Thread: Ich bin gerade sehr froh darüber, Bundesbürgerin zu sein
Sicher, in Politik-Deutschland ist nicht alles eitel Sonnenschein. Andi Scheuer (CSU) ist trotz all seiner Fehltritte immer noch Verkehrsminister und unsere Winzerkönigin und Nestlé-Queen Julia Klöckner (CDU) darf immer noch die Landwirtschaftsministerin spielen. Große Themen wie Klimawandel, Netzausbau, Digitalisierung, Grundrente, Gesundheitsreform oder gar Migrationspolitik stehen natürlich immer noch im Raum. Aber wischt man all dies für einen Moment beiseite und bewertet nur die aktuelle Arbeit der Bundesregierung in der Coronakrise, gibt es bis auf den zögerlichen und holprigen Start wenig zu bemängeln. Und vergleicht man diese Arbeit dann noch mit anderen Ländern wie Großbritannien oder den Vereinigten Staaten, so kann man sich glücklich schätzen, in Deutschland zu leben. Die Journalistin und Kolumnistin Hatice Akyün hat dafür die treffenden Worte gefunden.
Ich muss gestehen, dass ich anfangs auch mitgemacht habe. Habe ständig gemeckert, wer in der Politik was falsch, zu früh, zu spät oder gar nicht gemacht hat. Jetzt, zwei Wochen später, möchte ich mich für meine rotzige Art entschuldigen. Die halbe Nacht habe ich wach gelegen. 1/5
— Hatice Akyün (@hatice_akyun) April 2, 2020
Ich habe mich gefragt, ob ich es könnte, ein Land in einer Katastrophe zu regieren. Vielleicht, es wäre ja mein Job. Als Gesundheitsminister die Gesamtlage im Blick zu haben. Als Außenminister Bürger nach Hause zu holen. Als Finanzminister die Kontrolle über das Geld zu haben.2/5
— Hatice Akyün (@hatice_akyun) April 2, 2020
Ich habe mich aber auch gefragt: Würde ich es machen wollen? Hätte ich die Energie, jeden Morgen meiner Familie „bleibt gesund“ zu sagen und dann da raus zu gehen, um das Land zu organsieren? Würde ich es wirklich machen wollen, auch wenn ich dafür viel Geld bekäme? 3/5
— Hatice Akyün (@hatice_akyun) April 2, 2020
Nein, würde ich nicht. Ich könnte nich jeden Tag unermüdlich bis zur Erschöpfung PolitikerIn sein und am Ende des Tages Hohn, Spott und Undankbarkeit ernten. Und ich wage mal zu behaupten, dass niemand von uns die Eier dafür hätte in dieser Krise. 4/5
— Hatice Akyün (@hatice_akyun) April 2, 2020
Lasst uns damit aufhören und anfangen, wertzuschätzen, was jeder einzelne (AfD ausgeschlossen) für uns tut. Wenn ich in die Welt schaue, bin ich gerade sehr froh darüber, Bundesbürgerin zu sein. Deshalb von mir ein großes Danke! Und ein noch größeres RESPEKT! 5/5
— Hatice Akyün (@hatice_akyun) April 2, 2020
Das sagen andere User:
Danke! Ich weiß aus zuverlässiger Quelle: Regierungsmitglieder und alle, die für sie arbeiten, sind auch nur Menschen. Kritik ist immer gut und muss auch in Krisen erlaubt sein, Fairness aber auch.
— Alicia Blázquez (@actualicia) April 2, 2020
Für die jetzige akute Situation stimmt das. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass unsere Politiker unser Gesungheitssystem geschwächt haben, durch Privatisierungen & Mangel an Wertschätzung für Pflegeberufe. Durch Weghören angesichts der Pandemiewarnungen durch Experten. 1/2
— Barbara Schnell (@Barbara_Schnell) April 2, 2020
2/2 Dass sie nicht rechtzeitig für Vorräte gesorgt haben. Dass viele von ihnen auch jetzt bereit sind, der Wirtschaft Menschenleben zu opfern. Und zwar nicht nur in der Corona-, sondern weniger akut, aber langfristig viel gefährlicher, auch in der Klimakrise.
— Barbara Schnell (@Barbara_Schnell) April 2, 2020
Vielen Dank für den Thread. Ich hoffte, alle würden ihn lesen, die immer noch auf diesem Trip sind. Und nein: selbstverständlich bleibt Kritik notwendig. Aber der Ton macht halt die Musik und in einer Krise sind die Ohren empfindlicher.
— Ruprecht Polenz (@polenz_r) April 2, 2020
Danke, spricht mir aus dem Herzen:
Politiker sollten auch mal gelobt werden
– für ehrliche Aussagen wie „Ich weiß es nicht.“
– für demokratische Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinweg
– für große Präsenz in der Öffentlichkeit
– fürs Mutmachen und Aufklären— Bittedankebleibtzuhause (@Stayathomeprofi) April 2, 2020
Liebe Hatice, es geht mir genauso. Ich habe den Eindruck, dass bei allen Fehlern unsere Politiker versuchen, unser Leben und das unserer Lieben zu retten und dafür das menschenmögliche tun und organisieren. Ich fühle mich gut regiert, und lebe gerne genau hier.
— Philipp Kurowski (@PhiKuro) April 2, 2020
Ich hab bei diesem „Danke, Merkel“-Trend teilweise aus Witz, teilweise aus Politikverdrossenheit mitgemacht. Die letzten 1-2 Jahre haben mir allerdings gezeigt wie froh ich doch ich doch bin, eine Wissenschaftlerin und keinen geldgeilen Geschätsmann als Staatsoberhaupt zu haben.
— Slothfucius (@CenterOfVex) April 2, 2020