Thread: Ich stehe am Düsseldorfer Hauptbahnhof
Sexuell übergriffiges beziehungsweise belästigendes Verhalten hat zunächst nichts mit physischer Gewalt zu tun und ist in vielen Fälle auch nicht unbedingt justiziabel. Für die Opfer ist es jedoch der blanke Horror, der sich häufig auch nach der Tat durch relativierendes Verhalten oder Täter-Opfer-Umkehr fortsetzt. Es beginnt oft nur mit Anstarren oder anzüglichen Bemerkungen und endet dem Versuch, Körperkontakt herzustellen. Solche verbalen und non-verbale Belästigungen werden immer gern als Flirtversuch verharmlost und den Betroffenen wird unterstellt, empfindlich zu sein. Tatsächlich hat ein Flirt nichts mit sexueller Belästigung zu tun, jedoch verkennen die Täter, was ihr Handeln eigentlich ist. Denn ein Flirt geschieht in beiderseitigem Einverständnis. Signalisiert die betroffene Person Ablehnung und wird weiter bedrängt, wird genau diese Grenze überschritten. Oft können die Täter mit dieser Ablehnung nicht umgehen und versuchen, ihr Opfer weiter zu bedrängen, was meist mit Einschüchterungsversuchen und Entwürdigung einhergeht. In einer solchen Situation befand sich die Twitteruserin @PaulineBruenger vor Kurzem. Aber am besten lest ihr selbst, was ihr widerfahren ist.
TW Sexismus
23:14. Ich stehe am Düsseldorfer Hbf am Bahnsteig und werde von der Seite angesprochen. Ein Mann um die dreißig. Wie viel Uhr es denn sei? Ich zeige auf die große Uhr direkt vor uns. Die Bahn kommt. Fast alle Plätze sind frei. Der Mann setzt sich direkt hinter mich.
— Pauline Brünger (geht klimastreiken) (@PaulineBruenger) July 12, 2021
Ich setze Kopfhörer auf und mache leise Musik an. So, dass ich gleichzeitig abweisend wirke aber dennoch alles um mich herum mitbekomme. Nur für den Fall. Er spricht mich von hinten an. Ich ignoriere ihn. Nochmal. Dann nochmal. Er fängt an gegen meinen Sitz zu schlagen.
— Pauline Brünger (geht klimastreiken) (@PaulineBruenger) July 12, 2021
Ich denke nur noch: Fass mich nicht an, bitte fass mich nicht an. „Entschuldigung?“ Nochmal. Diesmal so laut, dass ich erschrecke und antworte. „Ja?“ Ob er mit mir reden könne? „Warum denn?“ „Ich will dich kennenlernen.“ „Nein.“ „Du bist ein sehr hübsches Mädchen!“ „Nein!“
— Pauline Brünger (geht klimastreiken) (@PaulineBruenger) July 12, 2021
„Ich möchte nur mit dir sprechen..“ „Nein! Ich möchte lieber Musik hören.“ Ich drehe mich weg. Die Bahn leert sich langsam und jch habe nur noch Angst. Noch eine Station. „Entschuldigung?“ „Was?“ „Wo ist Benrath?“
— Pauline Brünger (geht klimastreiken) (@PaulineBruenger) July 12, 2021
Lieber zu freundlich sein, als zu verärgern, denke ich mir und erkläre ruhig, dass er in die richtige Richtung fährt. Innerlich schlägt mir das Herz bis zum Hals. „Kann ich dich kennenlernen?“
— Pauline Brünger (geht klimastreiken) (@PaulineBruenger) July 12, 2021
Er beugt sich zu mir rüber, seine Hände sind jetzt auf meinem Platz, berühren meinen Rucksack. „Nein.“ Ich will nur noch weg.
„Kannst du mir deine Telefonnummer geben?“ „Nein.“ „Warum denn nicht? Hast du einen Freund?“ Ich stehe auf, reiße meinen Rucksack an mich.— Pauline Brünger (geht klimastreiken) (@PaulineBruenger) July 12, 2021
„Weil ich nicht will. Außerdem muss ich raus.“ Ich steige aus, endlich. Aber er? Er kommt mir hinterher.
Ich bin so am Limit. „Musst du nicht nach Benrath?“, fauche ich ihn nur noch an. Und dann renne ich einfach davon.— Pauline Brünger (geht klimastreiken) (@PaulineBruenger) July 12, 2021
Von der anderen Straßenseite sehe ich, wie er in eine neue Bahn einsteigt. Die ganz woanders hinfährt, aber in die er auch am HBF hätte einsteigen können.
— Pauline Brünger (geht klimastreiken) (@PaulineBruenger) July 12, 2021
Aber er ist mir bewusst gefolgt. In die Bahn und wieder hinaus. Vielleicht noch weiter, hätte ich mich der Situation dann nicht so schnell entzogen. Auf dem restlichen Fußweg habe ich gezittert und fast geweint. Was ein Scheiß einfach nur.
— Pauline Brünger (geht klimastreiken) (@PaulineBruenger) July 12, 2021
Das sagen andere User:
Solche Situationen sind beileibe kein Einzelfall. Fast jede Frau hat in der einen oder anderen Art solch ein übergriffiges Verhalten schon erlebt. Es passiert nicht nur in der Bahn, sonder eben auch in der Disko, am Arbeitsplatz oder im Supermarkt. Neben viel Solidarität und Anteilnahme teilten einige Leserinnen und Leser auch eigenen Erfahrungen. Ein paar der treffendsten Reaktionen haben wir hier für euch gesammelt.
Solche Situationen gibt es leider viel zu häufig. Ich fühle absolut mit dir! Beängstigend und frustrierend. Ich habe hier mal die Nummer vom Heimwegtelefon
030 12074182 (diese ist freitags & samstags von 22.00 bis 2.00 Uhr besetzt, gilt deutschlandweit). 🤍— Kat Astrophe 🌈 (@CatAstr25223005) July 12, 2021
Beim nächsten Mal direkt die Polizei anrufen und mitteilen, dass du gestellt wirst. Widerliche Arschlöcher, die ein Nein ignorieren!
— BW_W (@BWW04824756) July 13, 2021
Das Problem ist, dass das ja schrittweise eskaliert. Beim Uhrzeitabfragen? Lächerlich. Beim angesprochen werden?
Wir sollten Jungen dringend darin unterrichten, ein Nein zu erkennen und zu respektieren.
Und Mädchen nicht beibringen, ein „Höflichkeits-Nein“ als „Ja“ vorzuschalten.— Halle Verkehrt #KlimaVorAcht #RichKid (@HalleVerkehrt) July 13, 2021
Oh man, ich zittere beim Lesen mit. Fühl dich virtuell gedrückt. Ich nutze die WayGuard App und kann sie dir sehr empfehlen. Du kannst feste Kontakte für solche Fälle eingeben oder den Service nutzen und im Notfall wird deine Position direkt an die Polizei weitergeleitet.
— Schrödingers böses Einhorn (@unicornanswer42) July 13, 2021
Den Tipp finde ich gut.
Ich finde es einfach nur traurig, dass man Menschen, die solche bedrohlichen Situation erleben, immer als erstes rät, was sie (noch zusätzlich) tun können. Völlig falscher Ansatz.Bringt👏euren👏Söhnen👏bei👏dass👏Nein👏Nein👏bedeutet!
— Susanne Redeker (@susanne_redeker) July 13, 2021
Leute, könnt ihr aufhören, ihr zu sagen, was sie hätte machen sollen? Sie hat ihm eindeutige Ablehnung gezeigt. Aller aller spätestens das erste „nein“ hätte reichen müssen. Egal, wie laut oder leise, ob gestisch untermalt oder nicht. Sie hat alles richtig gemacht, der Typ nicht
— Facettenchen (@facettenchen) July 13, 2021
Danke für eure Aufmerksamkeit. Erinnert ihr euch noch an das Joko und Klaas Special? Passt irgendwie zum Thema: