Thread: Ich schlafe im Dienstzimmer
In Deutschland werden rund dreißig Prozent der Kinder durch einen Kaiserschnitt geboren. Dies kann verschiedene Gründe haben und ist heutzutage nicht mehr ungewöhnlich. Die meisten davon sind sogenannte primäre Kaiserschnitte, bei denen die Entscheidungen zur Durchführung bereits vor dem Geburtstermin gefallen sind. Solche geplanten Eingriffe werden überwiegend in Regionalanästhesie durchgeführt. Dabei ist der Körper der Mutter von der Brust abwärts betäubt. So kann diese in der unteren Körperhälfte nichts spüren und ist während der Operation bei vollem Bewusstsein. Oft darf auch der Partner dabei anwesend sein. Um diese routinemäßigen Kaiserschnitte soll es aber hier nicht gehen, sondern um den eher selteneren Notfall-Kaiserschnitt. Diese Form der Operation wird nämlich notwendig, wenn das Leben von Mutter, Kind oder beiden gefährdet ist. Gründe dafür sind oft schwangerschaftsbedingte schwere Erkrankungen der Mutter, eine vorzeitige Plazentaablösung oder ein plötzlich anhaltender Abfall der kindlichen Herztöne. Dann ist keine Zeit für eine regionale Betäubung und eine Vollnarkose wirkt nun mal viel schneller, nämlich innerhalb von 1-2 Minuten. Sie birgt natürlich mehr Risken, sorgt für stärkere Nebenwirkungen und ist mit einer künstlichen Beatmung verbunden. Für die schnelle Rettung der Patienten ist sie aber unerlässlich. Was eine solche Situation für die Mutter und das medizinische Personal konkret bedeutet, hat die Twitteruserin @doktor_tante in dem nun folgenden Thread geschildert.
Ich schlafe im Dienstzimmer Telefon klingelt mit anderem Ton als sonst. Notsectio. Ich bin sofort wach und renne in den OP. Das Team aus dem Kreißsaal kommt mir mit einer panisch um sich blickenden Frau entgegen. Mir werden kurz die wichtigsten Infos mit geteilt. Im OP
— Die kleine Ärztin (@doktor_tante) July 7, 2021
Höre ich wie OP- und Anästhesiepflege angerannt kommen. Wir lagern die Patientin, ich versuche irgendwie beruhigend auf sie zu wirken, spreche mit ihr. Sie hat jetzt Todesangst. Um sie und ihr Baby. Zum Glück hat M. mit mir Dienst, der kann das. Für mich ist es die erste
— Die kleine Ärztin (@doktor_tante) July 7, 2021
Notsectio. Die Frau wird abgewaschen ich halte ihr die Sauerstoffmaske fest vor Mund und Nase. OP Pflege sagt: fertig! M spritzt Die Medikamente ich intubiere, sobald der Tubus die Stimmritze passiert rufe ich: Freigabe. Das Kind wird geholt. Bitte lass das nicht auch noch
— Die kleine Ärztin (@doktor_tante) July 7, 2021
Meine erste Neugeborenenreanimation werden… Baby schreit. Aufatmen. Mein Oberarzt kommt in Straßenkleidung in den OP gelaufen. Kinderarzt ist auf dem Weg.
Das ganze hat knapp 10min gedauert. Mama und Baby sind stabil.
Ich werde diese Nacht nicht mehr schlafen und— Die kleine Ärztin (@doktor_tante) July 7, 2021
Mit meinem Oberarzt und M die erste Zigarette seit Jahren rauchen.
Das: „Hast du wirklich gut gemacht“ von M. Bedeutet mir mehr als man sich vorstellen kann.#SekundenvordemEinsatz— Die kleine Ärztin (@doktor_tante) July 7, 2021
Das sagen andere User:
Obwohl Notfall-Kaiserschnitte rein statistisch gesehen eher selten vorkommen, haben mehrere Leser ihre eigenen Erfahrungen unter dem Thread geteilt. Ein paar davon haben wir hier für euch zusammengetragen.
Vor knapp 14 Jahren, meine Kleine hatte sich im Geburtskanal verkeilt. Das Wort Notsectio fiel und wie bei einem SEK-Zugriff kamen aus sämtlichen dunklen Winkeln Leute. 4 Minuten später hielt ich ein kleines Bündel Mensch im Arm und war Papa.
Immer wieder Danke für Euren Job! ❤— Angelus Lunaris 🏥 🤘 (@angelus_lunaris) July 8, 2021
Danke für Deine/ Eure Arbeit. Mir laufen die Tränen, da ich innerhalb von 2? Minuten in den OP geschoben wurde. Mein Glück, PDA lag schon und ich konnte die Gewünschte kurz sehen. (Ich hatte keine Chance mich darauf einzustellen.) Danke, Danke, Danke. 💞
— Lilie – #IchtrageMaske #Antifa #noafd (@Gruftizecke) July 8, 2021
K1 war Notsectio. Mein Blutdruck war so hoch war, dass ich dachte, man sähe mein Herz schlagen. Anästhesistin neben mir: „Ich weiß, es fühlt sich an, als würden Sie jetzt sterben, aber das lasse ich nicht zu.“ mein Gedanke: „Vater hat Sorgerecht u kann K1 problemlos mitnehmen.“
— Jo Ambert (@playgroundbrown) July 8, 2021
Gut gemacht! Das mit der Neo Rea denke ich mir auch jedes Mal 😱. Ich bin immer froh, wenn die Pädis durch die Tür kommen. Meine schnellste Notsectio hat 4 Min. gedauert. Dabei rede ich immer wie bekloppt, damit die Pat. auch weiß, was ich da mache.
— Nimbex (@Muehsam7) July 8, 2021
Ich kenne diese Angst, wenn man auf dem OP Tisch liegt und alle hektisch um einen rum rennen. Damals hat eine Person bei mir gestanden, um mir bis zur Einleitung die Schulter zu kraulen. Das vergesse ich nie.
— Ozelotkatze (@WoodyElli) July 8, 2021
Ich war mal diese Frau und bin heute noch der Hebammenschülerin dankbar, die nach Feierabend mit mir in den OP ist und meine Hand nahm. Während der Anästhesist hinter mir brüllte:“die Neonatologen JETZT, damit die Mutter sich beruhigt“. Cool bleiben, so wichtig.
— Facettenchen (@facettenchen) July 8, 2021
So eine Geschichte kenne ich. Nur das ich auf der anderen Seite der Geschichte war. 26. SSW. Zwillinge. Notsectio. Sohn ist nach 12 Stunden gestorben, Tochter nach 21 Tagen. Das ist jetzt 15 Jahre her.
— 🏳️🌈💉💉🌈chellsbigmama💞👩👧🐶 (@chellsbigmama) July 8, 2021
Ich war dieses Baby, und wegen Menschen wie dir bin ich 32. Danke!
— Sonja, a cat 💜🤍🖤 (@novemberalice) July 8, 2021
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit. Weitere Tweets über das Wunder der Geburt findet ihr hier: