Wie sieht das Alltagsleben in Deutschland aus, wenn man arm ist?

Max Kilian 17.08.2024, 6:30 Uhr

Wenn wir ehrlich sind, wird Armut in Deutschland meist nur in Wahlkampfzeiten zum Thema gemacht. Dann nämlich, wenn sich nahezu sämtliche Parteien den Kampf gegen Alters- und Kinderarmut unübersehbar groß auf die Fahnen schreiben. Klar, ist ja irgendwie schon auch wichtig. Zumindest für Talkshows und Wahlplakate, denn „richtige“ Armut gibt es in unserem reichen Land doch eigentlich überhaupt nicht, oder? Bei uns wird ja am Ende jeder aufgefangen und geht es nach Politikerinnen und Politikern aus bestimmten Lagern, lebt es sich in diesem Land in der vielfach zitierten „sozialen Hängematte“ noch dazu überaus bequem. Tja, Populismus pur. Fakt ist: In unserem Land ist jede*r Fünfte von Armut bedroht, mehr als jedes fünfte Kind wächst in Armut auf. Und diese bringt quasi immer auch soziale und gesellschaftliche Ausgrenzung mit sich, was weit mehr bedeutet, als nicht in den Urlaub fliegen oder essen gehen zu können. Wer sich das nicht vorstellen kann, sollte die folgenden Schilderungen aus dem Alltag Betroffener besonders aufmerksam lesen, die von der Reddit-Community gesammelt wurden.

Wusstet ihr, dass es das in unserem reichen Deutschland gibt?
Was ich als Kind nie so gemerkt habe, bzw. für mich einfach normal war: wenn die Mutter auf Mahlzeiten verzichtet damit das Kind essen kann.

Ich habe es erst vor einigen Jahren realisiert. Meine Mutter hat mich häufig zu Nachbarn oder Freunden geschickt zum Essen. Habe mich immer gefreut, wenn es dort so viel zu essen gab oder überhaupt etwas warmes. Inzwischen ist mir bewusst, warum das so häufig war.

Man isst nur das was man Zuhause hat obwohl man nichts Zuhause hat

Verzicht und Mangel bestimmen den Alltag

Markenware bei Lebensmitteln nur im Angebot kaufen.

Wiederholende Mahlzeiten, die man schnell machen kann. Oder was man über mehrere Tagen essen kann. Wie Auflauf.

Nudeln. Mal mit Ei überbacken. Mal mit Tomatensauce. Mal mit Bolognesesauce.

Fritten. Mit Bratwurst. Oder mit Schnitzel. Vielleicht auch mal mit Frikadelle.

Viel Tiefkühlware. Viel Brot und Toast vom Discounter.

Möglicherweise sogar Verzicht auf Aufwärmen mit Mikrowelle oder Nutzung von Ofen. Zum Stromsparen.

Kein oder seltenes Besuchen von Restaurants oder Kinos oder ähnlichem. Restaurantbesuch vielleicht zum Geburtstag.

Erschreckende Ehrlichkeit

Du musst jeden Tag von 8 bis 14 Uhr deine Bauchmuskeln anspannen, weil dein Magen so laut knurrt und es dir peinlich vor der Klasse ist.

Du hast eine Hose, die du alle 2 Tage im Waschbecken wäschst, damit du hoffentlich nicht stinkst, wenn du schon immer das gleiche trägst.

War auch obdachlos und das schlimmste, schlimmer als Hunger etc, war, dass man einfach nirgendwo hin kann. Also tagsüber. Nirgendwo einfach nur in Ruhe "sein". Da spürt man es am deutlichsten imo. Man muss morgens aus der Unterkunft raus bis abends. Am Wochenende, wenn keine Schule war, bin ich den ganzen Tag nur Bahn gefahren und rumgelaufen und irgendwann endet man immer mit Rumlungern an Orten, an denen man nicht sein mag, mit Menschen, mit denen man eig nichts zu tun haben will. Ich hab mir so sehr ein kleines Auto gewünscht, den letzten Schrott von mir aus, einfach nur etwas trockenes, wo man die Tür zuziehen kann, wo keiner einen verjagen und rausschmeißen kann.

Selbst, wenn man im Park sitzt, wie hunderte andere Menschen auch, man "spürt", dass man selbst keine andere Wahl hat als dort zu sitzen, und man denkt, dass es alle anderen Leute auch spüren. Richtig ekelhaft.

Keine Teilhabe, keine Kontakte

Keine sozialen Unternehmungen… z.B. wenn Freunde ins Kino gehen oder essen gehen wollen kann man nicht mit gehen,

Währenddessen wird in diesem Land ernsthaft darüber diskutiert, ob das Bürgergeld nicht vielleicht 20 Euro zu hoch ist

Man überlebt. Das wars. Kulturelle/soziale Teilhabe ist nicht drin.

Mag man sich eigentlich gar nicht vorstellen …

An der Wohnungssuche. Wenn ich kreditwürdig wäre, könnte ich eher ne Wohnung kaufen als mieten. Aber weil mir keine Bank glauben würde, dass ich 1000€ im Monat zahlen kann, muss ich halt ne 1-Zimmer-Kellerwohnung ohne vernünftige Fenster und Toilette für 1500€ im Monat mieten... Man glaubt kaum, was für Dreckslöcher als Wohnungen angeboten und schrecklicherweise sogar vermietet werden

Trifft es vermutlich ganz gut

Also betrifft mich zwar selber nicht. Aber ich würde sagen, bei Leuten die Bürgergeld beziehen, die können sich halt nur quasi die Unterkunft und Verpflegung leisten.

Kein Geld, was man wirklich mal für sich ausgeben kann. Also was für Hobbys oder ähnliches. Eben, um sich mal selber wohlfühlen zu können. Etwas für Geist und Seele. Man vegetiert da halt ein bisschen zu Hause herum, kein Geld um sich mal selbst entfalten zu können und wirklich das zu machen oder zu kaufen, was man gerne hätte.

Ist wahrscheinlich natürlich immer noch besser als eine Armut in anderen Ländern, wo man gnadenlos ums Überleben kämpft, aber für die eigene Persönlichkeit ist das auch in Deutschland nicht gut.

An Urlaub ist in den meisten Fällen überhaupt nicht zu denken

Indem man nicht ins Urlaub fahren kann und sich die meiste Zeit von Ja Produkten ernähern muss weil das andere schlichtweise zu teuer ist. Dazu zählt noch auf KFZ verzichten und wenn es noch weiter geht auch auf Reisen verzichten in andere Städten seies mit der Bahn oder Bus da jeder Cent auf deinem Konto deine Existenz bestimmen kann.

Puh …

Ich bin dauerhaft arbeitsunfähig und lebe jetzt seit 6 Jahren von Sozialhilfe (Höhe entspricht Bürgergeld)

Es ist ein reines existieren.  Einkaufen ist der Horror, vor allem mit der derzritigen Inflation ... der Speiseplan wird durch das "MHD-30% reduziert" Regal bestimmt. Dazu die ständige Angst vor der nächsten Rechnung,  dass etwas kaputt geht.... 

Noch kann ich meine Katzen halten, das einzig positive- so lange sie nicht krank werden. 

Neben den ständigen Ängsten und Sorgen ist der soziale Faktor mit am schlimmsten...  Hobbys, Unternehmungen, irgendetwas... zu teuer.  Das macht Freundschaften schließen und halten extrem schwer, da für das meiste eben das Geld fehlt.  

Bei jedem Kennenlernen muss ich quasi direkt meine Lebensgeschichte erzählen.  Ich arbeite nicht,  aber ich bin nicht faul, sondern wegen psychischer Krankheit arbeitsunfähig.... (=Kennenlernen beendet). 

Inzwischen habe ich aufgegeben... verbringe die Tage zu Hause mit meinen Freunden Wodka und Korn und hoffe dass ich morgen nicht mehr aufwache. 

Tja.

Denkt daran, wenn wieder bei denjenigen gespart werden soll, die eh am wenigsten haben!

Am heftigsten merke ich es beim Einkaufen und bei Freizeitaktivitäten.
Wenn man jeden Cent dreimal umdrehen muss, merkt man erst wie teuer Lebensmittel eigentlich geworden sind.
Ich studiere jeden Tag die Angebotsblätter, kaufe Angebote, Dinge kurz vorm ablaufen, Brötchen und Brot vom Vortag (meist 30-50% günstiger) etc. etc..
Und trotzdem habe ich Tage an denen ich mich mit 3x 75g Haferflocken oder trockenen Nudeln mit Maggie über Wasser halten muss.
Zu trinken gibt es nur Kraneberger und ab und an mal einen Tee..

Bei Freizeitaktivitäten bin ich tatsächlich sehr Anspruchslos und liebe es in der Natur unterwegs zu sein.. Waldbaden, wandern etc. ist genau mein Ding und ist bis auf die Fahrt (wenn man mal ganz woanders hin möchte) kostenlos.
Allerdings schmerzt es schon, wenn man nie mit Freunden ins Kino gehen kann, oder wie heute z.B. auf eine große Kirmes.. ich könnte zwar mitgehen, mir aber absolut nichts leisten, weswegen ich dann lieber einfach zu Hause bleibe.

Vor zwei Tagen hatte ich Geburtstag und habe mir zur feier des Tages einen King Emmentaler von Burger King gegönnt.. 8,79€ hat das Ding gekostet und so lecker der auch war, das hat im Geldbeutel richtig weh getan.. :-/
Und wenn wir schon beim Thema Geld sind, müssen wir auch darüber reden:

Habt ihr Freunden schon einmal Geld geliehen und es nie wieder gesehen?

Folge uns auf WhatsApp!

Mehr lesen über:

,

Über den Autor/die Autorin

Max Kilian

Redaktionsleitung

Alle Artikel