Thread: Jede Zärtlichkeit kann eine Gefahr sein
In Berlin sind in 2019 mehr homo- und transfeindliche Angriffe registriert worden als im Jahr zuvor. Ob es wirklich mehr Angriffe waren oder ob der Anstieg auch darauf zurückgeht, dass derartige Übergriffe inzwischen häufiger angezeigt werden, darüber kann nur spekuliert werden. Fakt ist aber, dass jeder Angriff einer zuviel ist. Denn fast die Hälfte der Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen und Intersexuellen (LGBTIQ) in Deutschland lebt aus Angst vor Benachteiligung oder Übergriffen ihre sexuelle Orientierung gar nicht offen aus. Im benachbarten Österreich sehen die Zahlen auch nicht viel rosiger aus. Kein Wunder, wenn man sich durchliest, was Emir Dizdarevic in Wien passiert ist. Er hat darüber diesen erschreckenden aber wichtigen Thread geschrieben.
Gestern bin ich mit meinem männlichen Date im 1. Bezirk. Wir küssen uns und auf einmal stehen 5 Typen und eine Frau um uns herum? „Hey, ihr Schwuchteln!“
— Emir Dizdarevic (@EmirDiz) September 13, 2020
Und alle brüllen auf uns ein.
„Braucht ihr Gleitgel?“
„Hey, ich hab‘ nen 20 Zentimeter Schwanz, komm her Schwuchtel.“
„Schwuchtel!“
„Schwuchtel!“
„Schwuchtel!“— Emir Dizdarevic (@EmirDiz) September 13, 2020
Ich habe mein Date an der Hand genommen und bin weiter gegangen. Einfach weg. Und eigentlich war mein Abend damit ziemlich ruiniert.
— Emir Dizdarevic (@EmirDiz) September 13, 2020
Jedes Mal, wenn mein Date mich später auf der Straße umarmen, meine Hand nehmen oder auf andere Art und Weise zärtlich sein wollte, habe ich mich unwohl gefühlt.
— Emir Dizdarevic (@EmirDiz) September 13, 2020
Und das ist genau der Punkt. Viele Menschen können das nicht nachvollziehen. Wie du immer schauen musst, wer dich herum ist, bevor du jemanden im öffentlichen Raum Zuneigung zeigst.
— Emir Dizdarevic (@EmirDiz) September 13, 2020
Darf ich seine Hand nehmen? Kann er seinen Kopf an meine Schulter lehnen? Darf ich ihn küssen, wenn mir sein Grinsen gerade besonders gefällt? Jede Zärtlichkeit kann eine Gefahr sein. Das ist Alltag für LGBTIQ.
— Emir Dizdarevic (@EmirDiz) September 13, 2020
Ich habe das eigentlich ziemlich satt. Der öffentliche Raum gehört allen und nicht wenigen Lauten. Und genau deshalb schreibe ich davon auch. Weil ich nicht bei Ungerechtigkeit schweigen möchte und verhindern möchte, dass Homofeindlichkeit noch normaler wird, als sie schon ist.
— Emir Dizdarevic (@EmirDiz) September 13, 2020
Das sagen andere User:
Und dann möchten mir einige immer wieder erklären, dass es doch queeren Menschen hierzulande richtig gut ginge. Aber nur weil Homosexualität von staatlicher Seite aus weitestgehend akzeptiert ist, ist es leider noch lange nicht in der gesamten Gesellschaft akzeptiert.
— der queerulant 🏳️🌈 🌈 🗯️ (@derqueerulant) September 13, 2020
Du hast recht: „Der öffentliche Raum gehört uns allen“. Wir müssen uns daher alle dort für ein respektvolles Miteinander einsetzen. Damit niemand Angst davor haben muss, öffentlich zu zeigen, wen er liebt! 🌈❤️🌈❤️🌈❤️
— Karin Strobl (@KarinStrobl) September 13, 2020
Tut mir sehr leid für Dich und Deinen Partner! Es gibt viele Menschen für die es normal ist, einen anderen Menschen zu lieben – unabhängig vom Geschlecht!
Unsere Gesellschaft hat in diesem Thema leider noch einen Weg vor sich – dennoch: lass Dir nichts vermiesen! 🙏— rednose (@redrednose) September 13, 2020