Thread: Wenn ich nicht sofort gebremst hätte

Nach jedem Verkehrsunfall steht die Schuldfrage im Raum, auch wenn keine großen Schäden zu beklagen sind. Abgesehen davon stehen die Beteiligten meist unter Schock. Oft so sehr, dass sie dazu neigen, die Verantwortung für den Unfall vorschnell zuzuweisen oder auf den Austausch von Kontaktdaten verzichten. Manche flüchten sogar vom Unfallort, aber das ist eine andere Geschichte. Bei einem Unfall geht nicht immer um Blechschäden am Auto oder um eine Menge Geld, sondern um Menschenleben und die körperliche Unversehrtheit. Natürlich ist es verständlich, dass die Beteiligten versuchen, zu klären, wie es dazu kommen konnte. Wirklich zweifelsfrei kann das aber nur die Polizei oder Gutachter tun, das sollte einem immer klar sein. Jeder, der schon mal in einen Unfall verwickelt war, weiß, wie sich so eine Situation anfühlt. Der Twitteruser @arnebanani hat in dem nun folgenden Thread auf sehr menschliche und ehrliche Weise beschrieben, was in ihm vorging. Aber lest am besten selbst.

Vor etwa 4 Jahren habe ich eine junge Frau angefahren. Sie ist auf die Motorhaube geprallt und dann nach vorn auf den harten Asphalt.
In diesem Moment habe ich nicht über die Schuldfrage nachgedacht. Ich habe auch nicht überlegt, was wohl die Versicherung sagt. Und schon gar
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— What would Hopper do? 🇺🇦 (@arnebanani) November 16, 2022

nicht hab ich über das Auto und die Delle nachgedacht, die womöglich teuer würde.
Was mir durch den Kopf ging war genau das:
Oh mein Gott! Und in Millisekunden zog mein Leben an mir vorbei. Hoffentlich lebt sie. Würde ich je damit leben können, wenn nicht? Und dann war da
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nur Leere. Ich stieg aus, hastete um das Auto. Es war noch dunkel und es regnete in Strömen. Der Bus, hinter dem die 18-Jährige Berufsschülerin hervorschoss und bei Rot über die Ampel hastete, war einfach weiter gefahren. Auch sonst weit und breit kein Mensch, keiner, der
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hätte helfen können. Das Mädchen lag auf der Straße und hatte die Augen geöffnet. Ich sprach sie an. Sie antwortete, alles sei soweit gut und stand langsam und zitternd auf. Sie wollte weiter, meinte, sie sei schon zu spät. Offensichtlich stand sie unter Schock. Sie war
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kreidebleich und zitterte am ganzen Körper. Ich bat sie zu warten und wir setzten uns bei einer überdachten Bushaltestelle hin. Das Auto ließ ich mit Warnblinker einfach stehen. Sie hatte lediglich ein paar kleine Schürfwunden und ihre Jeans war an einer Stelle zerrissen.
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Ich fing an, ihr einfache Fragen zu stellen, weil ich dachte, dass würde helfen. Dann kam die Farbe zurück ins Gesicht, das Zittern hörte auf und ein paar Tränen liefen ihr über’s Gesicht. Am Ende gab ich ihr meine Kontaktdaten und bot ihr an, die Jeans zu bezahlen. Das
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wollte sie nicht. Sie meinte, es sei ganz klar ihre Schuld gewesen, bedankte sich für das Angebot und verschwand in der Dunkelheit. Ich fuhr direkt nach Hause und entschuldigte mich beim Arbeitgeber. Denn jetzt zitterte ich und war nicht in der Lage die 40km Arbeitsweg
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zurückzulegen. Der Tag war im Eimer und ich brauchte ein paar Stunden, um wieder einen klaren Gedanken zu fassen.
Eine Woche später meldete sich die Schülerin und hatte sich überlegt, auf mein Angebot einzugehen. Sehr gerne überwies ich ihr 200€ und freute mich, dass ich
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wenigstens etwas tun konnte. Schuldig fühle ich mich bis heute.
Ab und zu erinnere ich mich an diesen Tag und denke darüber nach, was passiert wäre, wenn ich nicht schon langsam mit 30 km/h gefahren wäre, weil der Linienbus dort stand. Wenn ich nicht sofort gebremst hätte,
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weil ich mit sowas immer rechne. Wenn ich den Abend vorher ein paar Bier getrunken hätte, was meine Reaktion verlangsamt hätte.
Ich komme dann jedes Mal zum Ergebnis, dass es müßig ist. Sondern besser, die Gedanken in konsequentes Handeln umzusetzen.
Heute fahre ich an jedem
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wartenden Bus auf gleiche Weise vorbei, egal ob Linienbus oder Reisebus mit Warnblinker, egal ob Tag oder Nacht, egal ob die Fußgängerampel Rot zeigt:
Sehr langsam, soviel Abstand wie möglich und jedesmal mit der Erinnerung, die mich steuert.
Schon erstaunlich und ein wenig
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traurig, dass man häufig erst aus entstandenem Schaden klug wird und manchmal nicht mal dann. Offensichtlich gehört es zu uns, den Wagen an die Wand zu fahren. Weil wir aus Fehlern anderer, aus den Erfahrungen der Erfahrenen, aus der Geschichte nicht lernen. Weil wir so sind.
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Das sagen andere User:

Ihr habt Ähnliches erlebt? Dann hinterlasst uns doch einen Kommentar und teilt uns euer Erlebnis mit oder tauscht euch mit anderen User*innen aus. Was die Leserinnen und Leser dieses Threads zu sagen hatten, das erfahrt ihr jetzt. Wir haben ein paar der treffendsten Antworten und Reaktionen hier für euch gesammelt:

Wäre in diesem Fall wohl auch angebracht gewesen. Dann gegen den Willen der Frau. Hätte ja noch sein können, dass sie später zusammen klappt. Ich hatte noch ein sehr schlechtes Gewissen bis sie sich gemeldet hat.

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Deshalb Tempo 30 in der Stadt! #VisionZero

— Sabine Crook 🚴‍♀️🐕💉💉💉💉🏥 (@SabineCrook2) November 16, 2022

Uns ist das mit einem Moped passiert, mit 2 Jugendlichen drauf, einer davon ohne Helm. Sie mussten einem Transporter ausweichen, der aus einer Einfahrt herausgefahren war, die Jungs sind ausgewichen und uns seitlich hineingeknallt. Beide danach am Boden gelegen. Es war die Hölle.

— Frau_Freu (@fraufreu) November 16, 2022

Danke für das Teilen. Mir ist so etwas noch nicht passiert, aber nah dran kam ich schon Mal. Ich hoffe das wenn es passieren sollte, das ich ganz rational die Schuld von mir abprallen lassen kann, ohne das es mich belastet, trotzdem bin ich bei Bussen auch immer vorsichtig.

— Daniel Gurney Halleck (@DanGurneyH) November 16, 2022

Ich bin vor genau einem Jahr von einem Autofahrer aus meinem Leben geschossen worden. Es war psychisch extrem belastend für ihn und es tut mir sehr leid, auch wenn er “Schuld“ hatte.

— Taka Tuka Ultrás (@SaintRiverside) November 16, 2022

Ich habe dadurch mein linkes Augenlicht verloren
Die Autofahrerin hatte es eilig, nahm mir Fahrradfahrerin die Vorfahrt und ich flog ungebremst, ohne das ich mich mit den Händen noch hätte abfedern können auf die Straße 😶
Seitdem blind auf dem Auge
Bitte passt auf 🙏

— ♐ IssY🐈🚵💨 (@siefkes_ingrid) November 16, 2022

— Misanthropmitgroßem❤️❤️ (@hasengolf) November 16, 2022

Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit! Passend dazu hätten wir noch das:

Thread: Es kann jeden treffen