Thread: Heute vor einem Jahr
Auch am vergangen Wochenende fanden wieder zahlreiche Demos gegen die Corona-Maßnahmen statt. Allein in Nürnberg versammelten sich über 10.000 Teilnehmer, um ihrer Wut über die Pandemie-Politik freien Lauf zu lassen. Im Fokus steht dabei neben Maskenpflicht und 2G-Regelung vor allem die geplante Impfpflicht für bestimmte Berufe. Unter Impfgegnern und Querdenkern gilt das Coronavirus weiterhin als harmlos und vergleichbar mit einer Grippe. Für sie sind die Maßnahmen die eigentliche Bedrohung unserer Gesellschaft und der ultimative Beweis, dass es nicht um Gesundheitsschutz, sondern um die Kontrolle der Bevölkerung geht. Für ihre Überzeugung nehmen sie sogar in Kauf, sich absichtlich mit Covid-19 zu infizieren, nicht nur um den Status als Genesene zu erlangen, sondern auch um zu beweisen, dass sie mit ihren Thesen richtigliegen. Dass Corona keinesfalls eine harmlose Grippe ist, darum soll es auch in dem nun folgenden Thread der Twitteruserin @Snow_WhiteX gehen, die sich im letzten Jahr unfreiwillig mit Covid infizierte. Aber am besten lest ihr selbst.
Heute vor einem Jahr, am 30.11.20, habe ich abends Fieber entwickelt. Am 01.12. wurde die #COVID19 Infektion bestätigt.
Interessierte nehme ich mit auf meine Reise. Mir fällt die Zeit, wo sich das alles jährt, gerade richtig schwer!! Also lasse ich es noch mal Revue passieren.— Schneewittchen, MD (@Snow_WhiteX) November 30, 2021
Zwei Wochen vorher war ich spontan aus meiner Rotation gerissen & auf die #COVID Normalstation versetzt worden. Mein Kollege war im Urlaub & die erste Woche war ich mit 16 Patienten alleine. Am 30. ging es mir im Dienst schon irgendwie komisch. Fiese Kopfschmerzen & eiskalte Füße
— Schneewittchen, MD (@Snow_WhiteX) November 30, 2021
Am Heimweg stand ich so neben mir, dass ich erstmal in den falschen Bus gestiegen bin. Zum Glück war ich überall nur mit #FFP2 Maske unterwegs.
Zu Hause habe ich Fieber gemessen & war bei 38,4 °C, steigend. Damit war die Sache für mich klar. Ich habe nie Fieber.— Schneewittchen, MD (@Snow_WhiteX) November 30, 2021
Meine Kollegen wollten es zunächst nicht glauben. Meine Eltern waren 450km entfernt fertig mit den Nerven.
Am nächsten Tag hat mir eine Kollegin einen Abstrich vor die Tür gelegt & dann zu uns in die Klinik mitgenommen. Um 15:00 Uhr kam die Bestätigung.— Schneewittchen, MD (@Snow_WhiteX) November 30, 2021
Ich hatte so große Sorge, jmd. angesteckt zu haben. Zumal ich am 30. mit der Kollegin noch gemeinsam im Auto zur Klinik bin, wir beide ohne Maske. Wir waren unser Kontakthaushalt. Gott sei Dank habe ich aber niemanden angesteckt!!
— Schneewittchen, MD (@Snow_WhiteX) November 30, 2021
Meine Freunde haben mich rührselig versorgt. Ich konnte kaum etwas essen, hatte Magen-Darm-Symptome & ständig Fieber. Ich habe mir eine halbtherapeutische Blutverdünnung gespritzt & für 5 Tage Azithromycin genommen. Mein größter Freund war Paracetamol & irgendwann auch Ibuprofen
— Schneewittchen, MD (@Snow_WhiteX) November 30, 2021
und Novalgin. Das Fieber habe ich kaum noch runter bekommen. Mein Kopf hat überhaupt nicht losgelassen. Ich habe de facto kaum geschlafen, auch tagsüber nicht. Irgendwann war mir nur noch schlecht, der Geruchssinn komischerweise total gesteigert. Ich musste spucken, weil ich so
— Schneewittchen, MD (@Snow_WhiteX) November 30, 2021
geruchsempfindlich war. Meine Blutwerte waren erst nicht schlecht. Da hatte sich mal gelohnt, dass ich mir linkshändig selbst Blut abnehmen konnte. Ab dem 5./6. ging es bergab. Ich wusste gar nicht mehr wohin mit mir. Ich hab es nicht mehr geschafft meinen Flüssigkeitshaushalt
— Schneewittchen, MD (@Snow_WhiteX) November 30, 2021
auszugleichen & es nicht mehr geschafft die großen Tabletten zu schlucken.
Meine eigene Station hat am 7.12. ein Bett für mich freigemacht & einen Isotransport gerufen. Ich weiß nicht mehr, wie ich es geschafft habe zu duschen & ja, mich zu rasieren. Ich hab mich so geschämt.— Schneewittchen, MD (@Snow_WhiteX) November 30, 2021
Ich hab ewig gebraucht meine Tasche zu packen. Der Isotransport ist lange durch die Straßen geirrt. Ich war zu fertig, um vom Balkon aus zu winken.
Meine Kollegen mussten mir Zugänge legen. Ich war so exsikkiert, wir mussten mit Blau in der Ellbeuge anfangen. 🙈— Schneewittchen, MD (@Snow_WhiteX) November 30, 2021
In der 2. Nacht brauchte ich plötzlich Sauerstoff. Und auch damit war die Sättigung teils nur 91%. Ich hatte Panik davor den Sauerstoff hochzustellen. Damals haben wir ab 6 Litern Kontakt mit der Intensivstation aufgenommen. Meine Entzüngswerte stiegen trotz Breitband-Antibiose
— Schneewittchen, MD (@Snow_WhiteX) November 30, 2021
immer weiter an. Im CT dann überall Covid-typische Infiltrate.
Mein persönliches Horrorszenario war, dass ich meine Eltern anrufen muss, um ihnen zu sagen, dass ich an eine Form der Beatmung muss. Das habe ich bis jetzt nicht ganz verwunden.
Ich habe dann Kortison bekommen.— Schneewittchen, MD (@Snow_WhiteX) November 30, 2021
In der Nacht habe ich nichts geschlafen. Wann immer ich mich aufgesetzt habe, musste ich derart Husten, dass ich dachte ich ersticke. Ich hatte Panik auf Toilette zu müssen. Mit Paracodin & Atemtechnik haben wir das dann langsam in den Griff bekommen.
— Schneewittchen, MD (@Snow_WhiteX) November 30, 2021
In meiner letzten Fiebernacht bin ich aufgestanden und habe mir ein Handtuch patschnass gemacht und mich damit ins Bett gelegt. Trotz Paracetamol & Novalgin dachte ich, ich verglühe. Aus dem Bett zu kommen war immer schwieriger.
— Schneewittchen, MD (@Snow_WhiteX) November 30, 2021
Damals waren die JAK-Inhibitoren en Vogue. Wir haben viel Erfahrung mit Ruxolitinib in unserer Abteilung und haben uns schließlich entschieden das zu versuchen. Ich habe mit 2x5mg angefangen. Das ging auch erst gut, aber nach einer Dosissteigerung auf 2x10mg hatte ich dann
— Schneewittchen, MD (@Snow_WhiteX) November 30, 2021
plötzlich erhöhte Leberenzyme mit Transaminasen >300, sodass wir Ruxo wieder abgesetzt haben. Durch das Kortison hab ich endlich entfiebert & die Entzündungswerte fielen.
— Schneewittchen, MD (@Snow_WhiteX) November 30, 2021
Vom Sauerstoff wegzukommen war zunächst utopisch. Jegliche Atemübungen haben sooo unglaublich weh getan, ich hätte heulen können. Ich hab es kaum geschafft eines dieser Bällchen anzusaugen.
Aber ich hab fleißig trainiert. Ich musste viel an meine Leukämiepatienten denken, die— Schneewittchen, MD (@Snow_WhiteX) November 30, 2021
wochenlang stationär sind & sich oft unermüdlich auf kleinstem Raum bewegen, um sich etwas Fitness zu erhalten. Also dachte ich: Reiß dich zusammen, das musst du jetzt auch. Also habe ich immer 3-4x am Tag Sportübungen gemacht, inhaliert, Atemgymnastik etc..
— Schneewittchen, MD (@Snow_WhiteX) November 30, 2021
Im CT hatte ich ordentlich Atelektasen. Die Kollegen der ICU meinten zu meinen Stationskollegen, ich soll wenn möglich auf dem Bauch schlafen. Beim ersten auf den Bauch Drehen, hab ich gedacht, ich ersticke. Aber dann wurde es von Tag zu Tag besser. Als ich irgendwann später
— Schneewittchen, MD (@Snow_WhiteX) November 30, 2021
auf dem Bauch dann eine Sättigung von 97% hatte, hab ich fast geweint vor Erleichterung.
Ich konnte mich dann sehr langsam vom Sauerstoff entwöhnen. Am 19.12. sind meine Eltern die 450km gefahren, um mich abzuholen. Hab kaum die Wegstrecke bis zum Auto geschafft.— Schneewittchen, MD (@Snow_WhiteX) November 30, 2021
Was dann folgte war ein langer, harter Weg zurück. Und ich hatte einen mittelschweren Verlauf, keinen schweren!
4 Wochen später & ich wäre geimpft gewesen.
Die Impfquote meiner Kollegen ist dafür 100%!
Ja, es haben sich auch geimpfte Kollegen im Dienst angesteckt. Aber jeder hat— Schneewittchen, MD (@Snow_WhiteX) November 30, 2021
gesagt, dass er die Infektion nie ohne Impfung hätte durchstehen wollen.
Ich kann das nachvollziehen!
Ich bin jung & habe keine Vorerkrankungen. Mich hat es ordentlich erwischt. Ich bin jetzt noch unendlich dankbar, dass ich Glück hatte & es gut ausging. Auch wenn Lungen- und— Schneewittchen, MD (@Snow_WhiteX) November 30, 2021
Herzfunktion lange & viel Training gebraucht haben sich zu erholen.
Fazit ist: #LasstEuchImpfen #ImpfenSchuetzt #ImpfenRettetLeben
Ich wünschte, ich hätte damals schon die Chance gehabt! #COVID19 will man nicht haben!!!!— Schneewittchen, MD (@Snow_WhiteX) November 30, 2021
Das sagen andere User:
Wer nach diesem Erfahrungsbericht noch das Risiko einer Infektion eingehen will, dem können wir nicht helfen. Wer das Risiko eines schweren Verlaufs in Kauf nimmt, weil er glaubt, dass die Impfungen gefährlicher sind, ist kein Held, sondern leichtsinnig, fehlgeleitet und schlecht informiert. Ein paar der treffendsten Antworten auf den Thread haben wir hier für euch gesammelt.
Danke fürs Teilhaben lassen! Das klingt furchtbar, schön, dass es dir jetzt wieder gut geht (?)! Wir hatten in der Klinik einen schweren Covid-Ausbruch kurz vor Weihnachten, ich war eine der wenigen, die nicht infiziert waren.
— Kinderkram und Praxiswahn! (@lottefrosch) November 30, 2021
Du hast es geschafft 👍
Und kannst jetzt deinen ersten (Zweit)Geburtstag feiern.
Herzlichen Glückwunsch! 💐— Biki en España (•_•) (@Bikibike) December 1, 2021
Ich habe ähnliche Zurückkämpf-Erfahrungen, ebenfalls völlig überraschend, aber aus anderen Gründen als Covid gehabt. Nur wer das (mit)erlebt, weiß um das Trauma parallel zu all den Qualen.
Fühle mich zurückversetzt.Niemand sollte das mitmachen müssen #LasstEuchImpfen
— Alice out of Place 🏳️🌈 (@AliceOutOfPlace) November 30, 2021
Vielen Dank für das Teilen deiner Erfahrung mit der Erkrankung! Hier sieht man mal wieder, dass es nicht nur Schwarz/Weiß, Genesen/Tod gibt, sondern die Grauzone des Genesen ein breites Spektrum aufweist.
— Kai Meinecke (@KaiMeinecke) November 30, 2021
Alles ist so hinter abstrakten Zahlen und neutralen Begriffen versteckt, Menschen können sich den Kampf, körperlich und mental, dahinter gar nicht vorstellen…
Vielen Dank für’s teilen deiner Geschichte. Weiterhin gute Besserung und viel Kraft.— V (@Gehirnkaese) December 1, 2021
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit! Passend zum Thema haben wir noch das verlinkt: