Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) befürwortet die Pläne der Bundesjustizministerin Lambrecht (SPD) – die übrigens gegen eine Klarnamenpflicht ist- stärker gegen Hass im Netz vorzugehen und forderte in der BILD am Sonntag eine Pflicht zu Klarnamen in Sozialen Netzwerken. Regeln und Werte der analogen Welt, müssten nach seiner Auffassung auch in der digitalen Welt gelten. Anonymität passe dazu überhaupt nicht.
Klingt bekannt? Ihr irrt euch nicht! Es ist noch nicht mal ein Jahr her, da zündete diese Nebelkerze bereits die CDU-Parteivorsitzende AKK nach dem Zerstörungsvideo von Rezomusik. Herr Schäuble war da auch schon mit von der Partie. Doch die Forderung gibt es deutlich länger. Spannenderweise wird sie von Mitgliedern der Partei gefordert, die anonyme Großspender verschwiegen hat, schwarze Kassen führte und die Einführung eines Lobbyregisters blockiert.
In Deutschland existiert übrigens mit § 13 Abs. 6 des Telemediengesetzes eine Rechtsvorschrift, die den Klarnamenzwang bei Telemedien verbietet, wenn dies technisch möglich und zumutbar ist. Der BGH hatte außerdem bereits vor fast 11 Jahren ein entsprechendes Grundsatzurteil gefällt. Damals ging es um ein Portal, auf dem Schüler anonym ihre Lehrer bewerten konnten, das sogenannte „Spick mich“-Urteil. Das Berliner Landesgericht kippte 2018 sogar den Klarnamenzwang bei Facebook in weiten Teilen.
Mal abgesehen von den zugrunde liegenden Rechtsvorschriften und Urteilen, braucht man doch nur nach China, Iran oder Nordkorea zu schauen, um zu wissen, dass diese Forderung von Herrn Schäuble eine ziemlich blöde Idee ist, die die freie Meinungsäußerung und damit das Grundgesetz beschneidet. Und wem das zu weit weg ist, der überlegt vielleicht noch mal, was allein im letzten Jahr hier passiert ist. Wir wissen, von Fällen, dass Polizei und andere Staatsorgane von rechtsextremen Gruppierungen unterwandert sind, die gern Listen erstellen, Morddrohungen verschicken und sich auf Tag X vorbereiten. Aber es gibt noch viele andere Gründe, warum man im Netz anonym bleiben möchte. Manchmal sind sie auch einfach persönlicher Natur.
Zu guter Letzt noch der Hinweis, dass es sehr wohl ausreichende Möglichkeiten zur Identifizierung im Netz gibt. Die entsprechenden Gesetze und Vorschriften sind vorhanden. Man muss sie nur durchsetzen. Dass es dabei Hürden gibt, dient allein dem Schutz vor Willkür und Beschneidung der Grundrechte.
Das sieht auch die große Mehrheit der Twitteruser so. Wir haben für euch die treffendsten Tweets zum Thema zusammengetragen.
#1:
#Schäuble möchte wissen, wer im Netz hinter Hetze steckt und fordert #Klarnamenpflicht.
Ich möchte wissen, wer im Bundestag hinter Lobbypolitik steckt und fordere #Lobbyregister. Quasi die Klarnamenpflicht für #Nestle.
— Volksverpetzer 🇪🇺🇺🇦🏳️🌈 (@Volksverpetzer) January 12, 2020
#2:
Klar, Kriminelle nutzen die Anonymität im Internet zu ihrem Vorteil, aber wisst ihr was sie auch zu ihren Vorteil nutzen?
Richtig, STRAßEN!
Ohne Straßen könnten sie garnicht vom Tatort entkommen!!
Verbietet Straßen!#Klarnamenpflicht— Rick Garrido (@RickGPunkt) January 13, 2020
#3:
Wer #Klarnamenpflicht im Netz fordert versteht offensichtlich nicht was man heutzutage alles an handfesten Drohungen bekommt, wenn man sich als Frau öffentlich gegen die AfD positioniert.
— Katharina Nocun (@kattascha) January 13, 2020
#4:
Wer eine #Klarnamenpflicht im Netz fordert, hat das Internet nicht verstanden. Auch in der analogen Welt muss niemand mit einem Namensschild rumlaufen.
Anonymität sichert die freie Meinungsäußerung – egal wie unbequem sie ist. Es gibt bessere Wege, um mit Hass im Netz umzugehen.— Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (@sls_fdp) January 13, 2020
#5:
Dafür, dass die #Klarnamenpflicht damit begründet wird, dass die Regeln der analogen Welt auch für die digitale gelten müssten, sehe ich in meinem Alltag erstaunlich wenig Leute mit einem Namensschild um den Hals durch die Stadt laufen.
— Philipp Türmer (@PhilippTuermer) January 12, 2020
#6:
Klarnamenpflicht 🙂 pic.twitter.com/GCuoNeS3at
— erzaehlmirnix (@erzaehlmirnix) January 13, 2020
#7:
Schäuble will Klarnamenpflicht im Netz, ich will Klarnamenpflicht in der Apotheke.
Apis mellifica D12: Honigbienen-Placebo
Belladonna D12: Tollkirschen-Placebo
Mercurius sol. C30: Quecksilber-Placebo
Blatta orientalis C30: Kakerlaken-Placebo
Excrem. caninum C30: Hundekot-Placebo— Dr. Christian Lübbers (@drluebbers) January 13, 2020
#8:
Schäuble fordert Klarnamenpflicht im Netz. Netz fordert Klarnamenpflicht bei Geldkoffern.
— Peter Wittkamp 🇺🇦 (@diktator) January 13, 2020
#9:
https://twitter.com/theNeo42/status/1216475710098939909
#10:
Klarnamenpflicht: Oder, wenn die Person, die ihre Depressionen, in einem Selbsthilfeforum, mit dem Mobbing am Arbeitsplatz in Verbindung bringt, noch wegen Geschäftschädigung abgemahnt werden kann.
Das wird voll super.
— Mela Eckenfels (@Felicea) January 11, 2020
#11:
Wer #Klarnamenpflicht fordert, um den Hass zu stoppen, der wird nicht anonyme Hetzer enttarnen, die Frauen, Andersdenkende, PoC und trans Personen bedrohen.
Der zeigt Hetzern mit Klarnamen, wer Frauen, Andersdenkende, PoC und trans Personen sind und wo sie wohnen.
— Volksverpetzer 🇪🇺🇺🇦🏳️🌈 (@Volksverpetzer) January 13, 2020
#12:
Schäuble fordert eine #Klarnamenpflicht? Gute Idee Wolle, dann Beginn doch mal die Spender der schwarzen Kassen zu nennen. Danach die der Lobbyisten im Bundestag und danach können wir ja deinen Vorschlag diskutieren…
— Tietmark (@tietmark) January 12, 2020
#13:
Wolfgang Schäuble fordert #Klarnamenpflicht im Internet. China, Iran und Nordkorea gefällt das. Die haben damit beste Erfahrungen gemacht.
— BR_quer (@BR_quer) January 13, 2020
#14:
Müssten wir im Falle einer #Klarnamenpflicht etwa offenlegen, dass wir eigentlich
Arbeitsgemeinschaft
Rechthaberischer
Twitter-
Enthusiastenheißen? 😱
— ARTE (@ARTEde) January 13, 2020
#15:
#Klarnamenpflicht im Internet soll also vor strafbaren Aussagen schützen.
Ähnliches funktioniert ja schon im Straßenverkehr: seitdem die Autos Nummernschilder haben wird nie zu schnell gefahren, oder gar betrunken, noch wird 1 Auto als Waffe genutzt.
Oh, wait..
— Dicklinde *OFFICIAL* (@fatherfucker666) January 13, 2020
#16:
Wolfgang Schäuble möchte wissen, wer im Netz hinter Hass und Hetze steckt und fordert deswegen eine Klarnamenpflicht.
Lieber Wolfgang, schau doch mal bei den offiziellen Vertretern von AfD und WerteUnion vorbei. Dafür brauchst du auch keine Klarnamenpflicht.🙃
— Nicht Chevy Chase (@DrWaumiau) January 13, 2020
#17:
Weil es jetzt wieder eine Debatte über #Klarnamenpflicht gibt:
Hasskommentare kommen nicht nur von anonymen Accounts. Teilweise bekomme ich die krassesten Bedrohungen von Profilen mit Klarnamen und Profilbildern mit Labrador und Kleinkind im Arm.
— Ricarda Lang (@Ricarda_Lang) January 13, 2020