Thread: Wie man Zivilcourage leistet, ohne sich selbst zu gefährden
Heute widmen wir unsere Aufmerksamkeit mal wieder dem alten, aber wichtigen Thema Zivilcourage. In diesem Fall geht es heute ganz speziell um Gewaltsituationen. Wenn ihr sie durch Zufall wahrnehmt, seid ihr eigentlich schon ein wichtiger Teil davon. Denn ihr könnt das Geschehen beeinflussen und solltet das auch. Ihr könnt die Polizei rufen, den Betroffenen Hilfe anbieten oder eine wichtige Zeugin beziehungsweise ein wichtiger Zeuge sein. Zivilcourage ist aber nicht so spontan, wie immer alle denken. Impulsiv und ohne nachzudenken in eine Gewaltsituationen einzugreifen, ist nicht unbedingt die beste Idee. Aber vielleicht seid ihr ja auch gar nicht so mutig und habt selbst Angst. Ihr könnt euch auf beide Fälle tatsächlich vorbereiten. Zivilcourage kann man nämlich lernen. Gegen die Angst hilft ein einfaches Gedankenspiel. Wie würdet ihr euch in einer solchen Situation fühlen, wenn ihr das Opfer seid? Würdet ihr nicht wollen, dass euch jemand hilft? Und was würdet ihr in einem solchen Fall tun, ohne euch dabei selbst zu gefährden? Der Twitteruser Felix Prochnow ist unlängst einer Gewaltsituation begegnet und hat daraufhin eine Anleitung geschrieben, wie man damit umgehen kann.
Da ich gestern Abend wieder meinen „Spaß“ mit einem Gewalttäter hatte, der – wie so häufig – seine Griffel an einer Frau hatte, will ich die Gelegenheit nutzen hier noch einmal daran zu erinnern, was jede/r von euch tun kann – ohne sich selbst zu gefährden:
— Felix Prochnow (@RAProchnow) April 26, 2021
1. Wenn ihr Hilferufe oder ähnliches hört, hört nicht weg. Menschen schreien in der Regel nicht ohne Grund.
2. Ist der Wortlaut eindeutig („Fass mich nicht an“, „Lass mich los“,….) gilt es umso mehr zu handeln.
3. Ihr braucht nicht viel. Ein Handy reicht.— Felix Prochnow (@RAProchnow) April 26, 2021
4. Wenn es die Situation zulässt, versucht diese grob abzuschätzen. Wer ist beteiligt? Wie viele? Lassen sich Täter und Opfer erkennen?
5. Nähert euch einem Tatort vorsichtig. Wenn ihr nicht abschätzen könnt, ob Gefahr für euch besteht, bleibt im Zweifel lieber auf Distanz.— Felix Prochnow (@RAProchnow) April 26, 2021
6. Für den Fall, dass ihr es zur Situation schafft:
Sprecht immer das Opfer an („Ist alles in Ordnung?“ „Bist du verletzt?“ „Brauchst du Hilfe?“)
NIEMALS DEN TÄTER.
Ausnahme: Ihr seid wie ich einfach nur hirnverbrannt und wollt den Täter proaktiv herausfordern.
— Felix Prochnow (@RAProchnow) April 26, 2021
Das kann sich manchmal anbieten, insbesondere, wenn ihr in der Gruppe unterwegs seid, der Täter aber alleine.
In der Regel gilt: Ihr wisst nicht, wer stärker ist, ob der andere bewaffnet ist usw.
Also wahrt Distanz. Wegrennen ist im Zweifel keine Schande.
— Felix Prochnow (@RAProchnow) April 26, 2021
7. Nie den Grundsatz vergessen: Eigenschutz vor Fremdschutz. Ihr wollt helfen und nicht selber mit einem Messer im Bauch im Krankenhaus landen.
— Felix Prochnow (@RAProchnow) April 26, 2021
8. Ergibt sich auch nur der Verdacht, dass etwas nicht in Ordnung ist: Wählt den Notruf. Siehe Schritt 3. Das Handy ist in der Hand. Und zwar entsperrt. Keiner hat Zeit auf dem Lockscreen rumzufummeln, wenn das Chaos losbricht oder ihr rennen müsst.
— Felix Prochnow (@RAProchnow) April 26, 2021
9. Gebt dort immer erst die Adresse durch und schildert dann knapp was los ist. Lasst euch nicht abwimmeln oder verschaukeln. Wenn ihr Beobachtungen gemacht hab (Verletzungen, Waffen!), gebt das mit durch.
— Felix Prochnow (@RAProchnow) April 26, 2021
10. Details: Ihr müsst nicht den Helden spielen und irgendwen verprügeln. Die beste Hilfe ist es, wenn ihr den Einsatzkräften die Arbeit erleichtert.
Merkt euch Dinge wie: Kennzeichen des KFZ, Aussehen der Beteiligten, Kleidung, Fluchtrichtung, äußerliche Auffälligkeiten.
— Felix Prochnow (@RAProchnow) April 26, 2021
11. Und zum Abschluss noch einmal: Habt keine Hemmungen, Hilfe zu holen.
Am Ende wird alles als Beziehungsstreit abgetan, es kommt nichts dabei raus? So what! Ihr hattet jeden Anlass das erstmal überprüfen zu lassen.
Und habt dem Opfer damit mglw. schlimmeres erspart.
— Felix Prochnow (@RAProchnow) April 26, 2021
Das sagen andere User:
Ein Hinweis noch von unserer Seite: Macht euch klar, dass eine angebotene Hilfe unter Umständen auch als unangenehme Einmischung empfunden werden kann. Bei Beziehungsstreits ist das nicht selten. Dies ist ein Risiko, das man immer eingehen muss. Seht das nicht als Hürde. Wenn Betroffene eure Hilfe ablehnen, solltet ihr das auch akzeptieren. Wenn ihr aber der Meinung seid, dass eine Gefahr für Leib und Leben besteht, solltet ihr im Zweifel auch ohne Zustimmung die 110 anrufen. Lieber einmal zu viel den Notruf gewählt, als am Ende gar nicht. Für den Text von Felix gab es viel Zuspruch. Einige User berichteten von eigenen Erfahrungen und hatten noch den einen oder anderen Tipp auf Lager. Wir haben ein paar davon für euch zusammengetragen.
Vollkommen richtig: Deeskalation hat in Gefahrensituationen nur selten etwas mit „vernünftig auf jemanden einreden“ zu tun.
Zurückziehen✅
Tun was auch immer der Agressor fordert / was diesen beruhigt✅
„Größerer Knüppel Diplomatie“ der Pol überlassen✅— 🔴Setcover (@SetcoverB) April 26, 2021
Ist mir auch schon passiert. Frau wurde aus Auto gerissen und verprügelt. Ich hatte meine Tochter dabei. Bin ein Stück weiter, hab Polizei gerufen, als Mann mit Auto weg war, zurückgefahren und Frau geholfen . Es war furchtbar, aber helfen geht auch in Entfernung
— Michaela Roitsch (@Miroinaeht) April 26, 2021
Guter Leitfaden. Auch wenn ich mich im Zweifel gut verteidigen könnte, muss ich es nicht darauf anlegen. Selbstschutz sollte man nie vergessen.
— Der Sahnige hat den Termin zur Zweitimpfung (@BruderOnkel) April 26, 2021
Zivilcourage ist so unglaublich wichtig. Danke das du dich einsetzt! Ansonsten würde ich alles unterschreiben was du beschreibst.
Leider hatte ich auch schon die ein oder andere Situation.
Genauso wichtig finde ich es auch Gewalt gegen Kinder (z.b. im Supermarkt) anzusprechen.— HeavenNurse (@heaven_nurse) April 27, 2021
Der Beitrag ist hier zu Ende. Zivilcourage hat natürlich auch noch zahlreiche andere Facetten und ist nicht per se nur auf Gewaltsituationen und Beziehungsstreits beschränkt. Ein weiteres Beispiel, wie einfach man Hilfe leisten kann, zeigt dieser Thread hier: