Relotius: Geschichten – Zu schön, um wahr zu sein
Der gestrige Tag war ein denkwürdiger Tag. Für den Journalismus im Allgemeinen und für den SPIEGEL im Besonderen. Ein Reporter aus dem eigenen Haus hat im großen Stil seine Geschichten manipuliert, teils gar frei erfunden. Nach internen Recherchen ging der SPIEGEL gestern nun offensiv an die Öffentlichkeit. Der betroffene Reporter, der vielfach ausgezeichnete Claas Relotius, hat die Vorwürfe mittlerweile eingestanden, zahlreiche Fälschungen zugegeben und den SPIEGEL nach sieben Jahren bereits verlassen.
Rückblick: Am 3. Dezember diesen Jahres erhält der Journalist Relotius den Deutschen Reporterpreis 2018. Für die beste Reportage des Landes. Für eine Reportage über einen syrischen Jungen, die in die Zeit passt. Die jedoch in großen Teilen erdacht und erfunden war.
Das ganze Ausmaß der Geschichte wird sich wohl erst in den nächsten Tagen und Wochen offenbaren, doch bereits heute steht fest: Der Fall Relotius wirft in Zeiten von „Fake-News“ und fast täglichen Lügenpresse-Vorwürfen aus diversen Ecken ein denkbar schlechtes Licht auf den Journalismus und seine Akteure.
So ging der SPIEGEL gestern an die Öffentlichkeit:
Ein Reporter des SPIEGEL hat in großem Umfang eigene Geschichten manipuliert. Durch interne Hinweise und Recherchen erhärtete sich in den vergangenen Tagen der Verdacht gegen Claas Relotius. Auch andere Medien könnten betroffen sein. https://t.co/ZM7KmCXHdW
— DER SPIEGEL (@derspiegel) December 19, 2018
Juan Moreno – ein Kollege von Claas Relotius – hat die Manipulation(-en) aufgedeckt:
Reporter des Jahrzehnts: Juan Moreno
— Florian Gathmann (@FlorianGathmann) December 19, 2018
#1:
Ich habe tausend Fragen zum Thema #Relotius.
Hier die Wichtigste: Hat Merkel die Systempresse doch nicht mehr im Griff? Darf da etwa doch jeder schreiben, was er will?
— Mariella aka GMTK (@giannamariella) December 19, 2018
#2:
https://twitter.com/janboehm/status/1075386380140847105
#3:
Wir mussten bei allen Reportagen im Bewerbungsprozess an der Journalistenschule die Kontaktdaten aller Protagonisten abgeben. Und da wurde angerufen. #Relotius ist kein "junge Journalisten"-Problem.
— Julia Kopatzki (@JuliaKopatzki) December 19, 2018
#4:
Der Fall #relotius sagt auch etwas über einen Journalismus aus, in dem sogenannte „Geschichten“ als Leitwährung gelten. Die Wirklichkeit liebt es nicht, sich als „Geschichte“ zu präsentieren, dafür ist sie nämlich meist viel zu banal. Ist aber offenbar schwer zu akzeptieren.
— Reinhard Bingener (@RBingener) December 19, 2018
#5:
"Er (#relotius) bedient sich aus Bildern, aus Facebook-Posts, YouTube-Videos, er fleddert alte Zeitungen, entlegene Blogs, (…) Splittern und Fetzen."
Oder wie man an deutschen Unis sagt: Wissenschaftliches Arbeiten.
— Tommi Schmitt (@TommiSchmitt) December 19, 2018
#6:
Bei der BILD versteht man die Aufregung nicht. #Relotius
— 𝚐𝚊𝚕𝚕𝚎𝚗𝚋𝚒𝚝𝚝𝚎𝚛 (@gallenbitter) December 19, 2018
#7:
„Herr #Relotius, möchten Sie ein Wasser?“
„Gern!“
„Wir hätten Sodenthaler, Vittel, Rhönsprudel…“
„Ach, ich lege eigentlich keine großen Wert auf Quellen!“
— Thomas Poppe (@DerPoppe) December 19, 2018
#8:
Ab sofort echte Geschichten einfach mit einem blauen Haken kennzeichnen. @DerSPIEGEL
— Markus Hennig (@MarkusSuedwitz) December 19, 2018
#9:
"Ich dachte die ganze Zeit, ich schreibe für die BILD": Claas #Relotius entschuldigt sich bei SPIEGEL für das Missverständnis
— Der Gazetteur (@dergazetteur) December 19, 2018
#10:
Der einzige Reporter, dem ich noch glaube, ist Jumbo Schreiner. #relotius
— Tommi Schmitt (@TommiSchmitt) December 19, 2018
#11:
Weiterer Betrugsfall nach #Relotius beim SPIEGEL? Ehemalige Insiderin Tanit K. outet “ranghohen” BILD-Mitarbeiter Julian R., der regelmäßig stark vereinfachte, falsch dargestellte und teilweise frei erfundene Geschichten verbreitet haben soll.
— Der Gazetteur (@dergazetteur) December 19, 2018
#12:
Was jetzt als für ein Gewese um den Betrugsfall beim Spiegel in Sachen #Relotius machen. 🙄 Wir decken hier fast täglich auf, wie @Der_Postillon sich Geschichten zusammenfantasiert, das war dem @DerSPIEGEL noch nie ne Headline wert. 😡
— Postillleaks (@postillleaks) December 19, 2018
#13:
Ich weiß. Keine Namenswitze. Aber ich denke schon den ganzen Tag, dass „Claas Relotius“ wie ein Zauberspruch aus Harry Potter klingt.
— Peter Wittkamp (@diktator) December 19, 2018
#14:
Ich kann mich aber nicht erinnern, dass ein Medium einen derartigen internen Super-Gau je so vorbildlich und transparent selbst öffentlich gemacht hat wie der SPIEGEL mit dieser Geschichte.
— Armin Wolf (@ArminWolf) December 19, 2018
Doch es geht nicht nur um den Betrug am Leser, sondern eben auch um den verursachten Schaden an den Journalisten-Kollegen:
Bin selbst Reporter und recherchiere weltweit. Muss mich messen mit Kollegen im Kampf um Exklusivität, Schönschreibe etc.. Und dann kommt da einer und denkt sich was Besseres einfach aus. Sahnt Preise ab, kassiert fette Honorare, lässt sich feiern. Schlichtweg asozial. #relotius
— Tim Röhn (@Tim_Roehn) December 19, 2018
Habe 2017 als @DerSPIEGEL-Redakteur gearbeitet. Kollegen aus der Dokumentation checkten jedes verdammte Wort, korrigierten gar Temperaturangaben. Absolute Profis. Der Betrug an diesen Leuten, den #Relotius begangen hat, ist genauso schlimm wie der am Leser.
— Tim Röhn (@Tim_Roehn) December 19, 2018