Thread: Ich bin machtlos
Gewalt gibt es in vielen Beziehungen. Oft vermuten wir dahinter jedoch nur die physische Komponente, die psychische wird oft gar nicht als so schlimm wahrgenommen.
Solche toxischen Beziehungen bleiben meist im Verborgenen, weil die Auswirkungen nicht unbedingt sichtbar sind. Dabei sind diese Beziehungen jedoch mindestens genauso schlimm, denn auch sie hinterlassen tiefe Narben. Schrecklich wird es, wenn dabei Kinder im Spiel sind und als Druckmittel oder Waffe gegen den Ex-Partner eingesetzt werden. Dann können sich die Betroffenen nur schwer den Machtspielchen des Gegenübers entziehen und sind auch nach dem Ende ihrer Beziehung ein Opfer des Partners. Wie das aussieht und welche Folgen das haben kann, beschreibt die Twitteruserin @WertesFraeulein in dem nun folgenden Thread.
Psychische Gewalt – ein Thread
Mein Ex spielte gerne Machtspielchen. Es ging ihm nicht darum alltägliche Entscheidungen zu treffen, sondern mich kleinzuhalten. Wann immer ihm etwas nicht passte, wann immer ich ihm zu viel wurde, machte er mich nieder.
1/×— Wertes Fräulein (@WertesFraeulein) December 2, 2019
„Was du empfindest ist nicht normal, DU bist nicht normal“ gehörte zu seinem Standardrepertoire.
„Du bist Schuld, dass ich jetzt wieder ungeduldig werde. Und du weisst ja was passiert, wenn ich die Beherrschung verliere…“
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— Wertes Fräulein (@WertesFraeulein) December 2, 2019
Er ging, wenn er merkte ich brauche ihn und machte das Gegenteil von dem, um das ich ihn bat. Weil er es konnte.
Augenrollen, abwertende Handbewegungen, entnervtes Stöhnen, Ignorieren. Was sich wie Kleinigkeiten anhört zermürbt, wenn es täglich passiert.
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— Wertes Fräulein (@WertesFraeulein) December 2, 2019
Seine Respektlosigkeit verunsicherte mich.
Es verletzte mich.
Ich begann ihm zu glauben, dass ich nichts richtig machen kann. Wie auch, wenn ich so eine furchtbare Ehefrau und Mutter bin? Ich war falsch und trug die alleinige Verantwortung für alles, was er mir antat.4/×
— Wertes Fräulein (@WertesFraeulein) December 2, 2019
Viele dieser Glaubenssätze konnte ich nach der Trennung ablegen. Ein Jahr komplett alleinerziehend, jeden Tag weit über die eigenen Grenzen gehen, Dinge schaffen die lange unmöglich waren. So ein schlechter Mensch konnte ich gar nicht sein.
Oder?
5/×— Wertes Fräulein (@WertesFraeulein) December 2, 2019
Als ich den Traumtypen kennenlernte merkte ich, dass vieles längst nicht überstanden war. Eine Beziehung zu führen bedeutete auch, wieder Partnerin zu sein. Und so gut ich als Mutter war, als Partnerin hatte ich zuletzt komplett versagt. Es war furchtbar.
6/×— Wertes Fräulein (@WertesFraeulein) December 2, 2019
Ich wurde unsicher. Mache ich das richtig? Ist das ok so? Kann ich das sagen? Von Anfang an ließ ich den Traumtypen an diesen Gedanken teilhaben, war wie ein offenes Buch.
Er hatte Verständnis und doch wusste ich: das ist so unfair ihm gegenüber!
7/×— Wertes Fräulein (@WertesFraeulein) December 2, 2019
Er ist nicht mein Ex und ich bin nicht mehr die Frau von damals. Wir sind zwei völlig andere Menschen, die eine völlig andere Beziehung führen. Ich würde lügen würde ich behaupten, dass es nicht immer wieder unfassbar anstrengend ist. Frustrierend. Konfliktpotenzial.
8/×— Wertes Fräulein (@WertesFraeulein) December 2, 2019
Es gibt Trigger, die lösen bei mir einen sofortigen Zusammenbruch aus.
„Ich kenne niemanden, der das so sieht wie du“ kann ich zum Beispiel nicht hören.
„Komm, lass gut sein…“ lässt mich panisch werden.
Tier durchatmen. Der Traumtyp ist nicht der Ex. Atmen.
9/×— Wertes Fräulein (@WertesFraeulein) December 2, 2019
Der Ex selbst aber hat nichts von seiner Wirkung verloren.
Ein kleines Beispiel gefällig?
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— Wertes Fräulein (@WertesFraeulein) December 2, 2019
Der Ex kündigte letzte Woche via WhatsApp an mit mir reden zu wollen. 5 Minuten, aber es sei wichtig. Wegen der Kinder.
Ich kenne solche Gespräche. Es geht ihm nicht um konstruktive Gespräche sondern darum, mir klarzumachen wie sehr ich als Mutter versage.11/×
— Wertes Fräulein (@WertesFraeulein) December 2, 2019
Ich schrieb also, 5 Minuten schlössen ein zielführendes Gespräch schon aus. Wir könnten nach meiner Zwischenprüfung reden, dann aber länger und sinnvoll.
Er schrieb noch, was das wieder für ein Kindergarten sei, sonst nichts.Ab da hatte ich Bauchweh.
12/×— Wertes Fräulein (@WertesFraeulein) December 2, 2019
Niemals würde er das akzeptieren. Ihr erinnert euch? Macht.
Und richtig. Als er gestern die Kinder brachte gab er sie nicht wie üblich an der Tür ab und eilte weiter.
Stattdessen drückte er sich durch den schmalen Türspalt, den ich mit meinem Körper versperrte.
13/×— Wertes Fräulein (@WertesFraeulein) December 2, 2019
Drängte mich in den Flur, schloss die Tür.
Begann ein Gespräch, dass ich nicht führen wollte.
Vorwürfe. Drohungen. Was die Kinder alles erzählen würden, wie schlecht es ihnen bei mir gehe.
Ich ging nicht darauf ein, verwies stoisch auf die die Zeit nach meiner Prüfung.
14/×— Wertes Fräulein (@WertesFraeulein) December 2, 2019
Er wurde respektlos. Missachtete jeden Einwand. Worte wie ‚lächerlich‘ und ‚Kindergarten‘ fielen und dann der Hammer: „Wenn die Kinder so unter deiner Ausbildung leiden, muss ich sie wohl nehmen…“
„Du kannst sie gern öfter holen, das sag ich ja immer.“
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— Wertes Fräulein (@WertesFraeulein) December 2, 2019
„Nein. Sie sollen bei mir leben.“
In mir entgleiste etwas. Ich bemühte mich um Ruhe, brach das Gespräch ab, verwies ihn des Hauses.
Er ging nicht.
Stattdessen rief er die Kinder zu sich.
„Ich habe Mama gesagt ich möchte euch öfter sehen, aber sie verbietet es.“
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— Wertes Fräulein (@WertesFraeulein) December 2, 2019
Beide Kinder fingen sofort an zu weinen. Klammerten sich an ihren Vater.
Ich wurde laut.
„Das habe ich nicht gesagt. Euer Vater möchte, dass ihr bei ihm wohnt und das habe ich nicht erlaubt.“
Er grinste nur. Macht.
Ich nahm ihm die Kinder ab, schob ihn vor die Tür.
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— Wertes Fräulein (@WertesFraeulein) December 2, 2019
Die eine weinte. Die andere schrie hysterisch bevor sie auf mich losging.
„DU LÜGST!!! DAS HAT PAPA NICHT GESAGT!!! DU LÜGST!!!“
Immer wieder.Macht.
Ich hatte keine. Ich bin machtlos.
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— Wertes Fräulein (@WertesFraeulein) December 2, 2019
Ich hätte nie gedacht, dass er seine Machtspiele auf diese Ebene trägt.
Hatte ich mittags nur Angst davor, ein Gespräch aufgedrängt zu bekommen habe ich jetzt Angst um meine Kinder. Um mein Herz. Um alles, für das ich hier kämpfe.19/×
— Wertes Fräulein (@WertesFraeulein) December 2, 2019
Wer noch nie psychische Gewalt erlebt hat kann dieses Gefühl nicht nachvollziehen. Ausgeliefert sein. Gelähmt sein. Panik. Machtlosigkeit. Angst. Kraftlosigkeit.
Auch 3 Jahre nach der Trennung hat er mich noch in der Hand.
Wird es je aufhören?
Ich habe wieder Angst.
20/20
— Wertes Fräulein (@WertesFraeulein) December 2, 2019