Klarnamenpflicht: AKK und das Märchen vom anonymen Internet
Das Verhalten der Union und ihrer Vorsitzenden wird immer absurder. Nicht nur, dass es inhaltlich so gut wie keine Annäherung an ihre Kritiker gibt, nach Julia Klöckners Nestlé-Ausrutscher ist die Union anscheinend zum offenen Krieg gegen die Nichtwähler übergegangen. Kritik ist gleich Hasssprech und Shitstorm. Und so forderte AKK in der „Bild am Sonntag“ eine Klarnamenpflicht im Internet.
Meinungen müssten reguliert werden, ja AKK geht sogar so weit, zu behaupten, die Netiquette müsste neu verhandelt werden, weil es keine verbindlichen Regeln im Internet gibt. Als Beispiel nannte sie den Fall des ermordeten Unionspolitikers Walter Lübcke, um ein wenig von der eigenen Befangenheit abzulenken. Kramp-Karrenbauer will wissen, wer hinter Hass-Kommentaren im Netz steckt. Das ist per se nichts Falsches, aber auch kein Argument das Märchen vom rechtfreien Raum „Internet“ zu wiederholen, als würde es das NetzDG, die DSGVO oder das StGB gar nicht geben. Denn, liegt ein rechtlicher Verstoß vor, lässt sich die Identität der Verursacher sogar relativ einfach aufdecken. Unter dem Deckmantel die Debattenkultur verbessern zu wollen, verspricht sich AKK natürlich weniger offene Kritik am Kurs der Union. Das hat ihr kopfloser Umgang mit Rezos Video „Die Zerstörung der CDU“ gezeigt.
Seit Jahren ist klar, dass eine Klarnamenspflicht gegen Hatespeech unwirksam ist und der demokratischen Ordnung eher schadet als nützt. Und auch jetzt warnen Digitalverbände und Datenschützer wieder vor einer solchen Regelung. Die CDU-Vorsitzende hatte sich zwar in ihrem „Bild am Sonntag“-Interview zunächst für Meinungsfreiheit ausgesprochen, ihre Aussage im Folgesatz mit einem großen „ABER“ praktisch widerlegt.
Natürlich ist sie nicht die erste und wird auch nicht die letzte Politikerin sein, die Klarnamenspflicht im Internet fordert. Der Spitzenkandidat der CSU, Manfred Weber, positionierte sich im Europawahlkampf ebenfalls gegen Anonymität im Netz. Der Zeitpunkt der Forderung offenbart jedoch AKKs Führungsschwäche. Während potentielle Wähler jetzt Lösungen für Probleme erwarten, zündet die Vorsitzende eine Nebelkerze nach der anderen. Die Doppelmoral ist dabei für alle offensichtlich, schließlich blockiert die CDU seit Jahren ein Lobbyregister und damit ihre eigene Transparenz.
Jeder weitere Vorstoß in diese Richtung wird nur eines bewirken: Wahlkampfhilfe für die Grünen. Dass AKK das verstanden hat, darf jedoch stark bezweifelt werden. Für sie ist das Internet Angela Merkels Neuland, dem sie gerne die saarländische Ordnung überbügeln möchte. Die CDU täte gut daran, sich eine neue Vorsitzende zu suchen, die in Sachen Digitalkompetenz schon im 21. Jahrhundert angekommen ist. Ganz abgesehen davon, dass wir eigentlich ganz andere Probleme haben.
Wir haben uns auf Twitter umgesehen und die treffendsten Tweets für euch gesammelt.
#1:
Frau @akk, wer #Klarnamenpflicht fordert, sollte erstmal selbst transparent sein. Die @CDU blockiert seit Jahren ein #Lobbyregister. Bürger*innen wollen wissen, welche Lobbyisten in welchem Umfang Einfluss auf Politiker*innen und deren Gesetzgebung ausüben https://t.co/o6mDU4iv8z
— Claudia Sommer (@csommer) June 10, 2019
#2:
#Akk möchte wissen, wer im Netz hinter Hetze steckt und fordert #Klarnamenpflicht.
Ich möchte wissen, wer im Bundestag hinter Lobbypolitik steckt und fordere #Lobbyregister. Quasi die Klarnamenpflicht für #Nestle.
— Volksverpetzer (@Volksverpetzer) June 11, 2019
#3:
AKK fordert #Klarnamenpflicht im Internet. Heißt das etwa, man muss in Zukunft jedes Mal, beim Vergleich der 'Ehe für alle' mit Inzest und Polygamie, bei Witzen über Minderheiten und bei der Zerstörung der CDU, 'Annegret Kramp-Karrenbauer' komplett ausschreiben?
— Kaffeecup (@kaffeecup) June 9, 2019
#4:
https://twitter.com/iBlali/status/1137737314883571712
#5:
Wem eine Klarnamenpflicht bei Bürgern gar nicht schnell genug gehen kann, während er sich bei Staatsbediensteten wie Polizisten mit Händen und Füßen dagegen wehrt, ist vielleicht gar nicht so der vertrauenswürdige Vertreter des Rechts, als dass er gerne gesehen werden würde.
— Marco Fuchs (@MarcoFuchs74) June 10, 2019
#6:
Ein bisschen witzig ist das schon, dass die Forderung nach #Klarnamenpflicht von einer Partei kommt, die sich in den 1990ern Jahren durch illegale Spenden finanzierte und dazu bis heute nicht die Namen nennt.
— Jens Ohlig (@johl) June 10, 2019
#7:
AKK: Freie Meinungsäußerung nur gestatten, wenn sie Pro-CDU ist.
Alle: 😡
Union: Smart Home Daten vor Gericht nutzen.
Alle: Äh..
Klöckner: Übrigens: Ich liebe #Nestle!
AKK: Wir brauchen die #Klarnamenpflicht im Internet!
Alle: 😡🤬
Union: Wieso wählt uns niemand mehr? 😭
— Don Sebo (@_don_sebo) 9. Juni 2019
#8:
Sollte jemals eine #Klarnamenpflicht beschlossen werden, würde ich es mir überlegen, aus diesen Projekt auszusteigen.
Warum?
Dieser Account beschäftigt sich (auch) mit Rechtsextremismus.
Ich habe eine Verantwortung meiner Familie gegenüber. /TN #AKK #CDU #Verfassungsfeinde— UnionWatch (@watch_union) June 9, 2019
#9:
Seit Jahren fordern wir mehr #Transparenz und Ende der #Anonymität bei #Parteispenden und die #CDU blockiert alles. Kaum macht die #CDU "das #Internet" für ihr Wahldebakel verantwortlich, will sie #Klarnamenpflicht, aber nur im Netz versteht sich.
— Bernd Riexinger (@b_riexinger) June 10, 2019
#10:
Wird das schön ruhig hier. #Klarnamenpflicht
— Die PARTEI (@DiePARTEI) June 11, 2019
#11:
Eine #Klarnamenpflicht im Internet?
– CDU und AfD Parteispendernamen sind geheim
Vielleicht fangen wir genau da mal mit Transparenz an?
— KellyFornia (@KellyForniaStar) June 9, 2019
#12:
Annegret Kramp-Karrenbauer fordert #Klarnamenpflicht im Internet. #China, #Iran und #Nordkorea gefällt das. Die haben damit beste Erfahrungen gemacht.
— BR_quer (@BR_quer) June 10, 2019
#13:
#Klarnamenpflicht fordern aber:
– #Monsanto Bericht bleibt der Öffentlichkeit verborgen
– kein #Lobby Register erstellen
– Treffen mit der Industrie im geheimen
– keine Sperrfristen für Wechsel in die Wirtschaft.Eine merkwürdige Auffassung zur #Transparenz liebe @CDU
— Evidenz (@Evidenz2) June 10, 2019
#14:
Falls jemand die #Klarnamenpflicht einführen will sei gesagt, unsere Seite würde umgehend den Betrieb einstellen!
– Wir sind aufgrund von Morddrohungen dazu gezwungen im Hintergrund zu verbleiben. Auch wir haben Familien!
– #AfD würde gegen uns Klagen erheben!#NoAfD— Gegen_die_Alternative_für_Deutschland (@Gegen_die_AfD) June 9, 2019
#15:
Statt #Klarnamenpflicht bitte erstmal Polizei und Justiz personell aufstocken, damit die ganzen Hetzer, die unter Klarnamen kommentieren – und das sind die meisten – ein Verfahren bekommen. Schreckt ab und demonstriert einen Rechtsstaat der Bürgerrechte nicht einschränkt. #AKK
— Ann Cathrin Riedel (@anncathrin87) June 9, 2019
#16:
AKK: "Ich bin für Meinungsfreiheit. Aber […]"
Kommt euch diese Argumentationsstrategie bekannt vor? Fehlt eigentlich nur noch ein "Das wird man ja wohl noch sagen dürfen" am Ende.
— Nicht Chevy Chase (@DrWaumiau) June 11, 2019
#17:
Diese #CDU, die jetzt laut ruft und die #Klarnamenpflicht fordert, weil sie z.B. wissen will wer @Rezo ist, ist auch die CDU, die seit Jahrzehnten ein Lobbyregister verhindert nach dem die Menschen laut rufen!@akk #Lobbyismus
— Enavigo (@enavigo) June 9, 2019
#18:
Es gibt so viele gute Argumente gegen die Klarnamenpflicht im Netz, weltweit. Sie wurden schon 300 Mal gesagt, aber offensichtlich noch nicht oft genug. ich empfehle an dieser Stelle diesen Text von @Frau_Horchert aus dem Mai. https://t.co/kVFI1JTWrk
— Eva “Ich bin sehr müde” Horn (@habichthorn) June 10, 2019
#19:
Hat @akk eigentlich schon gefordert, die geheimen Wahlen abzuschaffen, damit sie genau sehen kann, wer die CDU nicht gewählt hat? #Klarnamenpflicht
— Paro (@Parocatha) June 9, 2019