Thread: Lehrkraft sein in der Pandemie
Die aktuelle Situation an den Schulen dürfte den meisten Eltern und aufmerksamen Lesern bekannt sein. Das erschreckende dabei ist, dass wir hier die Beiträge von 2020 noch einmal hervorholen könnten, ohne dass wir viel verändern müssten. Das liegt daran, dass sich seit Beginn der Pandemie einfach nicht viel getan hat, obwohl die Probleme und Schwachstellen im Schulsystem bekannt sind und auch öffentlich scharf kritisiert wurden. Im Gegenteil, die Situation hat sich aufgrund der Omikronwelle und der steigenden Infektionszahlen sogar noch weiter verschärft. Dabei wurde der Fokus häufig auf die Schülerinnen und Schüler oder ihre Eltern gelegt. Aber die Lehrkräfte sind ebenfalls betroffen und stark belastet, denn sie müssen das ausbaden, was die Politik versäumt oder gar vergessen hat. Und all das zusätzlich zu dem ohnehin schon schwierigen Job, den Lernstoff in der Pandemie zu vermitteln und die Kinder und Jugendlichen bei Laune zu halten. Die Twitteruserin @4Sprosse erinnert mit dem nun folgenden Thread daran, was es heißt, Lehrkraft in Zeiten der Corona-Krise zu sein.
Okay, einmal muss ich meine Stimme doch noch zu dem Thema erheben, danach nur noch andere, schönere Themen hier, versprochen.
Lehrkraft sein in ner Pandemie:
Ein Thread.
— Frau Sommersprosse (@4Sprosse) January 24, 2022
1. Lehrer. Jeder war in der Schule und weiß deswegen, wie der Job geht. Ganz bestimmt!
Aber das war ja schon immer so.2. Nun kommt eine Pandemie und zeigt die Schwachstellen im Schulsystem auf. Die Politik, die Landesschulbehörden tun was? – Richtig: Sich aufm Bürostuhl drehen.
— Frau Sommersprosse (@4Sprosse) January 24, 2022
3. Es gibt momentan kaum längerfristige Richtlinien und Hilfen halt schon mal gar nicht. Was verbessert wird, stemmen die meisten Schulen alleine oder durch privates Engagement der Mitarbeiter. (Erinnert ihr euch daran, wie unsere Schule z. B. an iPads gekommen ist? 😇😘)
— Frau Sommersprosse (@4Sprosse) January 24, 2022
4. Wie die nächste Zeit aussieht erfahren wir seit Pandemiebeginn grundsätzlich Freitag nachmittags. So hat man mental nie Wochenende. Braucht ja auch keiner.
5. Präsenzpflicht aussetzen ist das Mieseste. Denn so können Eltern ihre Kinder zu Hause behalten, wenn sie es halt
— Frau Sommersprosse (@4Sprosse) January 24, 2022
hinkriegen. Lehrkräfte müssen weiter in den Präsenzunterricht, sollen aber bitteschön zusätzlich perfekten Distanzunterricht bieten bei gleicher Lehrerstundenzahl an der Schule.
6. Sicher gibt es die Lehrkräfte, die auch bei purem Distanzunterricht nur Arbeitsblätter kopieren.
— Frau Sommersprosse (@4Sprosse) January 24, 2022
Es gibt nämlich in jedem Berufsstand Deppen. Die meisten reißen sich aber den Allerwertesten auf, um möglichst alles gleichzeitig zu schaffen und allen Kids die bestmöglichen Chancen zu geben.
7. Vergesst nicht, dass auch Lehrkräfte Kinder, Partner und Risikoangehörige haben.
— Frau Sommersprosse (@4Sprosse) January 24, 2022
8. Und wenn ich jetzt mal von mir spreche: Ich bin aus vollstem Herzen Pädagogin geworden. Vor der Pandemie. Nein, nicht wegen des Beamtenstatus‘ oder der Ferien, sondern weil ich Kids beim Lernen begleiten möchte. Ich möchte sehen wie sie über sich selbst hinauswachsen. Ich
— Frau Sommersprosse (@4Sprosse) January 24, 2022
möchte ihre Freude und Wissbegierde beim Lernen sehen, Tränen trocknen und daraus Mut machen.
Was ich seit Pandemiebeginn zu sehen bekomme, sind Kinder, die von der Politik im Stich gelassen werden, Eltern, die nicht mehr klarkommen und Lehrkräfte, die alles geben, aber nie alles— Frau Sommersprosse (@4Sprosse) January 24, 2022
schaffen, weil die Schulen genauso allein gelassen werden wie die Familien.
Also, bitte, habt Nachsicht. Die allermeisten KollegInnen tun ihr Allerbestes, aber auch wir sind geschlaucht – von der Unplanbarkeit, von der fehlenden Hilfe, von den vielen bösen Worten (sogar in den— Frau Sommersprosse (@4Sprosse) January 24, 2022
Medien). Es tut weh. Denn der Großteil von uns liebt seine Kids und möchte das Beste für sie.
9. Und zum Schluss frage ich dich: Würdest du diesen Job unter diesen Bedingungen (nochmal) wählen?
Ich würde es – für die Kids, denn die liegen mir am Herzen.
Thread Ende.
— Frau Sommersprosse (@4Sprosse) January 24, 2022
Das sagen andere User:
Gut, dass es endlich noch mal jemand auf den Punkt bringt. Lehrerinnen und Lehrer sind nämlich auch nur Menschen und können für die aktuelle Situation am allerwenigsten. Das sahen auch viele Leser dieses Threads so. Ein paar der treffendsten Kommentare und Reaktionen haben wir hier für euch gesammelt.
Danke für diesen Thread, von einer einsamen Online-Lehramtsstudentin. Ich seh das Destaster jeden Tag auf Twitter & in anderen Medien, und immer wenn ich mich frage, warum zum Teufel ich trotzdem noch Lehramt studiere: immer dieselbe Antwort. Für die Kids.
Bon courage, Sprosse☕— Fuchsnase🦊Ange Orange 🧡🌻 (@KathThePoet) January 24, 2022
Ganz manchmal schwärme ich gedanklich davon, wie es sein wird, wenn es irgendwann wieder vorbei ist. Das wird herrlich! Normalen Unterricht, wirklich nur Lehrerin sein. Das machen wir doch dann mit links. Ich freu mich drauf!
— Die Sandra hat viel vor 🏡 (@Frau_G_aus_G) January 24, 2022
Ich muss ehrlich sagen, dass ich es im Moment häufig frustrierend, deprimierend und ermüdend empfinde, aber nicht wegen der Kids sondern den strukturellen Bedingungen und der Untätigkeit der Politik.
— DaYawa (@da_yawa) January 24, 2022
Kann das als Lehrerin-Gatte nur bestätigen – Leidenschaft für den Job wird von Unterfinanzierung, behördl. Missmanagement und gesell. Arroganz scheibchenweise aufgefressen. Und meine Frau will ihre Schülis trotzdem nicht „im Stich lassen“. Auf Kosten der eigenen Gesundheit.
— Der Olli will #keinGradweiter (@hool_ma) January 24, 2022
Danke, du sprichst mir aus der Seele! 🙏🏻 ich fühle mich oft so hilflos und alleine gelassen. Alles fällt mir zunehmend schwerer, bes. permanent dieselben Schüler mit Maske unter der Nase zu ermahnen. Ich bin so müde. Und ein Ende ist nicht in Sicht. Pass weiter auf dich auf! 🤗
— Ein Fragezeichen (@Lehrerskindleh1) January 24, 2022
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit. Passend dazu haben wir noch das für euch: