Thread: Wieso werden Frauen bei einer Abtreibung zu einer solchen „Beratung“ genötigt?
Es gibt diese Themen, bei denen wir als Gesellschaft immer wieder etwas ratlos ins Stocken geraten. Abtreibung ist eins davon. Es ist sehr gut möglich, sich beim Gedanken an Abtreibung unwohl zu fühlen und gleichzeitig glühend für das Selbstbestimmungsrecht der Frau einzustehen. Genauso wie viele Menschen auf das Recht des ungeborenen Lebens schwören und zugleich nicht Willens sind, wirtschaftliche und emotionale Verantwortung für selbiges Leben nach der Geburt zu übernehmen.
Dieses zwiespältige Verhältnis spiegelt sich auch in der Gesetzeslage hierzulande wieder. Abtreibung ist nach wie vor eine Straftat – allerdings eine, die für die Frau straffrei bleibt, sofern sie unter gewissen Voraussetzungen geschieht. Eine davon ist, dass die Frau an einem verpflichtenden Beratungsgespräch teilnimmt und sich im Anschluss durch drei Tage Bedenkzeit quält.
Twitteruserin @Puddingbrummse1 entschied sich im Alter von 19 Jahren für eine Abtreibung. Wie sie den Prozess damals erlebt hat, hat sie in einem Thread geschildert.
CN Abtreibung. Thread.
Ich war 19. Die Pille danach wirkt bei ca. 0,05% der Frauen nicht, ich gehöre dazu. Ich war im 2. Lehrjahr, mein damaliger Partner hat sofort sehr klar gemacht, dass er die Verantwortung nicht mittragen würde. Mein Frauenarzt war super verständnisvoll
— Pudding-Brummsel (@Puddingbrummse1) September 28, 2020
und war ganz klar auf meiner Seite, aber ich musste ja noch zu der „übergeordnenten Beratungsstelle“. Weil ein 60 Jahre alter Gynäkologe ja unmöglich das Große Ganze sehen kann 🙄 Ich wurde von der Ärztin in der Beratung mit folgenden Worten begrüßt: „Na, beim nächsten
— Pudding-Brummsel (@Puddingbrummse1) September 28, 2020
Mal verhüten wir aber!“ Ich war damals Gott sei Dank recht tough (keine Ahnung wo das heute hin ist) und konterte:“ Das Kondom ist geplatzt, soll ich noch mal rein kommen und wir fangen von vorne an?“ Die ganze „Beratung“ war ein einziges argumentieren und „bearbeiten“ die
— Pudding-Brummsel (@Puddingbrummse1) September 28, 2020
Schwangerschaft nicht abzubrechen. Scheiß egal, wie meine o.g. persönliche Situation aussah, ich sollte doch an das werdende Kind denken. Im nachhinein schüttelt es mich, wie manipulativ die „Dame“ vorging. Ich überblicke das tatsächlich erst jetzt. Jemand, der weniger
— Pudding-Brummsel (@Puddingbrummse1) September 28, 2020
entschloßener gewesen wäre und/oder leichter zu beeinflussen hätte die Schwangerschaft nicht abgebrochen. Ich wäre heute alleinerziehende Mutter, wahrscheinlich Hartz IV, weil keine abgeschlossene Berufsausbildung. Jedenfalls hätte das Kind von Anfang an die Arschkarte im Leben
— Pudding-Brummsel (@Puddingbrummse1) September 28, 2020
gezogen. Vom Vater hätte ich jeden Cent einklagen müssen. Meine Eltern hätten, wenn überhaupt, nur widerwillig unterstützt. Ich habe mir sehr gut überlegt, welche Zukunft ich meinem künftigen Kind geben könnte und habe mich zu dem Zeitpunkt dagegen entschieden.
— Pudding-Brummsel (@Puddingbrummse1) September 28, 2020
Ich hatte Glück, es kam dann nicht mehr zur Abtreibung, es setzten 2 Tage später Blutungen ein. Trotzdem hätte ich es so durchgezogen. Diese Beratungsstellen sind nicht darauf aus, eine Frau umfangreich zu beraten. Sie sind darauf aus, so wenig Abbrüche wie möglich zu buche zu
— Pudding-Brummsel (@Puddingbrummse1) September 28, 2020
führen. Könnten Männer schwanger werden, gäbe es diese Gängelei nicht. Wir haben 2020 Gott verdammt noch mal! Zeit, dass wir Frauen endlich selber über unseren Körper bestimmen können.
— Pudding-Brummsel (@Puddingbrummse1) September 28, 2020
So kommentieren andere User:
Uh wow, das ist hart und ich kann mir vorstellen, wie man sich dabei fühlt.
Ich hatte die Diskussion mit meinem Arzt über die Sterilisation, der genau so blöd argumentierte. Ich fühle mich jedes Mal, wie ein Kind, das nicht selbst entscheiden darf.— Nina 🤟 (@Die_Tante_Nina) September 28, 2020
Ich hatte richtig Glück mit meiner Beratungsstelle. Die Frau hat festgestellt, dass ich sehr klar wirke mit meinem Entschluss und gesagt, wenn ich doch noch irgendwas besprechen möchte oder Fragen habe, ist sie jetzt dafür da. Es war ein sehr kurzes Gespräch. Danke dafür!
— Janina B. (@JB_Sincera) September 29, 2020
Die Beratungsstellen mögen ja mit den besten Absichten unterwegs sein aber ich finde es richtig schlimm, wie mit den betroffenen Frauen umgegangen wird.
Bei einigen Geschichten würde ich sogar von Nötigung sprechen. Es tut mir leid für das, was dir und anderen weiterfahren ist.
— Graf Icker (@Graf_Icker) September 28, 2020
Ich hätte tatsächlich anders entschieden, wenn ich irgendwo Rückhalt bekommen hätte. Da spreche ich aber nur für mich persönlich.
— Pudding-Brummsel (@Puddingbrummse1) September 28, 2020
Ich habe ein paar Fraurn in meinem Umfeld gehabt, die abgetrieben haben. Keine, wirklich keine hat sich die Entscheidung leicht gemacht, sondern sehr bewusst und überlegt getroffen. Keine hätte die „Beratung“ eines Fremden gebraucht.
— Frl Schmitt (@FrlSchmitt) September 29, 2020