Thread: Wie sehr sich die Öffentlichkeit von den Rechten an der Nase herumführen lässt
Die AfD hat Diskursverschiebung nach rechts sicher nicht erfunden, das haben schon andere Parteien und Personen zu nutzen gewusst. Sie ist aber ein Musterbeispiel dafür, wie weit sich die Grenze des Sagbaren in der Öffentlichkeit verschieben lässt, wenn man sich nur des entsprechenden Vokabulars bedient, gleichzeitig aber dessen Ursprung negiert. Der Satz „Ich bin ja kein Nazi, aber“ sollte den meisten von euch geläufig sein. Dahinter steckt ein simpler Mechanismus, tabuisierte Narrative nutzen zu können, um bestimmte Zielgruppen anzusprechen und sich gleichzeitig eine Tür offen zu halten, eine ähnliche Haltung oder Zugehörigkeit abstreiten zu können. Dies nennt man auch einen kalkulierten Tabubruch, ein Mittel, dessen sich der ehemalige Präsident der Vereinigten Staaten, Donald Trump, auch gerne bediente. Gekontert wird den Vorwürfen dann, man müsse das alles eben nur differenziert genug betrachten. Die CDU besitzt auch so einen Meister der Tabubrüche, der in der Wahl seines Vokabulars einer AfD-Führung eigentlich in nichts nachsteht und am äußeren rechten Rand nach Stimmen fischt: Den ehemaligen Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen. Über die Ursachen und Mechanismen und wie die Medien dann mit der Kritik an seinen Äußerungen umgehen, ist in den letzten Tagen viel geschrieben worden. Der beste Beitrag auf Twitter kam dabei von René Engel, der mit dem nun folgenden Thread den Nagel auf den Kopf trifft.
Was an dieser Debatte, ob Maaßen antisemitische Inhalte verbreitet oder nicht, auch so unfassbar ärgerlich ist: Wie sehr sich die Öffentlichkeit von den Rechten an der Nase herumführen lässt – Thread.
— René Engel (@Engel_Re) May 10, 2021
Wenn es nicht wirklich Hakenkreuztattoos und explizite Holocaustleugnung sind, dann verschließen nicht unerhebliche Teile der Öffentlichkeit Augen und Ohren und, man muss es so sagen, stellen sich vollends dumm.
— René Engel (@Engel_Re) May 10, 2021
Wir haben das bei den Trumpisten gesehen, wir sehen es hier: Rechte unterhalten sich UNGENIERT in aller Öffentlichkeit und vor unseren Augen mit den Codes, die ihrer Gefolgschaft signalisieren was Sache ist und gleichzeitig den bürgerlichen Schein gerade so wahren.
— René Engel (@Engel_Re) May 10, 2021
Wir haben eine Reihe von deutschsprachigen Expert*innen, die darauf hinweisen (nachfolgend nur einige genannt): @Afelia, @pia_lamberty, @ardenthistorian, @MeronMendel, @kattascha, @AmadeuAntonio uva.
— René Engel (@Engel_Re) May 10, 2021
Sie zeigen uns auf, wieder und wieder, wie die Rechten im neuen Jahrtausend kommunizieren, wie sie sich organisieren und sich weiterentwickeln. Wir entscheiden uns aber, die gleichen Schablonen anzulegen wie im Jahr 1992. Kurz: Wir ignorieren diese Expert*innen.
— René Engel (@Engel_Re) May 10, 2021
„Ich kann da keinen Antisemitismus erkennen“, achso, na dann ist ja alles klar, danke für deine fachkundige Meinung.
Wenn er nicht mit erhobenem rechten Arm „S**g H**l“ gerufen hat, handelt es sich vermutlich nicht um Antisemitismus, FALSCHER ALARM, hier gibt es nichts zu sehen.
— René Engel (@Engel_Re) May 10, 2021
Und dann wundern wir uns, dass solche Leute auf einmal auf den Treppen des Reichstags stehen.
Wir wundern uns, dass sie Netzwerke gründen, die Menschen, die ihnen nicht in den Kram passen, systematisch terrorisieren, bedrohen und verfolgen.
— René Engel (@Engel_Re) May 10, 2021
Wir wundern uns auch jedes Mal wieder, wie sie online Debatten kapern, mit konzertieren Aktionen, wo sie Anschluss an konservative Kreise herstellen und so rechte Schmierkampagnen in den Political Mainstream holen.
— René Engel (@Engel_Re) May 10, 2021
Und schließlich wundern wir uns, dass am Ende Menschen dadurch zu Schaden kommen. Das konnte nun wirklich niemand absehen. Wir sind schockiert und angeekelt von dieser feigen Tat. Müssen ein Zeichen setzen. Wehret den Anfängen. Nie wieder.
— René Engel (@Engel_Re) May 10, 2021
Wir lernen als Gesellschaft nicht daraus, weil wir teilweise nicht lernen WOLLEN. Weil dieser Lernprozess u.a. auch schmerzhafte Eingeständnisse mit sich brächte. Ach I WO, der doch nicht. Kann nicht sein. Mir nie aufgefallen. Hat sich nie so geäußert.
— René Engel (@Engel_Re) May 10, 2021
Das sagen andere User:
Die Leser des Textes sind sich einig: Besser kann man es nicht sagen. Hier werden eindeutig die Fehler der Vergangenheit wiederholt, obwohl wir eigentlich klüger sein sollten. Einige User haben den Thread um mehrere wichtige Punkte ergänzt, die wir hier für euch zusammengetragen haben.
Wir wundern uns echt zu oft und immer wieder
— Alex (@the_real_urbsi) May 10, 2021
Ich habe die Lage in den USA seit 2015 verfolgt und konnte nicht glauben, wie sich die Gesellschaft dort extrem gespalten hat (z.T. durch Freunde / Familien hindurch). Jetzt schwappt das auch zu uns herüber. Das hatte ich naiverweise nicht bedacht. Sehr beängstigend.
— Ute 🔴 (@karimamilena) May 10, 2021
Ich glaube, die Angst vor persönlichem, eventuell wirtschaftlichem, sozialem Verlust oder auch nur der Veränderung in sozialem oder wirtschaftlichem Sein, lässt viele im Moment wenn gehandelt werden muss einen Rückzieher machen. Vielleicht hatte ich dafür mal Verständnis.
— fernandell (@fernandell2) May 10, 2021
Und wie sehr die Medien auf die Kausa Palmer fokussiert sind, obwohl @HGMaassen eindeutig rassistischer ist. Strategie der @cdu geht auf: „Wir sagen nichts, dann interessiert es auch keinen“… #Regierungserfahrung
— Roman B. (@roman2838) May 10, 2021
Auch dieser Aspekt ist sehr interessant:
das Problem ist halt nicht jeder ist Extremismusforscher und hängt den ganzen Tag auf Social Media rum. Man muss die Leute da einfach besser abholen finde ich. Oftmals einfach zu elitär
— ostwestfälische steiss 🔴 (@nogotiated) May 10, 2021
Ich glaube das Problem ist ein anderes: Menschen akzeptieren Expert*innentum abseits der Naturwissenschaften viel weniger, weil sie ja selbst ein gewisses Wissen darüber verfügen und der gesunde Menschenverstand und die lebenslange Erfahrung eben andere Schlüsse ziehen lassen.
— René Engel (@Engel_Re) May 10, 2021
ich erlebe es halt im persönlichen Umfeld immer häufiger: der tägliche post-Talkshow Shitstorm zündet einfach nicht mehr. Natürlich ist Maaßen ein rechtsradikaler Spinner aber die Art der Kommunikation funktioniert so einfach nicht gut
— ostwestfälische steiss 🔴 (@nogotiated) May 10, 2021
Das glaube ich auch ☺️
— René Engel (@Engel_Re) May 10, 2021
Danke für eure Aufmerksamkeit. Wie immer haben wir hier einen weiteren Thread für euch verlinkt.