Thread: Ich bin erschüttert
Erinnert sich noch jemand daran, was es heißt, in einer Solidargemeinschaft zu leben? Ihr wisst schon, das ist diese Art von Gemeinschaft, in der wir uns theoretisch befinden sollten. Eine, in der die einzelnen Mitglieder bei widrigen Lebensumständen wie Krankheit oder sozialer Not füreinander da sind und sich (gegenseitig) helfen. Denn Solidarität bedeutet, dass die Stärkeren für die Schwächeren, die nicht die Kraft oder Möglichkeit zur Selbsthilfe haben, einstehen und sich um sie kümmern. Und zwar ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Die nun folgende Geschichte der Twitteruserin @sommerhebamme – auch wenn sie das extreme Gegenteil darstellen mag – zeigt, wie wichtig es ist, mehr aufeinander und vor allem auf die schwächeren Mitglieder unserer Gesellschaft Acht zu geben. Früher oder später könnten wir es sein, der oder die Hilfe braucht.
Bin seit 10 Tagen außerhalb aller Welten. Meine Oma (84), die bisher meinen Opa (87, schwerbehindert seit Schlaganfall+Darmkrebs) alleine pflegte, ist gestürzt. Hatte erstmal kein Internet, aber einiges zu zwitschern. Ich bin erschüttert darüber, wie komplett asozial es zugeht.
— Eta on tour (@sommerhebamme) November 3, 2021
Meine Oma hat ihr Leben damit verbracht, immer nur für andere zu sorgen.
Sie stürzte an einer großen Straße mit immer viel Verkehr. Sie lag platt auf dem Rücken, Opa hilflos im Rollstuhl daneben. Minutenlang hielt niemand an. Alle fuhren vorbei. Danke für nichts, Leute.
— Eta on tour (@sommerhebamme) November 3, 2021
RTW kam, die Kollegen luden Oma ein. Opa im Rollstuhl ließen sie stehen. Oma rief dann kann sie nicht weg, man müsse ihn mitnehmen. „Sowas machen wir nicht.“
Eine Passantin rollte Opa dann den ganzen Weg in die Klinik. Wir wissen nicht wie sie heißt. Wir sind unfassbar dankbar.
— Eta on tour (@sommerhebamme) November 3, 2021
In der Klinik stand der hilflose Opa 3 Stunden vor verschlossener Tür und wusste nichts. Die beiden sind seit 70 Jahren nicht getrennt gewesen. Er kann sich nicht äußern/ fragen/ kümmern.
Diagnose: nix gebrochen, „nur“ schwere LWS+Beckenprellung. „Sie können nach Hause gehen.“
— Eta on tour (@sommerhebamme) November 3, 2021
Oma, die keinen Schritt gehen konnte, Alleinpflegerin des halb gelähmten +dementen Opas, saß im Gang. Auf die Frage, ob wenigstens jemand sie beide nach Haus bringen könnte wieder: „Sowas machen wir nicht.“
Auf die Idee, sie nach ihrem Notfallkontakt zu fragen, kam auch niemand.
— Eta on tour (@sommerhebamme) November 3, 2021
Schließlich Taxi mit Platz für Rollstuhl (niemandem zur Last fallen). Die Fahrerin rollte Opa in die Wohnung, hievte ihn in seinen Sessel, holte Oma u stellte sie im Rollstuhl in die Stube.
Und da saßen sie dann.
Bis ich Stunden später kam, nachdem sie endlich angerufen hatte.
— Eta on tour (@sommerhebamme) November 3, 2021
Niemanden hat interessiert, was wird. Oma stand unter Schock und wollte mich nicht belasten. Jemand hätte fragen, insistieren müssen. Was, wenn es keine Enkelin gäbe? Was denken sich Menschen, die kranke Ältere nach Haus schicken ohne nachzufragen wie sie versorgt sind?!? Was?!!!
— Eta on tour (@sommerhebamme) November 3, 2021
Der Umgang mit Kranken und Älteren ist dermaßen asozial. Ich will Menschen schütteln bis sie zu sich kommen. Ja, alle sind überarbeitet, schlecht bezahlt, unterbesetzt etc. Es macht mich trotzdem wütend. Ich will so dringend was anzünden, aber komm ja wegen der Pflege zu nix.
— Eta on tour (@sommerhebamme) November 3, 2021
Und „meine“ Frauen sind alle so Zucker. Danke für Eure Flexibilität, Geduld und lieben Worte. Mein Leben ist durch eigene Baustellen immer schon „bunt“ unvorhersehbar, Ihr macht viel mit, wenn ich nicht so kann wie ich wöllte. Und jetzt das noch. Danke dafür.
— Eta on tour (@sommerhebamme) November 3, 2021
Und weil Oma für alle „meine“ Kinder Babydecken strickt, trudeln hier Geburtstagskarten ein, die sie trösten und aufmuntern sollen. Das rührt mein Herz so sehr und Oma freut sich riesig. Ihr seid alle toll. Danke!
— Eta on tour (@sommerhebamme) November 3, 2021
Jetzt sind da direkt Herzchen an die Tweets geflogen und ich fang erstmal an zu heulen. 🙄🙈
Danke, Ihr Twitterlis.
— Eta on tour (@sommerhebamme) November 3, 2021
😶 Was denn hier los, Wahnsinn!! Danke an Euch alle!! Jetzt versuche ich mal der Oma zu erklären was Twitter ist, damit ich ihr alles vorlesen kann 🙈
— Eta on tour (@sommerhebamme) November 3, 2021
😂 Oma kanns nicht fassen. Ihr hebt die Stimmung. DANKE Euch allen. Ich verlier den Überblick. Tut mir leid, falls ich wem nicht antworte. Ich schick als Entschädigung einen Gruß meiner Assistentin:
— Eta on tour (@sommerhebamme) November 3, 2021
„Guten Morgen Omi, weißt Du wieviele Menschen Euch inzwischen Herzen geschickt haben? Mehr als 2200!!“
„Waaas? Neee da ist bestimmt Dein Gerät da kaputt. Das kann doch gar nicht sein.“ 😂
— Eta on tour (@sommerhebamme) November 4, 2021
Wieder Post für Oma von Familien, die Babydecken von ihr bekommen haben. Kinderbilder wurden geschickt, gemalte und Fotos, Hustentee, Schnapspralinen, Schutzengel. Sie ist so gerührt, kann es nicht fassen und ich freu mich auch sehr! 💛
Ich soll mich „höflich!“ bedanken. 😏😊— Eta on tour (@sommerhebamme) November 4, 2021
Das sagen andere User:
Gott sei Dank ist diese Geschichte gut ausgegangen! Die Reaktionen der User zeigen, dass Hopfen und Malz noch lange nicht verloren sind und es noch viel Hoffnung, Empathie und Nächstenliebe gibt. Ein paar der treffendsten Kommentare auf den Thread haben wir hier für euch gesammelt.
Diesen Tweet zu lesen macht mich unheimlich traurig. Dass Menschen so allein gelassen werden. Ich feiere dich, dass du dich so um sie kümmerst. Ich wünsche dir und deinen Großeltern von ganzem Herzen alles Gute und viel Kraft.
— Geist812 (@Geist812) November 3, 2021
Das ist wirklich unfassbar von Anfang bis Ende. Mir reicht ja schon mein Kopfschütteln darüber wie schlecht Nachsorge nach Klinikaufenthalt für ältere Menschen geplant wird: nämlich gar nicht. Wenn sich da nicht jemand (ich) drum kümmert, passiert gar nichts: kein Phsyio, etc.
— Sweet but Psycho (@chilikaramell) November 3, 2021
Für das Verhalten im Straßenverkehr: ekelhaft!
Für alles weitere BITTE melde das den Institutionen. Von Rettungsdienst bis Krankenhaus, das geht in keinem Fall klar! Das ist nicht okay und ich bin fassungslos darüber! Eine kurze Frage – wieso – der Mann nicht allein sein kann
— Caparisun (@caparisun) November 3, 2021
Glaube da braucht es viel Öffentlichkeit.
Alle zuständigen Stellen sollten direkt durch Presse oder Gespräche darüber zur Rechenschaft gezogen werden.— Die pragmatische 👁️🤔. Geimpft. (@KlaudiaBecker5) November 3, 2021
Das ist so furchtbar und es tut mir schrecklich leid für deine Grosseltern. Ich wäre fuchsteufelswild an deiner Stelle und würde mich beschweren, aber das Wichtigste ist erstmal, dass die zwei gut versorgt sind.
— nina. (@lumpazza) November 3, 2021
Wo wohnt ihr denn? Ich habe neben dem Studium fast 10 Jahre in der ambulanten Pflege gejobbt. Wenn das nicht allzuweit weg ist, kann ich vllt helfen! Deine Geschichte hat mich sehr an meine Großeltern erinnert, die beide leider tot sind inzwischen.
— Eule (@Eule_2718) November 3, 2021
Es gibt eigentlich in jedem Krankenhaus ein Entlassungsmanagment. Keine Ahnung was da schief lief. Offenbar alles. Ich wünsche euch alles Gute!!
— MissSophie (@MissSop46563131) November 3, 2021
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit! Wo wir gerade von Omas sprechen, schaut doch mal hier rein: