Thread: Schmerzen bei der Geburt
Wer sich in der hormongetriebenen Neugier und Naivität einer Schwangerschaft auf die Geburt vorbereitet, öffnet häufig völlig unerwartet die thematische Büchse der Pandora. Man sollte meinen, diese Sache, die uns seit Beginn der Menschheit per Definition begleitet, sei konzeptionell relativ einfach. Das Kind wird geboren, alle sind glücklich und gesund. Ende.
Tatsächlich ist es aber nicht so easy, wie es vielleicht in Filmen vermittelt wird. Nicht nur, dass es viele medizinische Komplikationen geben kann, es rotieren wie so häufig im populärmedizinischen Fundus unserer Gesellschaft Mythen und Legenden zum Thema. Geburtsort, Geburtsposition, Geburtsgewicht, Geburtszeit etcetera etcetera. So vielfältig die Möglichkeiten sind, so eingefahren sind manche Menschen in Bezug darauf, was für ihnen völlig fremde Eltern und Kinder das Beste ist. Und dann das riesengroße Thema Geburtsschmerz!
Bekanntlich leben wir in einer Gesellschaft, in der das Aushalten von Schmerzen glorifiziert wird. Allgemein, aber auch im Speziellen auf die Geburt bezogen. Als bekäme man für eine Niederkunft ohne Schmerzmittel beim Verlassen des Krankenhauses eine Art Mutterverdienstkreuz ausgestellt. Und so sinnvoll es auch unter Umständen sein mag, Schmerzen als Signale des Körpers wahrzunehmen, so sinnlos kann es eben auch sein, Schmerzen auszuhalten, nur um einem gesellschaftlich vermittelten Maß an Tapferkeit zu entsprechen. Denn die Medizin hat uns etwas geschenkt, was eine langwierige, schmerzhafte und nervenzerreißende Entbindung (und andere Eingriffe) deutlich einfacher machen kann: die Periduralanästhesie (kurz PDA). Diese erlaubt eine regionale Betäubung bei völligem Bewusstsein. Wie eine PDA die Geburt in ein positives Erlebnis zu verwandeln vermag, zeigt der Thread der Twitteruserin und Anästhesistin Narkosetante.
Kreißsaal-PDA. Oft ungeliebt, oft Diskussionspunkt zwischen den beteiligten Disziplinen.
Aber wenn man die junge Frau erlebt, die vor Schmerzen schreit und nicht in der Lage ist, den Anleitungen der Hebammen zu folgen und 30 Minuten später sitzt sie entspannt plaudernd da….❤️— Narkosetante 🦆 (@Minus14Junge) April 11, 2023
Gebt die PDA frei!
Ich kann aus eigenem Erleben nur sagen: der Moment, in dem der Wehenhemmer wirkt, ist einfach großartig. Dieser Wechsel von „du weißt nicht, wie du stehen, liegen, atmen sollst, alles tut weh, egal, wohin man atmet oder wie, und dann plötzlich Pause. Göttlich
— Narkosetante 🦆 (@Minus14Junge) April 11, 2023
Schmerzen oder nicht, das ist hier die Frage
Wir hatten früher eher die Diskussion, ob man nicht bitte erst untersucht und dann anruft, weil es irgendwie auch blöd ist, wenn man nachts durch die Klinik trabt, nur um dann das Köpfchen zu sehen und wieder abzudrehen.
(Für Laien: ab einem bestimmten Punkt ist die PDA sinnlos)— Narkosetante 🦆 (@Minus14Junge) April 11, 2023
Geburt kann auch etwas Schönes sein
Hatte früher (noch im KH tätig) immer die „Vision“, den Weg zum Kreißsaal mit „vorher – nachher“-Bildern zu „verschönern“. Eindeutiger kann man’s nicht zeigen – diese Entspannung, die Erleichterung, endlich von diesen Schmerzen befreit zu sein 😌😍
— MD X (@OxytocinTussi) April 11, 2023
Der Einzelfall entscheidet
Ich will sie nicht verherrlichen, es braucht auch sicher nicht jede eine. Aber bei richtiger Indikation kann sie schon ein Segen sein.
— Narkosetante 🦆 (@Minus14Junge) April 11, 2023
Herzlichen Glückwunsch
Ich war auch so eine, die geschrien hat vor Schmerzen, und so erleichtert, als dann die PDA endlich saß (hab den Anä damals angeschrien – falls du das liest: ES TUT MIR LEID!!).
Konnte sogar etwas dösen, während die Wehen ihre Arbeit taten. 2 Std. später unkomplizierte Geburt.— FrauTrümmer a.D. ♿ (@SuSookie) April 11, 2023
Wie immer: Aufklärung muss sein
Ich bewerbe sie nicht als komplett risikofrei 🙄
Erstaunlich, mir ist nach geburtshilflicher PDA bisher kein Fall von Rückenmarksschädigung bekannt (auch wenn das Risiko da ist).— Narkosetante 🦆 (@Minus14Junge) April 11, 2023
Wer kann das schon von sich behaupten?
Ja, das ist ein tolles Gefühl. Von angebrüllt werden zu „Ich liebe Sie! Anästhesie ist toll!“ in unter 20 Minuten. 😇😎
— Narkosemutti (@Narkosemutti) April 11, 2023
Der Eltern-Wettkampf hat längst begonnen
Die PDA war eine solche Erleichterung. Aber andere Mütter meinten: das war keine echte Geburt. Frau muss die Schmerzen spüren sonst zählt es nicht. Also ich weiß nicht, das nächste mal operieren wir auch am offenen Herzen ohne Narkose. Man muss es ja schließlich spüren… 🤦♀️
— Tanja 🇺🇦 (@Tanja49481488) April 11, 2023
Herzlich willkommen bei den Weltmeisterschaften für Eltern: