Thread: Osteopathie ist genauso schwurbelig
Wer uns regelmäßig liest, weiß längst, dass wir ganz klar im Team Wissenschaft sind. Das heißt nicht per se, dass wir alternativen Heilmethoden ablehnen, aber auf jeden Fall die, die über den Placebo-Effekt hinaus keine nachweisbare Wirkung haben oder bislang nur aufgrund von Metastudien als wirksam bezeichnet werden. Ihr ahnt es, ganz oben auf der Liste steht dabei die Homöopathie, der wir hier schon mehrere Threads und Themenbeiträge gewidmet haben, um darüber aufzuklären. Hätte sie eine Schwester (oder sagen wir nahe Verwandte), dann wäre das ganz klar die Osteopathie. Der eine oder andere wird davon schon einmal gehört haben.
Osteopath*innen behandeln mit ihren Händen. Ihr Ziel ist es, Funktionsstörungen im Körper zu erkennen und zu behandeln. Ihr zugrunde liegt die Annahme, dass der Bewegungsapparat, unser Schädel, Rückenmark und alle inneren Organe als System miteinander verbunden sind. Die Basis eines gesunden Körpers soll dabei das ausgewogene Wechselspiel zwischen Struktur und Funktion sein. Das klingt so weit erst mal verständlich und auch irgendwie logisch. Im Weiteren geht es allerdings darum, dass eben dieses System durch feines Gewebe, sogenannte Faszien, verbunden ist. Hier kommt dann die Sache mit den Händen ins Spiel. Denn mit sanften Griffen sollen auftretende Blockaden gelöst und die Selbstheilungskräfte des Körpers angeregt oder aktiviert werden. Die Symptome des körperlichen Leidens werden dabei nicht direkt behandelt, sondern vielmehr das, was der Osteopath als Ursache dafür bestimmt. Bandscheibenvorfälle werden zum Beispiel mit dem Dickdarm in Verbindung gebracht. Kein Witz! Und so geht diese alternative Medizin davon aus, dass alle Erkrankungen „manuell behandelbar“ sind. Einige Krankenkassen bezuschussen diese zweifelhafte Methodik sogar ähnlich wie bei Globuli. Und genau wie bei den Zuckerkügelchen gibt es auch hier kaum wissenschaftliche Belege oder zumindest nur sehr zweifelhafte. Die Twitteruserin @Propofolium klärt in dem nun folgenden Thread auf, was es mit der Osteopathie auf sich hat.
Nachdem in den letzten Tagen da viel Blödsinn geschrieben wurde und auch auf die Gefahr hin, dass mir Menschen jetzt entfolgen, weil eine Meinungsdifferenz in einem Thema dafür sorgt, dass alle meine Tweets falsch werden:
Osteopathie hat KEINE nachgewiesene Wirkung!
1/
— PropofolPrinzessin (@Propofolium) May 2, 2022
Sie steht evidenztechnisch exakt genauso da wie Homöopathie, Bioresonanz, Auspendeln und Akupunktur.
Die Studienlage ist erdrückend, in über 50.000 veröffentlichten (!) Studien zur Osteopathie konnte bislang noch kein Vorteil ggü Placebo oder evidenzbasierter
2/
— PropofolPrinzessin (@Propofolium) May 2, 2022
Physiotherapie nachgewiesen werden. Wenn ihr Osteopathie bekommt und es hilft euch, dann war es Physiotherapie. Oder der Placeboeffekt, der nicht zu unterschätzen ist! Wir sollten den viel häufiger nutzen, aber eben ehrlich damit umgehen.
Ein kurzer Überblick über die
3/
— PropofolPrinzessin (@Propofolium) May 2, 2022
häufigsten Argumente der Schwurbler:
– Die Osteopathie hat keine Lobby u kein Geld, deshalb fallen alle Studien zu ihren Ungunsten aus!
-> Beides ist falsch. Es gibt Länder, in denen sie deutlich besser dasteht, als hier und auch da wird intensiv geforscht – ohne Ergebnis.4/
— PropofolPrinzessin (@Propofolium) May 2, 2022
Außerdem kann man Studien auf ihre Methodik hin überprüfen und stellt fest, dass sogar bei einwandfreier Durchführung die Wirksamkeit der Osteopathie nicht nachgewiesen werden kann.
– Die Ausbildung dauert drölf Jahre und enthält eine übertrieben schwere Anatomie-Prüfung!
5/
— PropofolPrinzessin (@Propofolium) May 2, 2022
-> Die Ausbildung ist in D nichtmal geregelt. Zwischen Wochenendkurs und 5J Weiterbildung mit verpflichtender Vorbildung als Physio ist alles dabei.
Außerdem: Knochen auswendig lernen ist kein zuverlässiger Indikator, um sowas gut zu machen. Ich konnte die Knochen auch6/
— PropofolPrinzessin (@Propofolium) May 2, 2022
alle mal und sollte vom Skelett meiner Pat die Finger lassen 🙈
– Es gibt sogar Ärzte, die Osteopathie anbieten/lehren/propagieren! Sind das etwa auch Schwurbler?
-> Jap. Eine Approbation war leider noch nie ein sicherer Schutz vor Unwissenheit, Unwissenschaftlichkeit,
7/
— PropofolPrinzessin (@Propofolium) May 2, 2022
Geldgier oder fehlendem Gewissen 🤷🏼♀️
Viele ÄrztInnen besonders der älteren Generationen haben nicht gelernt, evidenzbasiert zu arbeiten. Nachweise jenseits persönlicher Erfahrungen können auch sie für die Wirksamkeit nicht erbringen.8/
— PropofolPrinzessin (@Propofolium) May 2, 2022
– Aber bei mir hat es total gut geholfen!
-> Der Klassiker. Niemand kann dir zweifelsfrei sagen, ob dir die Osteopathie, die zugrunde liegende Physiotherapie oder der Placeboeffekt geholfen hat.
Deshalb fragt man ganz ganz ganz viele Leute, beobachtet sie genau und9/
— PropofolPrinzessin (@Propofolium) May 2, 2022
schließt Faktoren, die diese Wahrnehmung beeinflussen können extra aus (zB durch Verblindung, Randomisierung, etc). Dann kann man wirklich sehr genau beobachten und am Ende relativ klar sagen, welcher Faktor nun wirklich für die Verbesserung verantwortlich war.
10/
— PropofolPrinzessin (@Propofolium) May 2, 2022
Die Osteopathie ist es halt nicht. Ist aber ja nicht schlimm, wenn es dir hinterher besser geht! Sei doch froh, dass Physiotherapie und Placeboeffekt so toll helfen können!
Übrigens: „Ich kenne mindestens 15 Leute, bei denen es geholfen hat!“ Ja… PubMed kennt 150000 bei
11/
— PropofolPrinzessin (@Propofolium) May 2, 2022
denen es nachweislich nicht geholfen hat, wo ist dein Argument? 🤷🏼♀️
– Immer noch besser als unnötige OPs und Cortison ins Gelenk!!
-> Stimmt. Aber dadurch, dass sich viele ÄrztInnen nicht an die Leitlinien halten, wird Osteopathie halt auch nicht wirksam. Nicht mal mit
12/
— PropofolPrinzessin (@Propofolium) May 2, 2022
ganz viel Daumen drücken.
Diese Leitlinien existieren aus gutem Grund und es sollte sich daran gehalten werden.
Sie basieren übrigens auf wissenschaftlichen Studien und klaren Nachweisen. Was nicht evidenzbasiert ist und nur auf der Erfahrung einzelner fußt, fliegt aus der13/
— PropofolPrinzessin (@Propofolium) May 2, 2022
Leitlinie. Und zwar zu Recht.
Deshalb steht Osteopathie da übrigens nicht drin, Physiotherapie aber sehr wohl.– Es schadet doch keinem. Wenn es hilft…
-> Gleiches Argument wie bei der Homöopathie, hier noch mit einem hässlichen Zusatz: Es gibt eine Form der
14/
— PropofolPrinzessin (@Propofolium) May 2, 2022
Osteopathie, die schwere Schäden am Skelett und Nervensystem verursachen kann. @Nordvvind hatte dazu mal was Nettes geschrieben.
Ob euer/e TherapeutIn diese Form anwendet? Keine Ahnung, es gibt da keine Regularien 🤷🏼♀️15/
— PropofolPrinzessin (@Propofolium) May 2, 2022
Tl;dr
Osteopathie ist genauso schwurbelig, wie der andere Kram.
Ein/e gute Physiotherapie ist Gold wert.Habt einen tollen Tag 😘
16/16
— PropofolPrinzessin (@Propofolium) May 2, 2022
Das Beste ist übrigens, dass hier Leute JEDEN EINZELNEN PUNKT als Argument für die Wirksamkeit der Osteopathie drunter geklatscht haben, den ich angebracht habe 😅
Gott, ich liebe Twitter!
Ja Gabi, ich weiß. Bei dir hat’s geholfen. 😂
— PropofolPrinzessin (@Propofolium) May 2, 2022
Übrigens: würde Osteopathie funktionieren, wäre das richtig cool! Ich würd’s feiern und es hätte einen tollen Impact auf die Gesundheitsversorgung!
Man hätte so viele tolle Möglichkeiten!Aber ich kann’s nicht leiden, wenn man Leute anlügt und ihnen Geld aus der Tasche quatscht!
— PropofolPrinzessin (@Propofolium) May 2, 2022
Das sagen andere User:
Dass das Argument „wer heilt, hat recht“ Quatsch ist, hatten wir ja bereits erwähnt. Wer den Beitrag verpasst hat, wir verlinken ihn noch mal ganz unten am Ende dieser Seite. Erschreckend ist, wie weit verbreitet der „Glaube“ an Osteopathie ist. Da ist Aufklärung bitternötig! Falls ihr daran interessiert seid, zu lesen, was andere User*innen zu sagen hatten, haben wir hier ein paar der treffendsten Kommentare und Reaktionen für euch gesammelt.
(Bei dieser Frau gilt ohnehin: Wenn sie irgendjemanden oder -etwas dringend empfiehlt: LAUF so schnell du kannst! Eine „ihrer“Heilpraktikerinnen: „Die Gleichberechtigung der Frauen hat dazu geführt, dass sie nicht mehr zum Vollmond ovulieren, daher Fertilitätsprobleme.“ WTF?!)
— Anna (@Annitzky) May 2, 2022
Und dann gibt es halt ein paar Osteopathen, die wirklich gute Physiotherapeuten sind, genauso wie es Heilpraktiker gibt, die wirklich fundierte Gesundheitsberatung machen. So Leute erzeugen dann guten Ruf für alle und verkaufen sich selbst in unserem System unter Wert…
— Bissiges Mäuschen 🐭 (@BMauschen) May 2, 2022
Ich erlebe bei der cranio-sakralen Therapie – gerade, wenn meine Schädelplatten gegeneinander bewegt werden – regelmäßig mein Geburtstrauma wieder und kann mich dabei rückgeführt mit dem Geruch der Klinikbettwäsche im Babybett auseinandersetzen.
Nimm mir das nicht weg!— Philipp S. Holstein (@PSHolstein) May 2, 2022
Sind wir mal ehrlich: die meisten wollen das doch gar nicht hören.
— PropofolPrinzessin (@Propofolium) May 2, 2022
Das ist super. Aber als Physiotherapeut hätte er sie bestimmt auch gefunden.
— PropofolPrinzessin (@Propofolium) May 2, 2022
Trotzdem wäre es besser, wenn die Kassen mehr Psychotherapeuten bezahlen, damit man denen seine Lebensgeschichte erzählen und anschließend daraus Verhaltensänderungen für die Zukunft trainieren kann, und nicht Heilpraktiker und Osteopathen, die nur Placebos verabreichen.
— JaguarCat (@JaguarCat_) May 2, 2022
Osteopathie ist bei Eltern glaube ich einfach eine Verzweiflungstat.
Bevor ich anerkennen muss, dass das das neue normal ist, probiere ich alles um doch noch irgendwas zu erreichen, was meiner Vorstellung des Ganzen näher kommt.— Mohnblüte (@Mohn_bluete) May 2, 2022
Weil die echten Therapien zur pöhsen Schulmedizin gehören.
— Anna (@Annitzky) May 2, 2022
Wer – ohne sinnvollen und belegbaren Erklärungsansatz liefern zu können – heilt, hat Glück.
— Nysha Intel🔗Inside (@NGegenrechts) May 2, 2022
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit! Passend dazu hätten wir noch diesen Beitrag: