Nix geht mehr, Karte weg
Man kann in Deutschland ziemlich viele tolle Dinge tun, doch bei den meisten davon heißt es irgendwann: Das macht dann 29,99€. Diesen und andere Beträge zahlt man praktisch überall auf der Welt per NFC oder mit Kreditkarte. Hierzulande jedoch verhält es sich mit der technischen Ausstattung in Läden, Cafés oder anderen Einrichtungen oft wie im durchschnittlichen Klassenzimmer einer öffentlichen Schule: Also wir machen das noch wie 1987! Und dann gibt es natürlich auch noch Leute, die es einfach vorziehen, bar zu bezahlen.
So oder so, es ergibt Sinn, immer Bargeld zur Hand zu haben. Insbesondere wenn man Kinder hat und damit praktisch permanent Gefahr läuft, auf den letzten Drücker notwendige Besorgungen erledigen zu müssen. Soweit die Theorie. in der Praxis jedoch ist es oft anders und man braucht das Geld eben kurzfristig. Eigentlich kein Problem, oder? Einfach zum nächsten Geldautomaten und mit der Karte abheben – und das rund um die Uhr. Doch wer es schon einmal mit einem Drucker, einem Bluetooth-fähigen Gerät oder auch nur einem Taschenrechner zu tun hatte, weiß: Technik hat ihre Tücken und selbst der stabilste Computer macht ab und an einen Fehler.
Im Falle von Bankautomaten ist dies besonders ärgerlich, denn sie stellen einen neuralgischen Punkt dar. Kleiner Fehler – riesengroße Auswirkung. Alle, denen der Automat schon einmal die Karte eingezogen hat, wissen, wie sich Ohnmacht und Verzweiflung anfühlen. Was tut man in so einer Situation? Kann man mit den Bankangestellten reden? Die Twitteruserin @cote_langues liefert uns ein Lehrstück in Baharrlichkeit, Argumentation und darüber, warum sich Regeln immer am gesunden Menschenverstand messen lassen müssen. Vielen Dank für diesen Thread!
Heute: Kurz nachdem ich meine EC-Karte in den Bankautomaten gesteckt habe: weißer Bildschirm. Nix geht mehr. Karte weg. Glücklicherweise 10 min vor Schalterschluss. Ich also rein. Erkläre das Problem. Angestellte holt Karte raus und dann 1/
— Andrea Halbritter Leichte + Einfache Sprache FRDE (@cote_langues) August 9, 2023
2/“Ich kann Sie Ihnen nicht zurückgeben.“ Ich so: „???“ Sie so: „Wenn der Automat Ihre Karte schluckt, hat das schon seinen Grund.“ Ich so: „Ja, der Automat ist ja kaputt, deswegen … Der Bildschirm ist weiß.“ Sie so, ohne sich den Automat anzuschauen: „Unsere Automaten gehen
— Andrea Halbritter Leichte + Einfache Sprache FRDE (@cote_langues) August 9, 2023
2/alle.“ Ich so: „Der nicht.“ Sie so: „Egal. Da Sie nicht Kundin unserer Bank sind, darf ich Ihnen ohne Einwilligung Ihrer Bank die Karte nicht zurückgeben.“ Ich so: „???“ Sie so: „Das sind unsere Vorschriften. Wenn der Automat die Karte nicht zurückgibt, dann weil es ein Problem
— Andrea Halbritter Leichte + Einfache Sprache FRDE (@cote_langues) August 9, 2023
4/ mit Ihrem Konto gibt.“ Ich so: „Mit meinem Konto gibt es kein Problem. Schauen Sie sich hier den Beleg an, da habe ich gerade bei der Buchhandlung nebenan mit EC-Karte bezahlt.“ Sie so: „Vermutlich haben Sie Ihr Konto heillos überzogen.“ Ich so: „Dann rufen wir halt jetzt bei
— Andrea Halbritter Leichte + Einfache Sprache FRDE (@cote_langues) August 9, 2023
5/meiner Bank an und klären das Ganze. Mein Konto ist nicht überzogen.“ Sie so: „Bei Ihrer Bank darf ich nicht anrufen.“ Ich so: „Dann rufe ich halt an und Sie hören mit.“ Sie so: „Wir schließen jetzt. Ich brauche von Ihrer Bank eine schriftliche Vollmacht, dass ich Ihnen die
— Andrea Halbritter Leichte + Einfache Sprache FRDE (@cote_langues) August 9, 2023
6/Karte wieder geben darf.“ Ich so: „Ich habe noch 10 €, bin nicht aus Ihrer Stadt, habe Kids, muss zum Einkaufen.“ Sie so: „Tja, ich habe meine Vorschriften.“ Ich so: „Dann möchte ich jetzt den Filialleiter sprechen.“ Sie so: „Ich bin die stellvertretende Filialleitung. Das
— Andrea Halbritter Leichte + Einfache Sprache FRDE (@cote_langues) August 9, 2023
7/wird wohl reichen.“ Ich so: „Tut es nicht.“ Inzwischen war ich so laut, dass der Filialleiter von selbst anrückte: „Ich mache Ihnen einen Kompromissvorschlag. Wir stecken die Karte jetzt in einen anderen Automaten. Wenn Sie damit abheben können, dürfen Sie sie mitnehmen.“
— Andrea Halbritter Leichte + Einfache Sprache FRDE (@cote_langues) August 9, 2023
8/ Selbstverständlich konnte ich damit abheben. Stellvertretende Filialleitung: „Aber die Vorschriften! Wir dürfen verschluckte Karten nicht herausgeben.“ Filialleiter lässt mich mit der Karte gehen. Draußen ein anderer Kunde. Karte wird verschluckt, da Automat immer noch kaputt.
— Andrea Halbritter Leichte + Einfache Sprache FRDE (@cote_langues) August 9, 2023
9/ Filiale inzwischen zu. Wir klopfen an der Glasscheibe. Filialleiter macht noch einmal auf. Ich so: „Die Karte von dem Herrn ist auch weg. Vielleicht sollten Sie jetzt doch mal an den Automaten hängen, dass er nicht funktioniert.“ Beim Automaten wurde dann eine entsprechende
— Andrea Halbritter Leichte + Einfache Sprache FRDE (@cote_langues) August 9, 2023
10/Ansage eingestellt. Wäre ich Kundin dieser Bank, wäre ich jetzt definitiv … weg.
— Andrea Halbritter Leichte + Einfache Sprache FRDE (@cote_langues) August 9, 2023
Kommentare und Reaktionen:
Eine Situation, die die meisten von uns genau so erleben könnten und deren Frustpotenzial man beim Lesen spürt. Angeblich hat Edvard Munch seinen Schrei ja gemalt, nachdem er zum dritten Mal die PIN falsch eingegeben hat, weil Bankautomaten (wie wir alle wissen) immer so stehen, dass die Sonne auf das Display scheint. In diesem Fall jedoch lag das Problem ausschließlich beim Automaten selbst. Was allerdings noch schlimmer ist: Wieso war genau dies den Bankangestellten so schwer zu vermitteln? Die Leserinnen und Leser waren voll des Lobes für die argumentative Leistung der Userin und teilten ihre eigenen Erfahrungen. Wir haben die wichtigsten Kommentare festgehalten:
„Spaß“
Klingt nach: verstehen sie Spaß. Hiiilfe, wäre was für mich gewesen. 😅
— Frollein Wunder (@wunder_frollein) August 10, 2023
Lieber Diskussion als Eskalation
Uff, das ist unfassbar!
Spätestens nach dem zweiten „Darf ich ihnen nicht geben“ hätte ich gesagt: „Hmm okay, dann diskutieren wir das jetzt mit der Polizei, denn die Karte ist mein Eigentum, sie stehlen gerade meine Karte.“— Computerdegeneriertes Polygon (@Xgrnsxs) August 10, 2023
Ich hatte die Hoffnung, dass es in der Bank noch eine normal tickende Seele gibt … War dann ja auch.
— Andrea Halbritter Leichte + Einfache Sprache FRDE (@cote_langues) August 10, 2023
Also bei uns funktioniert die Technik immmmmmer
Vorschriften kann ich ja verstehen. Die „Vermutungen“ bezüglich deines Kontos sind aber eine Frechheit
— R Pust (@RafaelPust) August 10, 2023
Und was halt auch nicht geht, ist nicht nachschauen, was mit dem Automaten ist. Sie hätte sofort gesehen, dass er nicht korrekt funktioniert. Der Bildschirm hatte ja gar keine Anzeige mehr.
— Andrea Halbritter Leichte + Einfache Sprache FRDE (@cote_langues) August 10, 2023
Guter Tipp
Gruselig.
Ich kenne es eigentlich so, dass man die Karte wieder bekommt, wenn man unmittelbar die Fehlfunktion reklamiert.— Kai-Uwe Bevc (@kub0711) August 10, 2023
Ach, schau an, das Problem scheint doch nicht so einzigartig zu sein
Genau so hab das erlebt, aber bei meiner eigenen Bank. Erste Ansage der Dame am Schalter schön von oben herab :Na, ihr Bankkonto ist überzogen. War es nicht, missmutig stellte sie dann fest, Automat defekt. Orrrr…
— Kühlwalda Wieselschmidt (@vita6817) August 10, 2023
Gibt bei Karteneinzug halt nur 4 Möglichkeiten: 1. Automat defekt 2. 3x falsche PIN 3. Karte als gestohlen gemeldet 4. Karte gesperrt, weil stark im Minus
— Andrea Halbritter Leichte + Einfache Sprache FRDE (@cote_langues) August 10, 2023
So ist es
Diese Vorschrift ist verständlich.
Der Umgang damit nicht.
Mir wurde auch schon grundlos die Karte eingezogen. Aber da wurde dann eben bei meiner Bank angerufen und ich konnte die Karte direkt wieder bekommen.
Es geht, wenn man möchte.— Einhorn ein.ZIG.Artig (@einZIGartig_ME) August 10, 2023
Für alle, die eine gute Diskussion mit Bankangestellten zu schätzen wissen: