Thread: Wo Freiheit und Würde am Atemschlauch hängen – So läuft es auf der Intensivstation
Ja, auch bei uns hat sich längst eine gewisse Corona-Müdigkeit eingestellt. Ganz ehrlich: Wir sind das Thema genauso leid wie wahrscheinlich alle anderen auch. Die astronomisch steigenden Infektionszahlen, die zähe Angst um vorerkrankte oder ältere Angehörige, die trotz monatelanger Ansage fehlenden Konzepte für Schulen und Kitas, das populistische Gepolter und die gleichzeitig offenkundige Ohnmacht der Politik, die hilflose Wut über die Arbeitsbedingungen in der Pflege. Und vor allem das praktisch ununterbrochene Kopfschütteln über diesen schrillen, kurzsichtigen, beschämenden Klüngel, der diese Pandemie trotz aller Erkrankten und Verstorbenen, trotz Fakten, Schulbildung und angeborener Vernunftbegabung einfach nicht ernst nimmt. Dabei stellt genau dieser Personenkreis eine Gefahr für das individuelle Menschenleben dar und sprengt außerdem das kollektive Gemeinschaftsgefühl einer ganzen Gesellschaft.
Ja, Corona nervt! Aber wir sind Erwachsene, die sich Themen stellen und nicht die Hände vors Gesicht schlagen und ernsthaft glauben sollten, dass die Viren uns nicht finden, weil wir sie nicht sehen! Die Wahrheit ist: Ob es uns nervt oder nicht, ob wir es wahrhaben wollen oder nicht, täglich landen Menschen mit einer Corona-Infektion auf den Intensivstationen unserer Krankenhäuser. Für all diejenigen unter uns, die nie im medizinischen Sektor gearbeitet haben, stammen unsere Vorstellung über diesen hochspezialisierten Bereich aus Greys Anatomie und Co. Daher ist dieser anschauliche Thread von Twitter-User @Chris_Hanreich so wertvoll, er beschreibt ganz unverschwurbelt das typische Vorgehen, das Patienten bei einer Einweisung auf die Intensivstation erwartet. Vielen Dank hierfür!
Du glaubst, Christian #Drosten würde in der #Coronapandemie Panik verbreiten?
Ich zeig Dir mal, was Panik auslösen kann.Die #Maskenpflicht beim Einkauf schränkt deine Freiheit ein? Dann werde ich dir etwas über persönliche Freiheit und Würde erzählen.
CN: Intensivmedizin ->
— Christian Hanreich (@Chris_Hanreich) October 15, 2020
Stell Dir vor, Du wirst krank.
Weil du immer mehr Atemnot bekommst, wirst du im Krankenhaus auf die Isolierstation verbracht. Seit Stunden hast du das Gefühl zu ertrinken. Echte Todesangst. Deshalb stimmst du zu, auf intensiv verlegt zu werden. Dein Zustand verschlechtert sich— Christian Hanreich (@Chris_Hanreich) October 15, 2020
und die Ärzt:innen beschließen, dass du beatmet werden musst.
Was ab jetzt geschieht, ist nicht für zarte Gemüter geeignet:
Sie machen Dich mit Medikamenten bewusstlos. Dann schieben sie Dir einen etwa daumendicken Schlauch über den Mund an deinem Kehlkopf vorbei bis relativ
— Christian Hanreich (@Chris_Hanreich) October 15, 2020
weit in die Luftröhre. Dort angekommen, blasen Sie einen kleinen Luftsack an dem Schlauch auf, damit er sich in deiner Luftröhre einspreizt.
Du liegst jetzt – fast nackt und unfähig, über dich selbst zu bestimmen – auf einem Bett mitten im Raum.
Hervorragend qualifizierte
— Christian Hanreich (@Chris_Hanreich) October 15, 2020
Pfleger:innen und Ärzt:innen tun alles, um Dir eine Chance zu geben.
Was sie noch tun werden:
Sie schieben Dir einen Silikonschlauch in die Nase. Den schieben sie so lange weiter nach hinten, bis er irgendwann endlich im Magen angekommen ist. Durch diesen Schlauch wirst Du
— Christian Hanreich (@Chris_Hanreich) October 15, 2020
einige Zeit lang ernährt werden.
Um Deine Pflege hygienisch zu ermöglichen, wird jetzt der nächste Schlauch vorbereitet. Sie präparieren ihn mit Gleitgel und stecken ihn in Deine Harnröhre. Immer weiter schieben sie ihn, bis er schließlich am Schließmuskel der Blase ankommt und
— Christian Hanreich (@Chris_Hanreich) October 15, 2020
über diese Barriere weiter in die Blase hinein geschoben wird. Dieser Katheter wird ebenfalls durch einen Ballon an seinem Ende in der Blase fixiert. So kann der Schlauch nicht herausrutschen.
Jetzt bist du angeschlossen an mehrere Infusionen und Perfusoren (Langzeitspritze) und
— Christian Hanreich (@Chris_Hanreich) October 15, 2020
künstliche Ernährung, maschinelle Beatmung, urinbeutel und verfügst über einen ZVK.
Du weißt nicht, was ein ZVK ist? Sorry. Das ändern wir: es handelt sich dabei um den zentralen Venenkatheter. Ein wichtiger Standard-Zugang der Mediziner:innen zu deinem Kreislauf. Dieser
— Christian Hanreich (@Chris_Hanreich) October 15, 2020
Katheter wird zwischen deinem Hals und deinem Schlüsselbein in die dortige Vene gestochen und bis zur oberen Hohlvene vor deinem Herzen hinein geschoben.
Du hast Glück – obwohl Deine Ärztin nach 30 Stunden Dauerdienst übermüdet ist, klappt alles wie im Lehrbuch 💜
Und obwohl
— Christian Hanreich (@Chris_Hanreich) October 15, 2020
Du dem medizinischen Personal bisher keinerlei Achtung entgegengebracht hast, kümmern Sie sich so gewissenhaft um dich, dass du tatsächlich deine Chance bekommst.
Dafür musst du nur eine Zeit lang auf intensiv liegen, zig Schläuche führen in Dich rein und raus und Deine Familie
— Christian Hanreich (@Chris_Hanreich) October 15, 2020
kann Dich für ein paar Wochen nicht mehr sehen.
Das ist eh nichts im Vergleich mit dem Zwang, in geschlossenen Räumen mit anderen Menschen einen MNS tragen zu müssen.
DAS ist die Freiheit für die Du kämpfst.
Na, genug Panikmache? Dann empfehle ich Drosten hören. Der beruhigt.
— Christian Hanreich (@Chris_Hanreich) October 15, 2020
Nachtrag:
ich persönlich würde mich ggf. jederzeit sofort vertrauensvoll in die Hände der Mediziner:innen begeben, im vollen Bewusstsein, dass sie die notwendigen Maßnahmen ergreifen.
Mir geht es nur darum, die Bescheuertheit von falschen Prioritäten zu illustrieren.
— Christian Hanreich (@Chris_Hanreich) October 15, 2020
So kommentieren andere User:
Das ganze hat meine Tochter durchgemacht und ich gönne das niemandem meine Tochter ist leider verstorben (nicht an Corona).Ich möchte so was nicht mehr erleben und verstehe deshalb die Egoisten nicht wirklich.
— Sonne🛀 (@Silke74918142) October 15, 2020
Danke für diese Darstellung.
Ich habe allergisches Asthma und war mehrfach mit akuter Atemnot in der Notaufnahme.
Dieses Gefühl zu ersticken ist der Horror und löst absolute Panik aus.Btw. ich bekomme sogar durch 2 MNS übereinander (1x FFP2 und 1x Stoff) genügend Luft. 🙏
— Blyde @🏡 (@AuSy01) October 15, 2020
Danke für die Schilderung. So möchte wohl keiner enden & wer von den Leuten auch nur ein winziges Bisschen Verantwortungsgefühl hat, wird jetzt anders denken & handeln. Selbst wenn ihnen Fremde egal sind, sollten sie es doch für die eigene Familie haben.🤷♀️
Ich schütze andere.👍— Morbitia (@Morbitia) October 15, 2020
Ich bin zum Glück noch nie in die Situation gekommen und hab es wirklich nicht vor. Danke für eure harte Arbeit 💜
Die Kaltschnäuzigkeit der Menschen, es würden ja eh nur Alte und Vorerkrankte sterben, die‘s ja sowieso bald hinter sich gehabt hätten finde ich beschämend.— Doro Marx #WearYourMasks (@Dori_Kiel) October 15, 2020