Thread: Aus der Sicht eines Rettungsdienstlers

Hier die Schuld bei den Klima-Aktivist*innen zu suchen ist respektlos dem Unfallopfer gegenüber, heuchlerisch, verlogen und hetzerisch.

Wie vergiftet die Debatte um mehr Klimaschutz ist, konnte man in diesem Jahr gleich mehrfach beobachten. Unterm Strich sind es aber die gleichen Mechanismen, die einen Diskurs nahezu unmöglich machen und nur ein Ziel haben: So weit wie nur möglich von den Ursachen der Proteste abzulenken.

Als Fridays for Future vor einigen Jahren in Deutschland startete, framte man sie kurzerhand als verwöhnte Gören und faule, partygeile Schulschwänzer*innen, die erst mal was arbeiten oder lernen sollten, bevor sie ihr Maul aufreißen. Die Verletzung der Schulpflicht diente damals als Aufhänger, den Protest als illegal darzustellen. Die Forderungen der Schüler*innen wurden zudem als zu unkonkret und nebulös delegitimiert. Selbst als sie ziemlich detaillierte Vorschläge präsentierten, war dies immer noch nicht genug. Statt sich auf den Diskurs einzulassen, musste eine verkürzte Darstellung und ein Feindbild her, das sich bis heute gehalten hat. Die Fakten werden so lange verdreht, bis die Gründe und Verursacher des Klimawandels nebensächlich sind. Hauptsache bloß nichts ändern müssen, heißt die Devise. Und dass, wo die Auswirkungen der Erderwärmung sichtbarer sind denn je.

Diese Einstellung hat sich auch auf alle anderen Klimaproteste übertragen. Ob im Hambacher Forst, in Lützerath oder in Museen, wo Kartoffelbrei und Tomatensuppe auf Kunstwerke, defacto aber lediglich gegen Plexiglasscheiben geworfen wurden. Protest bitte nur, wenn er gefällig ist und die Allgemeinheit nicht zu sehr stört, sonst wird daraus sehr schnell eine schwere Straftat oder gar Terrorismus von Politikvertretern und Medien konstruiert. Als gäbe es gar kein Grundrecht darauf. Da spielt es dann am Ende keine Rolle mehr, was wirklich passiert ist, wenn das Feindbild des Störers so schön ins eigene Weltbild passt, dass man seinem Hass freien Lauf lassen kann.

Genau das ist auch vor etwa zwei Wochen passiert, als eine Radfahrerin in Berlin von einem Betonmischer überfahren wurde, während sich rund fünf Kilometer entfernt zwei Klimaktivist*innen auf einem Befestigungsmast der Autobahnbeschilderung festklebten und so einen Stau verursachten. Mit dem Tod des Unfallopfers war das Urteil schnell gefällt: Die bösen Aktivisten hätten den Rettungswagen direkt blockiert, was zum Tod der Radfahrerin geführt haben muss. Eine Erzählung, die sich übrigens seit Beginn der Klebeproteste hartnäckig hält, obwohl bis jetzt kein einziger kausaler Zusammenhang eines konkret blockierten RTW zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte. Und selbst jetzt, wo sowohl die Berliner Feuerwehr als auch die verantwortliche Notärztin in ihren Berichten plausibel dargelegt haben, dass der Protest nichts mit dem Tod der Radfahrerin zu tun hat, wird weiter von Terrorismus und Klima-RAF fabuliert.

Da wir an dieser Stelle auch nur unsere Meinung vertreten, möchten wir lieber jemandem das Wort übergeben, der mit mehr Expertise glänzen kann als wir. Und da kommt der nun folgende Thread des Rettungsdienstlers und Twitterusers @ZiegeJan ins Spiel, der uns und euch ganz nüchtern und sachlich seine Einschätzung der Lage aufgeschrieben hat. Das sollte jeder gelesen haben.

Das sagen andere User:

Man kann zu den Protesten stehen wie man will, wer die Aktivist*innen nach den vorliegenden Fakten aber immer noch für den Tod der Frau verantwortlich macht, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, ein Populist und Diskursvergifter zu sein. Dabei ist doch die viel spannendere Frage, welche Protestform denn am Ende geeignet ist, um auf die Dringlichkeit zum Handeln in der Klimakatastrophe hinzuweisen. Alle bisherigen Aktionen sind ja bislang im Sande verlaufen und das liegt ganz sicher nicht an den Protestierenden. Die tun dies übrigens nicht für sich. Der Vorwurf des Egoismus greift hier also auch nicht. Denn letzten Endes kämpfen sie für die Lebensgrundlage eines jeden von uns. Vielleicht sollte so mancher Gegner da mal drüber nachdenken. Was die Leserinnen und Leser des Thread zu sagen hatten, wollen wir euch natürlich nicht vorenthalten. Deshalb haben wir ein paar der treffendsten Kommentare und Reaktionen hier für euch gesammelt:

Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit! Schaut doch hier noch rein, wenn ihr mögt:

Thread: So werden sie niemanden überzeugen

SCHLIESSEN
Artikel Teilen