 2022

Das macht doch jemand hauptberuflich

Auch im Umgang mit ihm anvertrauten Betriebsvermögen zeigte er sich äußerst flexibel.

— Papa (@PapaMittendrin) March 31, 2022

Oder besser: Die dynamische Nutzung betriebseigener Vermögenswerte wusste er stets anzuwenden. Dabei fand er in höchstem Maße flexible Lösungen subjektiver Eigentumsübergänge.

— Papa (@PapaMittendrin) March 31, 2022

Erlaubnis erteilt

Er fand kreative Wege der Einkommenserhöhung, die ihm erlaubten, das Unternehmen kurzfristig zu verlassen!

— Kleinstgericht⚖️⚔️🥷 (@SanneFriedl) March 31, 2022

Immerhin war er erfolgreich

Es heißt doch nur wohlwollende Formulierung.

„Seine Bemühungen zur Unterschlagung des Betriebsvermögens waren lange Zeit sehr erfolgreich und wurden erst am Tage seiner Kündigung unter größtem Einsatz des Arbeitgebers aufgedeckt.“

— Verwaltungsdirektor (@VerwDirektor) March 31, 2022

Wieso? Abgesetzt hat er sich doch gar nicht

Seine privaten Finanzen hatte er stets im Griff und setzte sich in diesem Bereich stark von anderen Mitarbeitern ab.

— CoLa (@jetztnkaffee) March 31, 2022

Toll, wo lernt man das?

Sein Fachwissen im Bereich Finanzen ragt weit über den Tellerrand hinaus. Wir freuen uns darüber, dass er diese Expertise nun anderweitig zur Verfügung stellen wird.

— Sunnyflower (@Sunnyflower_fun) March 31, 2022

Oh, ein Rechtsexperte

Er war redlich bemüht, bei fremden Eigentum die Gesetzeslage mit seiner persönlichen, widersprüchlichen Wertvorstellung in Einklang zu bringen.

— Stefan Bohèmian (@StefanBoheme) March 31, 2022

Meine Güte, ein Kompliment nach dem anderen

„Er überraschte durch seinen geschickten Umgang mit Konten und Finanzen und konnte in diesem Bereich stets seine eigenen Prioritäten setzen.“

— Cute Lil Owl (@Cute_Lil_Owl) March 31, 2022

Reimt sich nicht mal

„Das Arbeitsverhältnis endet kurzfristig am/zum…“ „…waren wir bis zur Kündigung/Beendigung des Arbeitsverhältnisses von seiner Vertrauenswürdigkeit/ Integrität überzeugt.“
Dann weiß jeder AG Bescheid.

— Ms. Wolf (@Trashtussi) March 31, 2022

Liebe Männer, die Wahrheit ist oft enttäuschend

In meiner Zeit als BR hatten wir einmal ne Kollegin, die den Diebstahl von Bargeld so lange abgestritten hat, bis es ihr eine Polizeibeamtin aus dem BH gefischt hat. Der Vorgang durfte detailgetreu ins Zeugnis, ohne dass es das Gericht kassiert hat.

— Suddha Bugger (@suddha_bugger) March 31, 2022

Am besten fährt man mit der Wahrheit

Fleischergeselle unterschlägt Knochen, um zu Hause Suppe zu kochen (passiert kurz nach dem Krieg).
Meister will keine Ehrlichkeit bescheinigen.
Vorschlag eines Arbeitsrichters:
Er war ehrlich bis auf die Knochen.

— Herrin_der_Nadeln (@mamafariabel) March 31, 2022

Ach, und falls euer Arbeitszeugnis überzeugt hat, findet ihr hier heraus, wie ihr auch beim Vorstellungsgespräch punkten könnt:

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