Thread: Wie traumatisch ist Corona für Kinder? Eine Kinderpsychotherapeutin ordnet ein
Das Thema Schulöffnung im Angesicht einer dritten Coronawelle lässt die Twitterlandschaft aktuell nicht los. Bereits gestern hatten wir euch ja dazu den Thread von Kinder- und Jugendpsychologe @EberhardSchlie empfohlen, der anhand von konkreten Beispielen auf die Aspekte der Öffnung eingegangen ist. Heute lassen wir hier die Kinderpsychotherapeutin und Traumatherapeutin @Traumaimpuls zu Wort kommen, die ihrerseits versucht hat, die Debatte fachlich bzw. sachlich einzuordnen und dabei auf entsprechende Studien verweist. In ihrer Praxis bietet sie Traumatherapie und Verhaltenstherapie für Kinder und Jugendliche bis 21 Jahren an.
#Kinder und #Corona
Ich höre als Kinderpsychotherapeutin und Traumatherapeutin immer wieder, dass Corona traumatisch sei für die Kinder. Außerdem sei es nicht mehr aufzuholen, was die Kinder jetzt verpassen. Ich möchte das gerne einordnen. Ein Thread 1/8— Psych_Theeg (@Traumaimpuls) February 22, 2021
Wir wissen von anderen Naturkatastrophen, dass diese für Menschen weniger traumatisch sind, als die so genannten „Man-made-disaster“, also von Menschen verursachtes Leid. Dies lässt sich aus meiner Erfahrung heraus bestätigen. 2/8
— Psych_Theeg (@Traumaimpuls) February 22, 2021
Für unsere Situation bezüglich Corona und die damit verbundenen Kontaktbeschränkungen bedeutet dies, dass vor allem Kinder leiden, dessen Eltern wenig Ressourcen haben. Je überforderter die Eltern, desto höher das Risiko, dass sie gewalttätig werden gegenüber Kindern. 3/8
— Psych_Theeg (@Traumaimpuls) February 22, 2021
Der Rückschluss, dass Schulen und Kindergärten vor diesem Hintergrund sofort geöffnet werden sollten, ist ein falsches Fazit. Erstens ist Schule mitunter auch ein Ort, wo Gewalt stattfindet. 4/8
— Psych_Theeg (@Traumaimpuls) February 22, 2021
Zweitens können Kinder auch unter der Angst leiden, sich oder andere (Familienmitglieder) anzustecken. Drittens lässt das außer acht, dass es auch Kinder und Familienangehörige gibt, die zur Risikogruppe gehören. 5/8
— Psych_Theeg (@Traumaimpuls) February 22, 2021
Es gilt wie bei vielen Entscheidungen, die im Zusammenhang mit Kindern und psychischem Leid getroffen werden müssen: Es gibt keine schnellen und einfachen Lösungen. Aus Sicht einer „Kinderpsychologin“ sollten wir langfristige Strategien verfolgen: 6/8
— Psych_Theeg (@Traumaimpuls) February 22, 2021
Erhöhung der finanziellen Ressourcen für Kinder: Mehr Geld für Sportvereine, Jugendamtsleistungen und Beratungsstellen, mehr Zulassungen für Therapeuten. Spezielle Corona Anlaufstellen, die Familien unterstützen, die richtige Hilfeleistung für ihr Kind zu finden 7/8
— Psych_Theeg (@Traumaimpuls) February 22, 2021
Und last but not least: Bildung sicher machen und digitalisieren. Es gibt kluge Menschen, dessen Ideen umgesetzt werden sollten. @VerenaDE @Karl_Lauterbach
Dafür sollten ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden #BildungAberSicher . 8/8— Psych_Theeg (@Traumaimpuls) February 22, 2021
Vielen Dank für die vielen Rückmeldungen und Retweets. Es gab u.a. Rückfragen zu Studien. Bei dem Thema, dass vor allem Kinder und Jugendliche aus sozial schwächeren Verhältnissen leiden, beziehe ich mich auf die Studie des UKE: https://t.co/XZjefugO67
— Psych_Theeg (@Traumaimpuls) February 23, 2021
Das sagen andere User:
Dieser Thread rief sogar noch etwas mehr Resonanz hervor als der gestrige. Dabei wollten viele User vor allen Dingen wissen, auf welche Studien sich die Autorin bezog. Neben viel Lob für die fachliche Einordnung nahmen die meisten Eltern diesen Beitrag zum Anlass, ihre Sicht der Dinge zu schildern. Die treffendsten Reaktionen haben wir hier an dieser Stelle zusammengetragen.
Momentan wird so getan, als ob die Schule der schönste Wohlfühlort für die kindliche Psyche sei. Das ist maßlos übertrieben. Die Schulöffnungen werden zu Wahlkampfgeplänkel missbraucht. Und für zwei Stunden am Tag schicke ich mein Kind nicht in die Grundschule.
— Christine Tantschinez (@Tante_S) February 22, 2021
Vielen Dank für diese Einordnung! Ich teile Ihre Einschätzung und die daraus abgeleiteten Forderungen vollkommen – als Psychologin, Bildungswissenschaftlerin und als Mutter von 3 Kindern.
— Hanna (@Hanna_Weltweit) February 22, 2021
Dies! Das plötzliche Interesse der Union und FDP am Kindeswohl (vor allem armer Kinder) ist an Zynismus kaum zu überbieten, wo immer noch das Kindergeld auf den HartzIV-Satz angerechnet wird.
Gebt den Eltern (vor allem armer Kinder) endlich Geld! Nicht nur Sportvereinen, etc.— Bruno_Borboleta (@Bruno_Borboleta) February 22, 2021