Thread: Drogen und Alkohol sind häufige Gründe für Rettungsdiensteinsätze
Alkohol trinken ist in Deutschland bereits ab 16 Jahren erlaubt, in vielen anderen Ländern erst später. Und obwohl die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die mit Alkoholvergiftung durch Komasaufen im Krankenhaus landen, insgesamt rückläufig ist, kamen laut DAK Gesundheit im Jahr 2018 noch etwa 20.500 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene volltrunken ins Krankenhaus. Davon entfallen etwa 3.000 Fälle auf die Altersgruppe zwischen 10 und 15 Jahren. Genau in dieser Altersgruppe spielt auch die nun folgende Geschichte. Ein erschreckender Rettungseinsatz, den @Dr_Emergencydoc erlebt und für euch aufgeschrieben hat.
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Drogen und Alkohol sind ein sehr häufiger Grund für Rettungsdiensteinsätze. Insbesondere Jugendliche und Kinder sind gefährdet, weil sie den Konsum leichtsinnig und mit gefährlichem Leistungszwang begehen und oft Wirkung und persönliche Grenzen nicht abschätzen können.— Emergency doc (@Dr_Emergencydoc) December 2, 2020
Herabgesetztes Urteilsvermögen führt zu gefährlichen Handlungen, wie z.B. bei dem angetrunkenen 15jährigen, der auf seiner Geburtstagsparty testen wollte, ob er es schaffe, vom Garagendach aufs Trampolin zu springen. Die Folge: eine grob dislozierte offene Unterschenkelfraktur.
— Emergency doc (@Dr_Emergencydoc) December 2, 2020
Die Gefahren nicht richtig einschätzen zu können sit aber nur ein teil des Problems. Akute Alkoholvergiftungen sind auch für sich gesehen schon gefährlich genug. Ich erinnere mich noch gut an einen speziellen #Notarzteinsatz, von dem ich schreiben will.
— Emergency doc (@Dr_Emergencydoc) December 2, 2020
Wir werden an einem eisigkalten Dezemberabend mit dem NEF zu einem Spielplatz alarmiert mit dem Stichwort „Bewusstlos“. Es ist bereits dunkel und den ganzen Tag und die Woche davor hat es kräftig geschneit. Der Spielplatz liegt im Dunkeln und wir kämpfen uns durch fast knietiefe
— Emergency doc (@Dr_Emergencydoc) December 2, 2020
Schneeverwehungen und ein kräftiges Schneetreiben zu einer einigermaßen freigeschaufelten Halfpipe, auf der eine Person liegt. Darum herum stehen vier angetrunkene Jugendliche und eine erwachsene Frau.
Die Jugendlichen hätten mehrere Flaschen Bierbgt und Schnaps besorgt.— Emergency doc (@Dr_Emergencydoc) December 2, 2020
Sie hätten sich nur leicht betrinken wollen, aber der am Boden liegende Junge hätte es übertrieben. Er wollte damitangeben, was er so vertragen könne, und dann sei er immer lustiger geworden, und jetzt aber still. Sie hätten die Mutter des Jungen angerufen, und die dann uns.
— Emergency doc (@Dr_Emergencydoc) December 2, 2020
Wir sind als NEF alleine vor Ort, der RTW kommt wegen der hohen EInsatzauslastung aus einem weiter entfernten Stadtteil und kämpft sich noch durch das Schneetreiben.
Wir finden einen 16jährigen Jungen, der tief bewusstlos ist, aber noch spontan atmet. Die Kleidung ist komplett— Emergency doc (@Dr_Emergencydoc) December 2, 2020
durchnässt, er zittert stark. Wir schneiden sofort die durchnässte Kleidung herunter, nasse Kleidung lässt bei diesen Temperaturen den Körper deutlich schneller auskühlen, als Nacktheit. Aufgrund der sehr kalten Arme und beine ist es unmöglich, einen Venenzugang zu legen,
— Emergency doc (@Dr_Emergencydoc) December 2, 2020
der dunkle Einsatzort inmitten des Schneefalls tut ein Übriges. Endlich kommt der RTW, und wir bringen den Patienten ins warme und beheizte Auto. Die hier gemessene Körperkerntemperatur beträgt 32°C, im hellen sieht man beginnende Erfrierungen an Armen und Beinen. Ich entschließe
— Emergency doc (@Dr_Emergencydoc) December 2, 2020
mich, einen intraossären Zugang zu legen: Weil die Venen dermaßen kollabiert sind, ist kein Venenzugang möglich, und ich bohre einen Spezialzugang in den Schienbeinknochen, um darüber warme Infusionen laufen zu lassen.
Wir haben hier zwei Probleme: der Junge ist stark unterkühlt— Emergency doc (@Dr_Emergencydoc) December 2, 2020
und hat Erfrierungen, darüber hinaus ist er aber auch schwer intoxikiert. Der Alkohol sorgt dafür, daß er inzwischen aufgehört hat zu zittern und seine Körpertemperatur nicht mehr halten kann. Durch das in seinem Körper zirklulierende eiskalte Blut ist er zudem stark gefährdet,
— Emergency doc (@Dr_Emergencydoc) December 2, 2020
eine schwere Herzrhytmusstörung zu bekommen. Weil die Atmung immer wieder aussetzt, intubiere ich ihn und beatme ihn kontrolliert.
Wir melden ihn auf der Intensivsstation der Kinderklinik an, und fahren in Begleitung der Mutter dorthin.
Durch äußere Wärmung und warme Infusionen— Emergency doc (@Dr_Emergencydoc) December 2, 2020
schaffen wir es, die Körperkerntemperatur bis zum Eintreffen auf der Intensivstation um fast 1° anzuheben.
Auf der Intensivstation fotografiert die Mutter ihn, um ihm, wenn er nach Hause kommen kann, eindrücklich die Folgen seiner Tat zu zeigen.— Emergency doc (@Dr_Emergencydoc) December 2, 2020
Der alkoholisierte junge Mann wirkt merkwürdig deplatziert, zwischen all den schwer herz- und lungenkranken Kleinkindern, die die sonstigen Patienten hier sind.
Als wir abfahren, bedankt sich die Mutter bei uns. Ich bin mir sicher, daß der Junge später nie wieder komasaufen war.— Emergency doc (@Dr_Emergencydoc) December 2, 2020