Thread: Verbrühungen im Kindesalter

Die meisten Verletzungen durch Verbrühen ereignen sich im Kleinkindalter. Das geht leider oft schneller, als man denkt. Kinderhaut wird bereits ab einer Temperatur von 52 °C empfindlich geschädigt. Statistisch gesehen geschehen die meisten Unfälle im zweiten Lebensjahr, wenn das Kind zu laufen beginnt und Gegenstände zu sich heran- bzw. herunterziehen kann. Die meisten Kids übergießen sich dabei dann mit heißen Flüssigkeiten, wobei der Unfallort fast immer die Küche ist. Neben Wasserkochern, Töpfen, Wärmflaschen und Fritteusen ist es nämlich oft auch nur eine abgestellte Tasse mit Tee oder Kaffee auf dem Frühstückstisch, die den lieben Kleinen zum Verhängnis wird. Und da jetzt so langsam wieder die kalte Jahreszeit beginnt, in denen ein solches Szenario wahrscheinlicher als im Sommer ist, wollen wir euch mit dem nun folgenden Thread von @mommyisanerd2 für das Thema ein bisschen sensibilisieren.

CN Verbrühung CN Kindernotfall
Es ist ein einigermaßen normaler Dienst auf der ITS. Die Visite ist gelaufen, es stehen keine geplanten Sectiones mehr an. Ich führe gerade ein Elterngespräch, da geht der Funk. ‚Kleinkind, 16 Monate, luftgebundener Transport.‘ das bedeutet selten

— nerd mommy (🏥) (@mommyisanerd2) October 4, 2021

etwas Gutes. ‚Verbrühung, etwa 30%‘. Wir sind Verbrennungszentrum, daher die nächste Anlaufstelle für den Heli. Ich informiere meine Kollegin auf der Normalstation. Das ist kein one-(wo)man-job. Als der Heli eintrifft, ist bereits der Schockraum vorbereitet. Die Sedierung ist

— nerd mommy (🏥) (@mommyisanerd2) October 4, 2021

aufgezogen, das Verbandszeug steht parat.
Der eintreffende Notarzt ist sichtlich gestresst. Kindernotfälle bedeuten häufig Unwohlsein bei den Kollegen, wenn keine entsprechende Routine herrscht. Trotzdem hat er sich gut geschlagen, das Kind ist angemessen analgesiert, der

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liegende Zugang ist funktionsfähig, und die Übergabe ist suffizient. Die Eltern treffen ein, werden von Notarzt und Pflege ausserhalb des Raumes in Empfang genommen, und das Procedere wird ihnen erklärt. Derweilen schreiten wir zur Tat.
Verbrühungen bis maximal Grad IIa an Rumpf

— nerd mommy (🏥) (@mommyisanerd2) October 4, 2021

Armen und perioral. Glück gehabt. Allerdings wird das letztendlich der Verbandswechsel in ein paar Tagen zeigen, denn thermische Verletzungen können sich nach etwas vergangener Zeit nochmal anders darstellen. Die Kollegin beginnt vorsichtig mit der Wundversorgung. Das Kind weint

— nerd mommy (🏥) (@mommyisanerd2) October 4, 2021

leise und benommen auf, so dass ich die Analgosedierung aufspritze. Jetzt kann die Kollegin die Wunden desinfizieren, und verbrühte Haut abtragen. Als Intensivärztin bin ich für Sedierung und Monitoring zuständig, gehe ihr aber zur Hand wo ich kann. Die Handgriffe sitzen, und

— nerd mommy (🏥) (@mommyisanerd2) October 4, 2021

die Versorgung, sowie Fotodokumentation der Wunden für die Plastiker, sind in kurzer Zeit erledigt. Schnell noch das tatsächliche Ausmaß berechnet- ca 23%. Das Kind bekommt also für eine Nacht ein Bett auf unserer Intensivstation, sowie kalkulierte Flüssigkeitstherapie.
Ich

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spreche mit den Eltern, setze sie über die Verletzungen und das Procedere in Kenntnis, erfrage den Impfstatus und die sonstige Anamnese, und lasse mir den Unfallmechanismus erzählen.
Das Kind hatte sich eine frisch gebrühte Tasse Tee vom Frühstückstisch gezogen, während die

— nerd mommy (🏥) (@mommyisanerd2) October 4, 2021

Eltern den Tisch deckten, und das Geschwisterkind ankleideten. Die Schilderung ist plausibel, und passt zu dem Verletzungsmuster. Die Eltern sind aufgelöst, der Vater weint.
Sie machen sich Sorgen um zukünftige Narben, es fällt der ‚Schuld‘ Begriff. Es folgt ein weiteres

— nerd mommy (🏥) (@mommyisanerd2) October 4, 2021

Gespräch über Prognose (sehr gut) und Präventionsmaßnahmen, immer mit der Betonung darauf, dass es ein Unfall war, der Schuldbegriff fehl am Platz ist, und man zwar die Präventionsmaßnahmen optimieren, aber nicht alles verhindern kann.
Insgesamt hat das Kind viel Glück gehabt.

— nerd mommy (🏥) (@mommyisanerd2) October 4, 2021

Warum berichte ich das? Und warum jetzt?
Verbrühungen im Kindesalter sind häufig (etwa 30000/y), die meisten treffen Kinder unter 4 Jahren. Eine heisse Tasse Kaffee/Tee etc. kann bis zu 30% Körperoberfläche eines Kleinkindes verbrühen, selbst wenn sie ‚nur‘ 60 Grad warm ist.

— nerd mommy (🏥) (@mommyisanerd2) October 4, 2021

Ich erspare euch die Bilder einer Verbrühung, glaubt mir, ihr wollt das nicht sehen.
Wir starten in die kalte Jahreszeit. Es wird wieder mehr Tee getrunken, mehr Wasser gekocht, mehr Wärmflasche genutzt. Der Fall schildert einen ‚typischen‘ Unfallmechanismus. Es geht so schnell.

— nerd mommy (🏥) (@mommyisanerd2) October 4, 2021

Grundsätzlich bitte ich euch:
– Wärmflaschen haben NICHTS auf Kleinkindern verloren, nutzt angemessen temperierte Körnerkissen
– stellt Wasserkocher ausser Reichweite, mit dem Griff zur Wand
– benutzt einen Herdschutz
– trinkt niemals heisse Getränke (auch nicht den frischen

— nerd mommy (🏥) (@mommyisanerd2) October 4, 2021

Latte Macchiato im Café) wenn ihr ein Kleinkind auf dem Schoß, oder ein Baby im Tragetuch habt
– führt keine heissen Dampfinhalationen mit Kleinkindern durch.
– stellt Tassen und Suppenschüsseln ausser Reichweite, und weg von der Tischkante.

Passt auf eure Kinder auf 💚

— nerd mommy (🏥) (@mommyisanerd2) October 4, 2021

Der Verband Paulinchen hat einen guten Flyer zur Prävention herausgebracht. Schaut mal rein. https://t.co/HtzhhHw4Xs

Unterstützt gern www. https://t.co/xoasLQQi8M

— nerd mommy (🏥) (@mommyisanerd2) October 4, 2021

Das sagen andere User:

Viele Leser waren für diese Erinnerung dankbar. Einige erinnerten sich an Unfälle im eigenen Haushalt, andere gaben zusätzliche Tipps zur Prävention. Ein paar der treffendsten Kommentare haben wir hier für euch gesammelt.

Vor 2 Jahren hat sich K3 (damals <2) rückwärts mit nacktem Hintern ins Lagerfeuer gesetzt. Sofort mit dem Gartenschlauch 15 Minuten gekühlt, dann Notaufnahme und zwei Wochen Krankenhaus. Knapp am künstlichen Darmausgang vorbeigeschrammt. 1 Jahr mehrmals täglich Bepanthen.

— Ɓ̟̃Ɉ̖͠œ̧̫̐︠Ʀ̊Ɲ̼̉🌍ֆ̥͡ե̆‍̤︠Ѧ̨︠Я̴̫︢Ҡ̧ἷϻ̼̌︢д̒︡Ɽ̜̾︠ᶆ̽̆ (@BStarkimarm) October 4, 2021

Vielen Dank fürs aufmerksam machen! Viel zu selbstverständlich stellt man einfach den Kaffee/ Tee auf den Tisch , während der kleine Mensch einfach drum rum wuselt. Werde ich an heute wieder anders machen! DANKE

— Ro-Mienchen (@Dunkelfeechen84) October 4, 2021

Verbrühungen tun unheimlich weh, das wünsche ich niemand

Vor mir ist vor über 22 Jahren ein Boiler explodiert

Die geschädigte Haut sieht man heute noch

Passt gut auf, wenn ihr mit kochendem Wasser hantiert

— Königin.der.Nacht (@Tierverliebt181) October 4, 2021

Freundin hatte einen Boiler unter der Spüle. Baby wurde in einer Wanne in der Spüle gebadet. Zappelt und tritt den Warmwasserhahn auf. Verbrühungen am Torso, Oberschenkeln und Geschlechtsteilen. Bitte auch beim Baden aufpassen, es geht so schnell 😕

— EasyPeasy (@Easy_peasy0815) October 4, 2021

Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit! An dieser Stelle wollen wir auch die Erwachsenen warnen, denn in der Küche passieren noch ganz andere Unfälle:

Nehmen Sie die Grillfunktion oder direkt den Bunsenbrenner! 14 Unfälle aus dem Backofen