Was heute mittlerweile fast normal ist, war jahrzehntelang ein Tabuthema. Gleichgeschlechtliche Liebe hat es heute trotzdem immer noch schwer. Längst sind wir noch nicht da, wo wir in einer aufgeklärten Gesellschaft sein sollten. Doch wenn man bedenkt, dass Homosexualität bis zum Jahre 1994 noch im Strafgesetzbuch stand, wird deutlich, dass es ein weiter Weg war. Bis zum Jahr 1969 stand männliche Homosexualität in Deutschland generell unter Strafe. Der Paragraf 175 des StGB stigmatisierte gleichgeschlechtliche Beziehungen zwischen Männern und machte sie zu einer illegalen Handlung. Homosexuelle Männer wurden daher jahrzehntelang abwertend als 175er bezeichnet. Erst ab den 70er Jahren wurde der Paragraph geringfügig angepasst und durch Altersstufen ergänzt. Seinen Ursprung hatte er übrigens im Reichsstrafgesetzbuch von 1872, unter den Nationalsozialisten wurde er ab 1935 sogar noch verschärft. Aus heutiger Sicht undenkbar: Noch bis in die 1990er Jahre wurde er in Deutschland angewendet und führte zu Verurteilungen und Haftstrafen. Nach seiner Abschaffung im Jahr 1994 dauerte es noch sieben weitere Jahre, bis homosexuelle Paare 2001 die Möglichkeit einer „eingetragenen Lebenspartnerschaft“ bekamen. Und noch mal sechzehn Jahre bis zum 1. Oktober 2017, bis gleichgeschlechtlichen Paare das Recht auf Eheschließung eingeräumt wurde. Soweit unser kleiner Exkurs in Geschichte. Es gäbe noch so viel mehr darüber zu schreiben, aber das würde den Rahmen dieser Einleitung hier um ein Vielfaches sprengen. Die Wahrheit ist, dass Homosexualität viel zu lange kriminalisiert und gesellschaftlich geächtet wurde und auch zum Teil noch heute stigmatisiert wird. Wie sich die Betroffenen fühlen müssen und gefühlt haben, können die meisten Heterosexuellen nur erahnen. Damit dies nicht nur ein vages Bild bleibt, hat der Twitteruser @suedallee mit dem nun folgenden kurzen Thread daran erinnert, wie er sich mit Anfang 20 gefühlt hat.
Erinnere mich, als ich mit Anfang 20 in meinem Golf I saß, in der Straße vor der Schwulen-Bar in unserer Stadt und Klaus Hoffmann hörte. „Wenn ein Mann einen Mann liebt“. Ich hatte lange nicht den Mut. Ich stand dort häufig. Zweifelnd. Auch mit Angst. Man musste klingeln. Ich
— Hai 5 🦈 (@suedallee) April 19, 2021
wusste, wenn ich zur Tür geh und klingel wird sich mein Leben verändern. Ich werde mich immer erklären müssen, mein Leben lang. Meiner Familie, meinen Freunden, meinen Kollegen, jedem. Immer wieder stand ich da mit meinem Golf und der Musik. Manchmal saß ich in Tränen
— Hai 5 🦈 (@suedallee) April 19, 2021
aufgelöst, manchmal kämpferisch entschlossen. Es hat endlos gedauert. Irgendwann stieg ich aus, ging zur Tür und klingelte. Das war der Moment, in dem sich mein Leben verändert hat. Vollkommen verändert, weil ich das Gefühl hatte, jetzt weiß es jeder. Jetzt muss es jeder wissen.
— Hai 5 🦈 (@suedallee) April 19, 2021
Seither erkläre ich mich immer und immer wieder. Weil ich immer wieder gefragt werde, provoziert werde, weil ich oft unabsichtlich diskriminiert und marginalisiert werde. Ich hab mich dafür entschieden. Dafür entschieden, das mein Leben lang zu tun. Immer und immer wieder.
— Hai 5 🦈 (@suedallee) April 19, 2021
»Und im Übrigen bin ich der Meinung, dass der Faschist Björn Höcke bei jeder sich bietenden Gelegenheit als eben solcher benannt werden muss.«#TausendMalGesagt
— Hai 5 🦈 (@suedallee) April 22, 2021
Das sagen andere User:
Wir müssen dafür Sorge tragen, dass diese Ungerechtigkeit für alle Zeiten beseitigt wird. Es darf in einer aufgeklärten Gesellschaft einfach keinen Unterschied machen, welches Geschlecht wir haben oder der Partner, den wir lieben. Jeder sollte seine Sexualität frei von Angst ausleben dürfen, ohne dafür kriminalisiert und stigmatisiert zu werden. Das sehen auch die Leser des Threads so. Ein paar erinnern sich selbst noch an die Zeit, in der das nicht selbstverständlich war. Andere blicken optimistisch in die Zukunft und glauben fest daran, dass wir auf einem guten Weg sind. Wir haben ein paar der treffendsten Reaktionen für euch hier zusammengetragen.
Ich wünsche dir und uns allen, dass wir es noch erleben dass dieses Thema keines mehr ist.
🤗— chiliphunk (@Chiliphunk) April 19, 2021
Ah, das darf doch nicht so sein. Ich weiß, dass es so ist. Dass es immer noch relevant ist, wer wen liebt. Dabei gibt es wenig, was irrelevanter ist. Wichtig ist, dass Menschen lieben. Sich frei entscheiden, wen sie lieben und wie sie lieben.
— Moritz Meidert (@MoritzMeidert) April 20, 2021
Für unsere Kinder war es immer selbstverständlich, dass ihr Onkel einen Freund hat. Wenn wir eines Tages so weit sind, dass man nicht einmal mehr das erzählen muss, um seine eigene völlig entspannte Haltung zum Thema sexuelle Orientierung zu beschreiben, dann… ❤️🧡💛💚💙💜
— Ulrika Sporty Spice 🤸🏻♀️ (@Trollfe) April 20, 2021
Großartiger, trauriger, mutiger Text. Möge er Dich ein wenig befreien.
Meine Achtung hast Du ✌💜✌— miku (@miku85335434) April 20, 2021
Ich stand damals mit dem Fahrrad im Dunkeln vor dem Club. Hab mich nie reingetraut.
Hatte ich ganz vergessen. Ich hoffe inständig, dass es zunehmend weniger solcher Erinnerungen gibt.— Mami Huntzefuntz ungeimpft und frustriert zu Hause (@krispels) April 20, 2021
Meine Kinder wollten kürzlich mit mir über Homophobie sprechen und ich sagte zum Schluss, dass für die Generation ihrer Kinder gleichgeschlechtliche Liebe hoffentlich völlig normal sein wird.
Darauf sagt meine Kleine, dass es das doch jetzt schon sei.
Ich bin da guter Dinge!
— Daggi (@ljusdagen) April 20, 2021
Danke, dass ihr bis zum Schluss geblieben seid. Weil das Thema leider immer noch sehr aktuell ist, verweisen wir an dieser Stelle auf diesen Thread hier: