Thread: Wenn jemand das Ruder in diesem Impfdesaster rumreißen kann, dann die Haus- und Fachärzte
Davon zu reden, dass Deutschland den Impfstart verschlafen hat, trifft schon lange nicht mehr den Kern. US-Präsident Joe Biden versprach diese Woche öffentlich, dass jedem erwachsenen Amerikaner bis zum 1. Mai eine (erste) Corona-Impfung zugänglich gemacht wird. Spötter mögen anmerken, dass er das Jahr nicht genannt hat, aber dieser Witz streut gerade in Deutschland ziemlich viel Salz in offene Wunden. Denn während in den USA inzwischen knapp 20% der Gesamtbevölkerung mindestens die erste Impfung erhalten haben und täglich über 2 Millionen Dosen verimpft werden, sind es in Deutschland gerade mal 7,2% der Gesamtbevölkerung und ungefähr 233.000 Impfdosen pro Tag. (Quelle: Bloomberg L.P., Stand: 12.03.2021) In den USA ist man also auf einem guten Weg, hierzulande lautet das bescheidene Ziel dagegen: „Jede und jeder Impfwillige soll bis Ende September eine Erstimpfung erhalten.“ Dabei werden sich die Älteren erinnern: Bis Mitte Januar wurden die Vereinigten Staten von einem orangefarbenen Frettchen regiert, dem man kaum zutraute, den Unterschied zwischen Gummibärensaft und einem Vakzin zu verstehen!
Eins der hausgemachten Probleme: Aktuell werden in Deutschland Impfungen bekanntermaßen vorrangig in Impfzentren erteilt, die durch mobile Impfteams (etwa für Pflegeeinrichtungen) ergänzt werden. In einigen Bundesländern wurde als Modellprojekt auch in Arztpraxen geimpft. Genau dieses System soll nun ausgeweitet werden. Die Gesundheitsminister der Länder haben beschlossen, Hausarztpraxen in größerem Umfang in das Impfgeschehen miteinzubeziehen – wenn auch erst ab Mitte April. Das Thema lautet nämlich mal wieder: Ist genug Impfstoff da?
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sprach in diesem Zusammenhang vom Ketchup-Effekt: Nach den spärlichen Impfstoff-Lieferungen der vergangenen Wochen soll es Ende März nämlich deutlich anziehen. Und genau dieser „Ketchup“ soll dann durch die Hausärzt:innen möglichst schnell und reibungslos verimpft werden. Aber können die das überhaupt? Twitteruserin und Hausärztin @SchwesterFD hat mal ein bisschen Klarheit in der Sache geschaffen!
Eben einen Bericht in HR-Info darüber gehört, warum das Impfen in Hausarztpraxen angeblich so kompliziert wäre. Da müssten sich Hausärzte ja jetzt auch noch damit beschäftigen, dass 3(4) verschiedene Impfstoffe sachgerecht gelagert werden. Dass unterschiedliche Abstände…/1
— Schwesterfraudoktor (@SchwesterFD) March 11, 2021
… zwischen Erst– und Zweitimpfung eingehalten werden müssten.
Dass man ja das alles zusätzlich zu seinem normalen Alltag irgendwie bewerkstelligen müsste und zu guter letzt auch noch richtig priorisieren soll.An dieser Stelle muss ich mal ganz dezent fragen, ob es hackt. /2
— Schwesterfraudoktor (@SchwesterFD) March 11, 2021
Wir impfen jedes Jahr massenhaft gegen Influenza. Wir haben die Schemata von Tetanus, Hepatitis, FSME, Pneumokokken, Zoster, HPV, MMR usw. im Kopf. Wir impfen gegen Gelbfieber, Typhus, Tollwut.
Aber das Verimpfen von Corona-Impfstoffen soll für uns zu kompliziert sein?! /3
— Schwesterfraudoktor (@SchwesterFD) March 11, 2021
Wir Hausärzte kriegen es durchaus hin, unsere Patienten zum richtigen Zeitpunkt wieder einzubestellen. Wir schaffen es auch, die Priorisierung einzuhalten. Darüber hinaus könnten wir überschüssigen Impfstoff an Freiwillige verimpfen, damit er nicht verworfen wird./4
— Schwesterfraudoktor (@SchwesterFD) March 11, 2021
Wir waren auch auf der Arztschule, jahaa! Wir können das. Vielleicht sogar besser als so mancher Bankkaufmann.
Es wäre also ganz freundlich, wenn man uns nicht als kleine, minderbemittelte Randerscheinung der Medizin betrachten würde. /5
— Schwesterfraudoktor (@SchwesterFD) March 11, 2021
Unsere Patienten warten darauf, dass wir sie impfen dürfen! Und sie vertrauen uns.
Wenn jemand das Ruder in diesem Impfdesaster umreißen kann, dann die Haus-und Fachärzte. /Ende
— Schwesterfraudoktor (@SchwesterFD) March 11, 2021
Noch eine Anmerkung: der Bericht handelte davon, wie die Entscheidungsträger das wohl sehen. Ich möchte nicht HR-Info durch den Kakao ziehen.
— Schwesterfraudoktor (@SchwesterFD) March 11, 2021
Sehr viele Twitteruser:innen konnten die Argumente von @SchwesterFD nachvollziehen und sprechen sich ebenfalls für eine Impfung in der Hausarztpraxis aus. Insbesondere die persönliche Beziehung zwischen Patienten und Hausärzten und -ärztinnen darf dabei wohl nicht unterschätzt werden. Darüber hinaus gibt es gute Argumente dafür, dass das Impfen in der vertrauten Praxis nicht nur Zeit und Aufwand spart, sondern auch deutlich weniger Bürokratie erfordert, als es in den Impfzentren der Fall ist.
Ich bin so sprachlos über diese herabwürdigende Art.
Ganz ehrlich meine Ärzte egal ob Haus oder schmerzdoc ,impfen mich immer, wissen meine Unverträglichkeiten und im meine Vorgeschichte.
Ich hätte es besser gefunden wenn die hatten von Anfang an impfen dürfen .— mellory nox (@MellNox) March 11, 2021
Wenn ich mich in Bayern über das Onlineportal anmelde muss ich auch Vorerkrankungen etc. angeben. Davor kommt extra eine Meldung, dass ich alles was ich da angebe belegen können muss u.a. mit Attest vom Hausarzt. Also sprich, ich muss zum Hausarzt, der dann z.B. ein Attest über
— Sofie Fallen #DemokratischeHerdenimmunität (@SofieFallen) March 11, 2021
den BMI von über 30 ausstellen muss oder wenn ich selbst keine Berichte habe ein Asthma bestätigen muss, damit ich geimpft werden kann 🤦♀️
Mein Hausarzt hat all die Unterlagen, hat bessere Öffnungszeiten wie das Impfzentrum. Man würde unnötige Wege und Bürokratie vermeiden, aber— Sofie Fallen #DemokratischeHerdenimmunität (@SofieFallen) March 11, 2021
hey, wozu auch auf die Erfahrung derer bauen die das seit Jahren machen und ihre Pappenheimer kennen und z.B. wissen, wenn man schon einmal Nebenwirkungen hatte🤦♀️
Aber mei, klar, die Reihenfolge – das hat ja bisher auch so toll geklappt 🤷♀️— Sofie Fallen #DemokratischeHerdenimmunität (@SofieFallen) March 11, 2021
Meine Hausärztin kann sogar auf der Seite der Stiko nachsehen, wenn ich zu ner Impfung ne Frage habe, die etwas spezieller ist. Und das im laufenden Betrieb. 🤯
Wenn einer Impfung drauf hat, dann ja wohl die Hausärzte.— Fadensommer (@fadensommer) March 11, 2021
Und der Hausarzt kann, weil er seine Patientinnen und Patienten kennt, vermutlich besser beurteilen ob es besser ist Hildegard oder Erwin erst zu impfen 🥺
— Stefan Mangold (@scientist_igor) March 11, 2021