Es ist ein trauriger Fakt: Die Lebensform Familie wird immer seltener. Die heutigen Anforderungen im Beruf lassen sich immer schwerer mit der Entscheidung für Kinder und damit für eine Familie vereinbaren. Der Stress der Arbeit und der Stress der Kinderbetreuung gehen meist nahtlos ineinander über. Immer mehr Sachen müssen gleichzeitig erledigt werden. Die Folgen sind Zeitnot, Überforderung, Schlafmangel und ein ziemlich dünnes Nervenkostüm, unter dem die Kinder dann vermutlich auch noch leiden müssen. Die Gründe hierfür sind vielfältig und Ratgeber existieren wie Sand am Meer. Eine Patentlösung gibt es freilich nicht, da hier sehr viele individuelle Anforderungen zusammenkommen. Und dennoch lohnt es sich, einmal genauer hinzuschauen, wo die größten Probleme liegen und wo sich unter Umständen praktikable Lösungen finden lassen. Hier kommt der nun folgende Thread der Twitteruserin @elvira_rosert ins Spiel, die sich die Mühe gemacht hat, ein Gesamtbild der modernen Elternschaft und ihrer Herausforderungen zu zeichnen. Aber lest am besten selbst.
Ein Thread über Stress und warum viele Eltern so viel davon haben.
— Elvira Rosert (@elvira_rosert) October 22, 2022
Stress entsteht bekanntermaßen durch ein Missverhältnis zwischen Zeit und Aufgaben.
Kinderhaben kann auf beide Seiten wirken: das Zeitbudget verringert sich während die Menge an Aufgaben explodiert.
— Elvira Rosert (@elvira_rosert) October 22, 2022
Haushaltsaufgaben werden mehr – die Zeit, die man dafür hat, weniger.
Früher hat man nach der Arbeit eingekauft, den Haushalt geführt, Papierkram erledigt, Sport gemacht, Freunde gesehen, DINGE UNTERNOMMEN.
Nun kümmert man sich nach der Arbeit um die Kinder.
Die anderen Dinge?— Elvira Rosert (@elvira_rosert) October 22, 2022
Tja. Ein Teil geht je nach Art der Aufgabe, Alter und Charakter des Kindes natürlich parallel. Multitasking ist aber nicht schön und auch nicht effizient, erst recht nicht, wenn man ständig Aufgaben unterbrechen muss. Und kindgerecht ist es schon gar nicht.
— Elvira Rosert (@elvira_rosert) October 22, 2022
Weder gehört ein Kind nach 8 Stunden Kita in den Supermarkt (mit 2 und mehr Kindern: living hell) noch ist es für Kinder angenehm, wenn das Elternteil immer noch etwas anderes nebenher machen muss, sei es „nur“ die Spülmaschine ausräumen. Ungeteilte Aufmerksamkeit: pustekuchen.
— Elvira Rosert (@elvira_rosert) October 22, 2022
Einen anderen Teil der Aufgaben kann man einfach nicht mit wachen Kindern machen. So wichtige Dinge wie Steuererklärung, Urlaubsbuchungen, Behördenpost. Das liegt da und wartet bis die Kinder schlafen, wird dann aufs WE geschoben, was absurd ist, weil die Kinder sind ja da.
— Elvira Rosert (@elvira_rosert) October 22, 2022
Zum Thema Schlaf: Manche Kinder sind um 19 Uhr im Bett und schlafen ihre 12 Stunden. Ich weiß es, denn eines von meinen Kindern war als Kleinkind so. Wer so ein Kind hat: Jackpot. Dann ist (fast) alles noch drin abends, von Arbeiten bis Bücher lesen.
— Elvira Rosert (@elvira_rosert) October 22, 2022
Andere Kinder brauchen von Anfang an 2-3 Stunden weniger Schlaf pro Tag. Auch so eines habe ich. Zack, 15-20 Stunden pro Woche weniger für DINGE. Das ist ein halbe Vollzeitstelle.
— Elvira Rosert (@elvira_rosert) October 22, 2022
Noch ein paar Aspekte, die ich schon länger klarstellen wollte:
1. Ein beliebter Tipp ist, Standards herunterzuschrauben. Die meisten denken dabei an Sauberkeit oder dass die Kinder auch mal Cornflakes zum Abendessen essen dürfen und nicht nur frisch gekochtes.
Ha. Hahaha. Haa.
— Elvira Rosert (@elvira_rosert) October 22, 2022
Das ist einfach nicht der Punkt. Klar kann man einige Abstriche machen. Ich glaube, darauf kommen die meisten Eltern recht schnell.
Nur liegt das Problem hier nicht bei der Kür, sondern bei den vielen Pflichten, die einfach nur *irgendwie* zu machen, auch schon zu viel sein kann.— Elvira Rosert (@elvira_rosert) October 22, 2022
Was zum Beispiel? Na zB: Das Geld für die Klassenfahrt *muss* überwiesen werden; wenn das Kind zum Geburtstag eingeladen ist, braucht es ein Geschenk; wenn es nicht mehr in die Gummistiefel passt, müssen andere her. Und zur Zahnärztin geht es besser auch regelmäßig.
— Elvira Rosert (@elvira_rosert) October 22, 2022
2. Großeltern. Sind grundsätzlich eine großartige Sache und eine Riesenhilfe. Eine, die eigentlich alle Eltern bräuchten und gleichzeitig eine, die ihnen in sehr unterschiedlichem Maße zur Verfügung steht. Und oft auch einen Preis hat.
— Elvira Rosert (@elvira_rosert) October 22, 2022
Manche Großeltern leben nicht mehr oder nicht in der Nähe oder sind nicht fit genug. Andere betreuen die Kinder nicht nur im Alltag regelmäßig, sondern nehmen sie zB einfach mal zwei Wochen mit zu sich.
— Elvira Rosert (@elvira_rosert) October 22, 2022
Ob man wenigstens einmal im Jahr solche Wochen oder auch nur Tage hat, ist ein Unterschied ums Ganze.
Das andere Extrem sind Großeltern, die selbst hilfsbedürftig sind – manche Eltern sind dadurch in einer Art Care-Zange.
— Elvira Rosert (@elvira_rosert) October 22, 2022
3. Kein Kind läuft so mit, zumindest nicht dauerhaft, phasenweise natürlich schon. Es gibt Skaleneffekte, logo, aber die Bedingungen zu schaffen, dass sich diese materialisieren, ist auch Arbeit (zB Hobbys, Besuche und Abholzeiten koordinieren).
— Elvira Rosert (@elvira_rosert) October 22, 2022
Dh im Klartext: mehr Kinder = mehr Arbeit. Banale Dinge wie jeden Morgen eine weitere Brotdose, mehr Wäsche, mehr Arzttermine, mehr Freizeittermine, mehr emotionale Arbeit. Oh Gott, und mehr Elternabende und Kindergeburtstage.
— Elvira Rosert (@elvira_rosert) October 22, 2022
4. Ich kann nur von Städten schreiben, weil nur da Erfahrungen, aber die Autozentrierung ist auch eine zeitliche Belastung, weil sie die eigenständige Mobilität der Kinder behindert. Eine gute Verkehrsplanung ermöglicht, dass Kinder alleine Rad fahren, zB zum Hobby.
— Elvira Rosert (@elvira_rosert) October 22, 2022
5. Stress ist weniger eine Frage der Organisation, sondern erst einmal eine objektive Begebenheit, die mit Sorgearbeit einhergeht. Wie stark er ausfällt, hängt von einigen Bedingungen ab, die man beeinflussen kann und anderen, die schlicht Glück sind.
— Elvira Rosert (@elvira_rosert) October 22, 2022
Vor allem aber hängt das Stresslevel von einem Faktor ab: Ressourcen. Sie schaffen Zeit und Entlastung durchs Delegieren an andere. Deshalb lache ich auch nicht über Herrn Lindner, denn seine Vorstellungen dürften mit seinen Ressourcen durchaus realistisch sein. 🐝 🎣🎓
— Elvira Rosert (@elvira_rosert) October 22, 2022
P.S. Ich weiß, dass diese Beobachtungen banal, vorhersehbar, gut erforscht sind und öffentlich diskutiert werden. Trotzdem finde ich es faszinierend, wieviele da erst einmal hineinrennen und dann auch noch denken, sie seien die einzigen, denen es so geht.
— Elvira Rosert (@elvira_rosert) October 22, 2022
P.P.S. Ganz vieles fehlt hier. (Chronische) Krankheiten bei Kindern und Eltern beispielsweise oder Trennungen. Die Erfahrung habe ich nicht, aber man kann extrapolieren. Lösungsansätze fehlen auch, aber die kennt man ja auch aus der öffentlichen Diskussion.
— Elvira Rosert (@elvira_rosert) October 22, 2022
Das sagen andere User:
Habt ihr euch wiedererkannt? Geht es euch auch so? Dann hinterlasst uns doch eine Antwort in unserer Kommentarspalte oder tauscht euch dort mit anderen Eltern aus. Ein paar der treffendsten Antworten und Reaktionen der Leserinnen und Leser haben wir hier für euch gesammelt:
Jaaa und dann geht man abends halt nicht auch um 21Uhr ins Bett weil man doch soooo gerne mal alleine – Ruhe Zeit haben möchte…. und hat dann schwuppsdiwupps nur noch tgl 5-6h Schlaf 😵💫
— Molli (@Molli33077338) October 23, 2022
Was mir bis heute sehr zu schaffen macht, ist das Ausmaß an Fremdbestimmung über Jahre hinweg. Dass man einfach Dinge, die vorher selbstverständlich waren (zb Freunde treffen, essen gehen usw.) nicht mehr so einfach gehen bzw. sehr viel Orga erfordern…
— Natalie Münster (@nati_in_berlin) October 23, 2022
* jede Hilfe annehmen und beinhart ausnutzen. „Super, du kannst 2 Stunden auf Kind aufpassen, ich sperr mich im Nebenzimmer ein und schlaf etwas nach.“
* vernetzen in der direkten Nachbarschaft. Insb bei Einzelkindern wirklich hilfreich.— Magda Katz (@katz_magda) October 23, 2022
Ich muss gerade echt ein paar Tränen verdrücken. Wir haben gerade ein paar wirklich beschissene Tage und Nächte hinter uns und ich bin nur froh, dass mein Mann diese WE frei hat und ich in Elternzeit bin. Trotzdem hängt mir ne riesen ToDo Liste im Nacken und bin einfach fertig.
— Afji123 🌶🐔🐔 (@afji123) October 23, 2022
Stimmt. Urlaub, der keiner ist bzw. von dem man sich erholen muss während man schon wieder arbeitet, stand auf meiner ursprünglichen Liste, aber dann wurde es schon so lang. Auch dass man nicht krank sein kann und Familien-Krankheitsketten eine Riesenbelastung.
— Elvira Rosert (@elvira_rosert) October 22, 2022
Nach 5 Tagen Schule, Kita, Arbeit und Uni war der entspannte Familiensamstag dann Tag der offenen Tür in d Schule, wo K1 Unterricht hatte und K2 Besucherkind war, inkl Kuchenbacken und Co. Sonntag war dann Besuch für K2 hier und K1 zu Gast beim Kindergeburtstag. Erholung? Null.
— JanieBee (@JanieBee10) October 23, 2022
In diesem Zusammenhang auch immer sehr willkommen; Tipps meines kinderlosen Umfelds. Top 1 : Du musst halt Prioritäten setzen. 2. Du machst dir eben auch selbst Stress, wenn du sie zu den Hobbys fährst 3. Können wir uns nicht am Abend/WE treffen, mittags ist so stressig für mich.
— sofia stra (@SStrabis) October 23, 2022
Hatte anfangs schlechtes Gewissen die Kinder in den Ferien auch in Kita oder Betreuung zu bringen „obwohl“ die Kindesmutter die Kinder die Hälfte zu sich holt. Therapeutin meinte, ist doch super. Sie können nicht alle Ferien Urlaub haben. Und sie müssen ja auch mal frei haben.
— TrueLaLa 😷 (@TruellLaLa) October 24, 2022
Das denke ich mir auch – in der Schule z.B. muss man jede Woche essen bestellen, obwohl Ganztag uns essen verpflichtend. Vergisst Du ea in der Frist: Dann vor der Schule essen vorbereiten.
Nur eine Kleinigkeit. Macht echt Stress. Davon gibt es 1000 Beispiele.— *Kadi*ologin.Bee (@Maria8_S) October 23, 2022
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit! Zeit für ein bisschen Entspannung: