Thread: Von Nebeneinkünften, Belohnungen und Geschenken
Deutschlands Politik- und Parteienlandschaft hat ein massives Vertrauensproblem. Nun ist das nicht erst seit der sogenannten „Maskenaffäre“ der Union so, die wir – wenn wir es ganz genau nehmen – eigentlich eher als „Korruptionsskandal“ framen müssten. Nein, es gab sie schon vorher, die Anzeichen, dass es einigen gewählten Volksvertretern nur darum geht, ihren Wirtschaftslobbys Gefallen zu erfüllen und sich selbst dabei mit cleveren Tricks die Taschen vollzumachen.
Schlimmer noch: Politiker, die sich dabei haben erwischen lassen, kamen meist mit Verwarnungen und halbgaren Entschuldigungen davon und sitzen immer noch im Bundestag, kandidieren wieder für wichtige Ämter oder üben sie weiterhin aus. Ob Scheuer, Amthor, Klöckner, Spahn, Laschet, Merz, Nüßlein oder Sauter, Kumpanei und Vorteilsnahme scheinen in der Union eine Art Aufnahmekriterium zu sein. Anders lässt sich die Häufung der Skandale dort nicht erklären. Da nützt auch eine Ehrenerklärung nichts, dass man durch die Pandemie keine persönlichen Vorteile erzielt habe oder dass man als Abgeordneter alle Einkünfte ab 100.000 Euro offenlegen muss.
CDU/CSU wollen Nebeneinkünfte erst ab 100.000 Euro offenlegen. Wie will man das jemandem erklären, der für diese Summe – brutto – mehrere Jahre arbeiten gehen muss? Was ist das für ein Verhältnis zu Geld? Wie abgehoben kann man sein?
Nebeneinkünfte offenlegen ab dem ersten Cent!
— Henrik Hamann (@henhman) March 17, 2021
Auch in anderen Parteien ist diese Praxis verbreitet. Man denke beispielsweise nur an den SPD-Ex-Kanzler Gerhard Schröder oder seinen Parteifreund Sigmar Gabriel. Die Liste ließe sich sicherlich noch erweitern, aber das Fazit wäre dasselbe: Es braucht dringend schärfere Regeln für Politiker, um das Vertrauen in die Ämter, die sie ausüben, wiederherzustellen. Denn, seien wir doch ehrlich, so viel wie die meisten politischen Würdenträger auf Landes- oder Bundesebene verdienen, müssten Nebeneinkünfte und Vorteilsnahme grundsätzlich untersagt sein. Die meisten Arbeitnehmer haben in ihrem Arbeitsvertrag mindestens einen Abschnitt, der sich um „Belohnungen & Geschenke“ dreht und verdienen oft nur einen Bruchteil von dem, was ein Abgeordneter einstreicht. Im öffentlichen Dienst sind die Vorgaben sogar noch strenger als in der Privatwirtschaft. Da stellt sich also doch die berechtigte Frage, warum das nicht auch für die gewählten Volksvertreter gelten soll. Der Twitteruser @beckstown78 hat es geschafft, mit zwei Tweets den Nagel auf den Kopf zu treffen. Wir haben uns die Reaktionen darauf ganz genau angesehen.
Ich arbeite im Öffentlichen Dienst. Ich darf nichts annehmen, was mehr als 10€ kostet. Nebenjobs muss ich anzeigen und kann sie nur ausführen, wenn es dadurch zu keinen Interessenkonflikten kommt. Ich muss jährlich ein Programm zur Korruptionsprävention durchlaufen.
— Mr. Robot (@beckstown78) March 17, 2021
Ich finde das alles tatsächlich gut und sinnvoll. Ich verstehe nur nicht, warum Bundestagsabgeordnete nicht den selben Regeln unterliegen. Immerhin sollen sie zum Wohle des Volkes entscheiden und nicht zum Wohle des Geldbeutels.
— Mr. Robot (@beckstown78) March 17, 2021
Das sagen andere User:
In einer Sache, da sind sich alle einig. Die Regelungen sind wichtige Präventionsmaßnahmen, um Korruption vorzubeugen. Dass sie nicht für politische Würdenträger gelten, stößt allen Usern sauer auf. Allerdings haben einige auch resigniert und glauben nicht daran, dass sich so schnell etwas ändert.
Bis auf die 10€ gilt das Selbe übrigens für fast alle normalen Arbeitnehmer auch. Steht bei uns zumindest so in den Arbeitsverträgen.
— Shevek (@Shevek1981) March 17, 2021
Natürlich bedeuten solche Beschränkungen auch, dass es schwierig ist, Arbeitnehmern seine Wertschätzung durch ein Geschenk zuteilwerden zu lassen. Ein sogenanntes Trinkgeld gibt es bei den meisten Berufen nicht bzw. ist verboten. Eine Tafel Schokolade oder Blumen ist oft das höchste der Gefühle.
Was haben wir uns Kopf gemacht, was wir den Erzieherinnen beim Wechsel des Großen in die große Gruppe schenken können, OHNE dass sie damit in Bedrängnis kommen 🙄 (städt. Kita)
— SanktNimmerlein (@SanktNimmerlein) March 17, 2021
Im öffentlichen Dienst muss selbst darüber Buch geführt werden, wenn der Wert des Geschenkes 10 Euro übersteigt.
Ebenfalls öffentlicher Dienst hier und als Ergänzung. Wenn ich Geschenke mit Wert unter 10 Euro annehme, muss ich darüber Buch führen und es am Jahresende in einem Formular anzeigen. Verfehlungen führen zur Abmahnung.
— uplumtree @ homeoffice (@uplumtree1) March 17, 2021
Ein anderer User merkt zusätzlich an, dass Politiker ja auch keine entsprechende Qualifikation für ihre Ämter vorweisen müssen.
Du musstest sicher auch eine Qualifikation für deine Stelle nachweisen, ggf. über mehrere Bewerbungsphasen & Assessment-Center Auswahl. Je nach Position ein 100% reines polizeiliches Führungszeugnis u.v.m.
Leider, und das halte ich für großen Fehler, gilt das nicht für Politiker— Andreas Weinand | #NoCovid #ZeroCO2Emission (@aow_de) March 17, 2021
Ärzte kennen die Problematik ebenfalls sehr gut. Aber auch für sie existieren gesetzliche Regelungen.
Beim Antikorruptionsgesetz ging alles glatt durch, zumindest bei uns Ärzten (war seinerzeit angestellt). 0815-Kugelschreiber oder Tischkalender von zB Versorgern wurden wirklich kritisch gesehen. Wahrscheinlich muss man einfach die ganz großen Dinger drehen, damit man durchkommt.
— AlexMathis (@SeiMa_Nichso) March 17, 2021
Beamte dürfen sogar noch weniger annehmen, weil sie im Dienst des Staates verpflichtet sind. Warum gilt das dann nicht auch für Politiker?
Als Beamtin nehme ich grundsätzlich gar nichts an außer einer Tasse Kaffee oder einen Kuli mit Werbeaufdruck. Für Politiker scheinen andere Größenverhältnisse zu gelten, was für jeden an der Formulierung NEBENeinkünfte über 100.000 € ersichtlich sein dürfte.
— Knötternhilftnix (@cramericacosmo) March 18, 2021
Nebentätigkeiten müssen übrigens bei fast allen Arbeitsverhältnissen angegeben werden. Nicht nur, um Interessenkonflikten vorzubeugen, sondern auch um die Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers sicherzustellen.
Interessant ja auch, dass man als Arbeitnehmer Nebentätigkeiten komplett angeben muss. Streng genommen sind die Bürger*innen der Arbeitgeber der Politiker. Warum ist man also den Bürgern gegenüber nicht verpflichtet Nebentätigkeiten komplett anzuzeigen 🤔
— Raintapster (@raintapster) March 18, 2021
So ist das. Und fragen Sie mal einen Arzt in Deutschland, oder auch einen Wirtschaftsprüfer. Nur unsere lieben Politiker, die machen das anders. Und sprechen dann noch frech von „marktgerecht“.
— Robert Praetzler (@RobertPraetzler) March 18, 2021
Es bleibt zu hoffen und abzuwarten, ob es hier endlich einmal eine klare Vorgabe gibt, die das Vertrauen der Bürger in die Politik wiederherstellt. Aber dazu bedürfte es auch einem Politikwechsel. Praktischerweise befinden wir uns ja im Superwahljahr und haben es selbst in der Hand, wo wir unser Kreuz machen.