Thread: Manchmal braucht es mutige Menschen
Und täglich grüßt der Pflegenotstand. Falls ihr es nicht mitbekommen habt, vor nicht ganz zwei Wochen beklagten rund 30 Mitarbeiter*innen im Helios Amper-Klinikum in Dachau die skandalösen Zustände der Patient*innen und Angestellten. Sie versammelten sich vor dem Klinikum in einer sogenannten „aktiven Mittagspause“, um gegen die extreme Belastung im Beruf und die Unterversorgung von Patienten zu protestieren. Das Ereignis generierte – wenig überraschend – keine große mediale Aufmerksamkeit. Logisch, denn Pflegekräfte sind ja auch keine Querdenker oder Putinversteher, über die man berichtet oder die man in alle Talkshows einlädt. Aber wir wollen nicht vom Thema abschweifen. Immerhin schaffte es die protestierende Belegschaft in die Süddeutsche Zeitung. Das abenteuerliche Statement des Klinikums jedoch ebenfalls. Und so ist dort zu lesen, dass es sich nur um die Vorwürfe Einzelner handelt, die nicht den Tatsachen entsprechen und die von dem Großteil der Belegschaft nicht geteilt werden. Dabei wird ignoriert, dass es sich um ein bundesweites systemisches Versagen handelt. Der Intensivmediziner und bekannte Twitteruser @narkosedoc hat darüber den nun folgenden Thread geschrieben.
Manchmal braucht es mutige Menschen da draußen, die für ihre Ideale einstehen und dafür auch eigene Nachteile riskieren.
Etwa 30 von Ihnen arbeiten in Dachau am dortigen Klinikum und wollten nicht länger zu den Missständen schweigen. 🧵— Intensivdoc 🇺🇦 (@narkosedoc) May 18, 2022
Wichtig ist – diese Probleme sind nicht die Konsequenz von Misswirtschaft oder verfehlter Personalplanung an dieser einen Klinik. Man könnte Dachau durch Düsseldorf, Magdeburg oder Nürnberg oder „hier könnte Dein Wohnort stehen“ ersetzen.
— Intensivdoc 🇺🇦 (@narkosedoc) May 18, 2022
Das, was seit Jahren im Gesundheitssystem passiert, ist deshalb ein Skandal, weil dort Eure Gesundheit geopfert wird!
Für mehr Gewinn und fröhliche Aktionäre.
Eure Gesundheit.
Überarbeitete Pflege bedeutet, dass Menschen Hunger, Schmerzen oder Durst haben und niemand kommt.— Intensivdoc 🇺🇦 (@narkosedoc) May 18, 2022
Das hier, passiert. Und zwar nicht nur in Dachau, sondern so oder ähnlich in jeder Klinik.
Die Probleme sind überall die gleichen, aber niemand will sich die Finger verbrennen.
Nur gelingt es meist zu verhindern, dass solche Berichte an die Öffentlichkeit gelangen.— Intensivdoc 🇺🇦 (@narkosedoc) May 18, 2022
Lächerlich, aber geradezu typisch ist die relativierende Reaktion der Klinik.
Ja, es sind nur 30, weil die anderen Angst haben ihren Job zu verlieren oder andere Nachteile zu kassieren.
Und außerdem haben ja alle Socken mit dem beliebten Kliniklogo bekommen 🤢— Intensivdoc 🇺🇦 (@narkosedoc) May 18, 2022
Fragt mal Menschen, die im Krankenhaus lagen, was hier los ist. Was auf der Normalstation passiert. Wie lange man warten muss, bis jemand kommt und ein Schmerzmittel anhängt.
Und solange immer wieder nur beschwichtigt, beschönigt und verklärt wird, ändert sich nichts.— Intensivdoc 🇺🇦 (@narkosedoc) May 18, 2022
Genau dieses verlogene Beschönigen der Kliniksprecherin halte ich für sehr problematisch.
Die wissen genau was in der Klinik los ist.
Daher – volle Solidarität mit den mutigen Kolleg*innen!Den ganzen Artikel zum nachlesen findet ihr hier:https://t.co/57BY6s8eAw
— Intensivdoc 🇺🇦 (@narkosedoc) May 18, 2022
Das sagen andere User:
Angst ist ein mächtiger Verbündeter, denn nicht jeder kann sich den Luxus leisten, für seine Ideale öffentlich einzustehen, wenn er eine Familie versorgen oder einen Kredit abbezahlen muss. Umso wichtiger ist es, dass es mutige Menschen gibt, die gegen die Missstände im deutschen Pflegesystem ihre Stimme erheben. Denn von allein wird sich rein gar nichts ändern. Auch die Presse spielt eine nicht unerhebliche Rolle. Seit Jahren wissen wir über die Zustände unseres Gesundheitssystems Bescheid. Corona hat die strukturellen Probleme sogar noch um ein Vielfaches verstärkt. Trotzdem wird viel zu selten darüber berichtet. Ein Statement abzudrucken, welches suggeriert, alles sei in bester Ordnung, ist zynisch. Das sahen auch mehrere Leserinnen und Leser so. Was sie zu sagen hatten, das erfahrt ihr jetzt.
Wichtig – es geht hier nicht um Dachau!
Es wäre zu einfach und vor allem am Kern des Problems vorbei, mit dem Finger auf eine Klinik zu zeigen.
Alle Kliniken leiden unter den gleichen Problemen. Zu wenig Geld, zu wenig Fachpersonal, zu viele multimorbide Patient*innen.— Intensivdoc 🇺🇦 (@narkosedoc) May 18, 2022
Krank werden, dann gehts eigentlich.
— Inselsucherin (@inselsucherin) May 18, 2022
Nicht nur schlaflose Nächte und Gewissensbisse. Mich hat es krank gemacht. Nicht in Dachau. Das Problem gibt es bundesweit.
— Eva Weber, RN (@EvasNaehkaffee) May 18, 2022
was irgendwie ging auf der Station. Konnte kaum laufen, geschweige sitzen und selbst organisieren wie ich nach Hause komme und dort klarkomme. Montags dann zum Hausarzt geschleppt, wegen Rezept, der hat mich umgehend wieder ins KH eingewiesen, am Folgetag wurde ich operiert
— Fachwirtin 😍 💉💉💉 (@BFgsw) May 18, 2022
Über 3 Monate lag mein Vater im KH, schwer pflegebedürftig. Meine Mutter, Schwester und ich waren täglich über 12h bei ihm und haben in komplett versorgt. Mir kommen noch immer die Tränen, wenn ich an die vielen Krebspatienten dort denke, die ganz alleine dort liegen müssen…
— Gantaban (@Gantaban) May 18, 2022
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit! Passend dazu haben wir noch das für euch: