Thread: Zu Überlastungszeichen von Kindern und über leere und volle Batterien
Wir präsentieren euch wöchentlich die unterhaltsamsten und witzigsten Anekdoten aus dem Familienleben. Doch klar, es gibt auch ernste Eltern-Themen, die besprochen werden müssen. Vor einigen Wochen haben wir hier einen Thread von Oliver Dierssen, der Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie ist, präsentiert. Dieser Thread, der sich mit dem Bestrafen von Kindern auseinandergesetzt hat, wurde insbesondere von Eltern sehr gut aufgenommen und bekam zahlreiches, positives Feedback. Nun hat Oliver Dierssen einen weiteren Thread verfasst, der mit Überlastungen und Überforderungen von Kindern in eine ähnlich Richtung geht und trotzdem anders ist. Und irgendwie passt der Thread ja auch zu unserem Beitrag über Helikoptereltern von heute morgen …
„Die Hausaufgaben dauern manchmal stundenlang. Oft macht mein Kind nur noch weiter, wenn ich ununterbrochen daneben sitze und es dauernd ermahne.“
Ein Thread über Überlastungszeichen von Kindern, über leere und voller Batterien.
— Kinderpsychiater Dierssen (@KJPGehrden) July 3, 2020
Um Überlastungszeichen bei Kindern zu erkennen, ist es notwendig anzuerkennen, dass auch Kinder massiv überlastet sein können.
„Du kannst keine echten Sorgen haben, du bist zehn!“ habe ich oft gehört, es war immer falsch. Kinder können ebenso belastet sein wie Erwachsene.
— Kinderpsychiater Dierssen (@KJPGehrden) July 3, 2020
Chronische Überlastung und Überforderung von Kindern kann – ebenso wie bei Erwachsenen – gefährliche Folgen haben. Hierzu gehören z.B. Depressionen, Angsterkrankungen, Schlafstörungen, Leistungsabfall in der Schule.
— Kinderpsychiater Dierssen (@KJPGehrden) July 3, 2020
Beim „Kampf um die Hausaufgaben“ kann schnell der Stolz von Eltern & Kindern auf dem Spiel stehen: „Wenn du keine Hausaufgaben machst, fällt die Verabredung/ Playstation/das Fußballtraining aus.“
Bei solchen harten Machtkämpfen gehen meist beide Parteien als Verlierer vom Platz.
— Kinderpsychiater Dierssen (@KJPGehrden) July 3, 2020
Um Eskalationen um die Hausaufgaben zu vermeiden, ist es wichtig, ein Gefühl dafür zu entwickeln, welche Anstrengungen das Kind heute schon bewältigt hat – und dem Kind dieses Gefühl zu vermitteln! So können Kinder viel leichter wahrnehmen, ob sie gerade stark überlastet sind.
— Kinderpsychiater Dierssen (@KJPGehrden) July 3, 2020
„Kann es sein, dass du dich heute schon mächtig angestrengt hast in der Schule?“ ist ein guter, wirksamer Satz, um bei Hausaufgaben-Überlastung zu einer gemeinsamen Basis zu finden.
Fragen Sie, was besonders anstrengend war. Hören Sie zu. Zeigen Sie liebevollen Respekt.
— Kinderpsychiater Dierssen (@KJPGehrden) July 3, 2020
Kinder sollen ein Gefühl und eine Sprache für ihre Anstrengungen und Kraftreserven finden. Sie sollen darüber sprechen, wenn sie nicht mehr können, anstatt sich zu verweigern und in Streit zu geraten. Hierfür brauchen sie Anleitung – durch Vorleben der Erziehungspersonen.
— Kinderpsychiater Dierssen (@KJPGehrden) July 3, 2020
Wenn Sie mit Ihrem Kind gemeinsam rausgekriegt haben, dass die Kraft alle ist, sind Schimpfen, Strenge, Disziplin nicht zielführend.
Jetzt ist Zeit zu überlegen, was die Batterien des Kindes wieder auffüllt – kognitiv und emotional. (Spoiler: Handyspielen eher nicht.)
— Kinderpsychiater Dierssen (@KJPGehrden) July 3, 2020
Überlegen Sie, welches Verhalten Sie sich vom Partnermenschen bei massiver Überlastung wünschen: Weiterackern bis zum Umfallen? Schweigen im stillen Zimmer? Oder doch Achtsamkeit, Sprechen und Selbstfürsorge?
Fangen Sie bei ihrem Kind an, diesen Weg durch Ihr Vorbild zu bahnen.
— Kinderpsychiater Dierssen (@KJPGehrden) July 3, 2020
Wenn Kinder überlasten, hat das einen Grund. Der Grund ist nicht: „Das Kind könnte ja, will aber nicht.“
Das Gegenteil ist ist richtig: Kinder wollen dazugehören, gelobt werden, Leistung zeigen, auch mal glänzen. Wenn das trotz Mühen nicht gelingt, kommen sie in Not.
— Kinderpsychiater Dierssen (@KJPGehrden) July 3, 2020
Die Gründe, warum Kinder überlasten, sind vielfältig: Lernschwächen, Lese-Rechtschreibschwäche, Dyskalkulie, Konzentrationsstörungen, Sehfehler, Schwerhörigkeit, Prüfungsängste, somatische Erkrankungen.
Es lohnt sich, nach den Gründen kindlicher Überforderungen zu forschen.
— Kinderpsychiater Dierssen (@KJPGehrden) July 3, 2020