Klarnamenpflicht: AKK und das Märchen vom anonymen Internet

Chris Schröder 12.06.2019, 8:42 Uhr

Das Verhalten der Union und ihrer Vorsitzenden wird immer absurder. Nicht nur, dass es inhaltlich so gut wie keine Annäherung an ihre Kritiker gibt, nach Julia Klöckners Nestlé-Ausrutscher ist die Union anscheinend zum offenen Krieg gegen die Nichtwähler übergegangen. Kritik ist gleich Hasssprech und Shitstorm. Und so forderte AKK in der „Bild am Sonntag“ eine Klarnamenpflicht im Internet.

Meinungen müssten reguliert werden, ja AKK geht sogar so weit, zu behaupten, die Netiquette müsste neu verhandelt werden, weil es keine verbindlichen Regeln im Internet gibt. Als Beispiel nannte sie den Fall des ermordeten Unionspolitikers Walter Lübcke, um ein wenig von der eigenen Befangenheit abzulenken. Kramp-Karrenbauer will wissen, wer hinter Hass-Kommentaren im Netz steckt. Das ist per se nichts Falsches, aber auch kein Argument das Märchen vom rechtfreien Raum „Internet“ zu wiederholen, als würde es das NetzDG, die DSGVO oder das StGB gar nicht geben. Denn, liegt ein rechtlicher Verstoß vor, lässt sich die Identität der Verursacher sogar relativ einfach aufdecken. Unter dem Deckmantel die Debattenkultur verbessern zu wollen, verspricht sich AKK natürlich weniger offene Kritik am Kurs der Union. Das hat ihr kopfloser Umgang mit Rezos Video „Die Zerstörung der CDU“ gezeigt.
Seit Jahren ist klar, dass eine Klarnamenspflicht gegen Hatespeech unwirksam ist und der demokratischen Ordnung eher schadet als nützt. Und auch jetzt warnen Digitalverbände und Datenschützer wieder vor einer solchen Regelung. Die CDU-Vorsitzende hatte sich zwar in ihrem „Bild am Sonntag“-Interview zunächst für Meinungsfreiheit ausgesprochen, ihre Aussage im Folgesatz mit einem großen „ABER“ praktisch widerlegt.
Natürlich ist sie nicht die erste und wird auch nicht die letzte Politikerin sein, die Klarnamenspflicht im Internet fordert. Der Spitzenkandidat der CSU, Manfred Weber, positionierte sich im Europawahlkampf ebenfalls gegen Anonymität im Netz. Der Zeitpunkt der Forderung offenbart jedoch AKKs Führungsschwäche. Während potentielle Wähler jetzt Lösungen für Probleme erwarten, zündet die Vorsitzende eine Nebelkerze nach der anderen. Die Doppelmoral ist dabei für alle offensichtlich, schließlich blockiert die CDU seit Jahren ein Lobbyregister und damit ihre eigene Transparenz.
Jeder weitere Vorstoß in diese Richtung wird nur eines bewirken: Wahlkampfhilfe für die Grünen. Dass AKK das verstanden hat, darf jedoch stark bezweifelt werden. Für sie ist das Internet Angela Merkels Neuland, dem sie gerne die saarländische Ordnung überbügeln möchte. Die CDU täte gut daran, sich eine neue Vorsitzende zu suchen, die in Sachen Digitalkompetenz schon im 21. Jahrhundert angekommen ist. Ganz abgesehen davon, dass wir eigentlich ganz andere Probleme haben.
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