Thread: Das muss man der neuen Geschäftsführerin lassen
Laut Statistischem Bundesamt waren Arbeitnehmende in Deutschland im Jahr 2019 durchschnittlich 10,9 Arbeitstage krankgemeldet. Im Regelfall muss der oder die (gesetzlich versicherte) Angestellte dafür in einer Arztpraxis vorstellig werden und bekommt dort die sogenannte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) zur Vorlage bei der Arbeitsstelle und der Krankenkasse. Da sich dieser Vorgang in der Regel in etwa so aufwendig gestaltet, wie er klingt, macht es außerdem Sinn, Vorgesetzte beziehungsweise Mitarbeitende knapp und direkt vom temporären Ausbleiben zu informieren. Danach heißt es: ab ins Bett und auskurieren. So weit die Theorie.
Was bei diesem sehr deutsch anmutenden Prozess vernachlässigt wird, ist die emotionale Komponente. Das schlechte Gewissen gegenüber den Kolleginnen und Kollegen, Scham und Schuldgefühle, die wir einer Kultur zu verdanken haben, die das Individuum in erster Linie durch seine Arbeitskraft definiert. Ihr wisst schon: Sag mir, was du tust, und ich sag dir, wer du bist. Dabei haben Vorgesetzte selbstverständlich kein Recht, Druck auf kranke Mitarbeiter*innen auszuüben. Doch die Praxis sieht für viele Angestellte ganz anders aus. Man kann es Twitteruserin @LovingtheBeast also nicht wirklich verübeln, dass sie zunächst einmal skeptisch war, als die neue Geschäftsführerin persönlich vom Krankenstand informiert werden wollte. Wait for it …
Eins muss man der neuen Geschäftsführerin lassen:
Als ich mich Grad krank melden wollte sagte mein Teamleiter wir müssen uns jetzt direkt bei der Geschäftsführung krank melden.
Ich nahm an es diene dazu mehr Druck zu machen.
Rief also an und hab die GF gefragt,— Liebe Lilo (sie/ihr) (@LovingtheBeast) August 23, 2022
Ob wir uns wirklich direkt bei ihr krank melden sollen. Sie sagte das stimme. Ihr seid mehrfach zu Ohren gekommen, dass Teamleiter Mitarbeiter unter Druck setzen krank zur Arbeit zu kommen. Das wolle sie verhindern.
Und sie hat mir eine gute Besserung gewünscht. Als einzige.
— Liebe Lilo (sie/ihr) (@LovingtheBeast) August 23, 2022
Da schließen wir uns an
Oh, nach anfänglichem „Auweia“ (beim Lesen) hat sich das ja zum Guten gewendet!!
Tolle Geschäftführerin!!
Und auch unbekannterweise alles, alles Gute und schnelle Besserung! 💐🙏🏻— Marion Mehl 🇺🇦 (@maiox0204) August 23, 2022
Wann ist das endlich Normalzustand?
👀 meine Chefin würde mich garnicht reinlassen wenn ich krank zur Arbeit komme. Finde ich gut das sie den Druck bei euch rausnehmen will ✌️
— Leiler (@Patratorleiler) August 23, 2022
Wenn man die Maske der Kollegialität abnimmt, lauert dahinter oftmals emotionale Erpressung
Da komm mal zu uns. Der Chef ruft selber jede Woche einmal an um zu fragen, ob man wirklich krank ist, was man habe, und wann man endlich mal wiederkomme. Die anderen Kollegen sind jetzt schließlich alleine.
— Der Erzgebirger (@rdiger1968) August 23, 2022
Vielleicht wegen Vorgesetzten wie dem oben genannten?
Ich finde es erschreckend wie das „Team“ teilweise feindlich auf Krankmeldungen reagiert. Habe mich gestern krank gemeldet und fühlte mich schlecht.. warum ist das so?
— Louyana#25 (@25Loyana) August 23, 2022
Dies ist ein Safe Space
Eine ganz tolle neue Geschäftsführerin hast du da und gute Besserung!
Als Vertriebsleiter vor über 10 Jahren, habe ich kranke Mitarbeitende auch immer direkte nach Hause geschickt. Anfangs waren alle darüber sehr verwundert, dem Arbeitsklima tat es später aber megagut.
— Jan Hamisch (@JanHamisch) August 23, 2022
Schau an, da hat der Markt mal geregelt
Ich wurde mit Magen-Darm-Virus mal gebeten zu kommen (und alleine den Laden zu schmeißen) – „Die Kunden wissen dann ja nicht mehr, wo sie es herhaben“. Die Bude ist mittlerweile pleite 🙃
— a.sleep💤 (@hyggepunk) August 23, 2022
Wir müssen über die Vorbildsfunktion sprechen!
War bei meinem neuen Arbeitgeber auch überrascht. Hab gesagt, ich kann ja (war eh Homeoffice) an den Meetings teilnehmen. Nein, krank ist krank und ich solle mich erholen. Ich hoffe, dass mehr Arbeitgeber das langsam kapieren. Glückwunsch zu Deiner Vorgesetzten ☺️
— Steffi (@stfn_r) August 23, 2022
So nämlich
Ist doch mal ein gutes gutes Beispiel dafür, wie ein Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht nachkommt.
NACHAHMENSWERT. Menschen sind Menschen und keine Kostenstellen!— Zaubergarten (@aus_ton) August 23, 2022
Dass unsere „Leistungsgesellschaft“ sich ernsthaft mit krankenden Vorstellungen zur Ersetzbarkeit auseinandersetzen muss, scheint eins der vielen Themen zu sein, die Christian Lindner (FDP) nicht auf dem Schirm hat: