Thread: Die härteste Finanzsanktion für Russland
Der russische Angriffskrieg in Osteuropa geht mit unverminderter Brutalität weiter. Russland rückt in der Ukraine tiefer vor, allerdings weniger schnell als sich das der Kremlchef Wladimir Putin gewünscht hätte. Militärisch mag die Weltmacht den entschlossenen Ukrainerinnen und Ukrainern überlegen sein, für einen schnellen Sieg wird es jedoch nicht reichen. Das sieht man auch an den skrupellosen Bombenangriffen auf die Zivilbevölkerung. Je länger der Krieg dauert, umso teurer wird er für Russland. Abgesehen vom eingesetzten Material wird die Liste der verhängten Sanktionen immer länger und länger. Das Land steht vom Rest der Welt faktisch isoliert da. Und obwohl sich Präsident Putin davon bislang eher unbeeindruckt gezeigt hat, könnte ihm eine Sanktion tatsächlich so große Kopfschmerzen bereiten, dass er schon jetzt mit dem Rücken zur Wand steht. Dazu könnte auch seine Drohung mit den atomaren Abschreckungswaffen passen. Rico Grimm, seines Zeichens Journalist und Co-Gründer von Krautreporter, hat über die wahrscheinlich schmerzhafteste Sanktion für Russland den nun folgenden Thread geschrieben.
Gestern Nacht hat die EU weitere Sanktionen beschlossen. Eine sticht hervor: die Sanktionen gegen die russische Zentralbank.
Das ist die härteste Finanzsanktion, die denkbar ist.
Sie wird schnell Wirkung zeigen und sie dürfte auch Putin überraschen. 🧵
— grimm (@gri_mm) February 27, 2022
Hintergrund: Jedes Land der Erde hat eine Art Sparbuch, einen Notstrumpf an Geld & Gold für schlechte Zeiten. Dieses Geld halten Zentralbanken.
Russland hat in den letzten Jahren besonders fleißig gespart.
Assets im Wert von $643 Milliarden konnte das Land anhäufen
— grimm (@gri_mm) February 27, 2022
Wie teilt sich dieses Vermögen auf?
Die Übersicht hier: Die Mehrheit in Euro, immer weniger Dollar, eine Minderheit in chinesischen Yuan.
— grimm (@gri_mm) February 27, 2022
Dieses Geld ist wortwörtlich die letzte Reserve der russischen Volkswirtschaft.
Es war die Lebensversicherung der russischen Regierung, um Sanktionen zu begegnen. Warum?
— grimm (@gri_mm) February 27, 2022
Die Zentralbank hätte mit diesem Geld den Fall des Rubels, der eigenen Währung, bremsen, Inflation bekämpfen und russischen Banken Kreditlinien gewähren können.
— grimm (@gri_mm) February 27, 2022
Hintergrund: Währungen sind wie alle Handelsgüter im Regelfall Angebot und Nachfrage unterworfen. Wird sie weniger nachgefragt, sinkt ihr Wert. „Der Rubel stürzt ab“.
Zentralbanken können dann mit Stützkäufen künstliche Nachfrage schaffen und den Absturz abbremsen
— grimm (@gri_mm) February 27, 2022
Jetzt ist die russische Zentralbank machtlos.
Diese Sanktion wird alle Bürger Russlands treffen, vor allem natürlich die ärmeren, die kein Offshore-Vermögen wie z.B. Immobilien in Berlin haben.
— grimm (@gri_mm) February 27, 2022
Dazu kommt, dass es russischen Unternehmen (auch der Rüstungsindustrie) nun schwerfallen wird, im Ausland auch nur eine Schraube zu kaufen. Den Rubel will ja niemand haben, Dollars oder Euro sind nun Mangelware in Russland.
— grimm (@gri_mm) February 27, 2022
Wenn es Geschäfte gibt (großes Wenn, gibt ja noch die anderen Sanktionen) wird die russische Seite extrem viel Rabatt geben müssen oder besonders viel draufschlagen. Risikoprämien sind das.
— grimm (@gri_mm) February 27, 2022
Es gibt Hinweise, dass Putin mit dieser EU-Sanktion gegen Russlands Reserven nicht gerechnet hat:
— grimm (@gri_mm) February 27, 2022
1. Seit 2018 hält die RU-Zentralbank fast keine US-Staatsanleihen mehr. Die hatte sie nach den Krim-Sanktionen alle Schritt für Schritt verkauft, um Abhängigkeit von US-System zu verringern.
2. Das Gleiche passierte mit den Dollarreserven.
Wohin aber schob Russland das Geld?
— grimm (@gri_mm) February 27, 2022
Einen kleineren Teil in den chinesischen Yuan, den weitaus größeren aber in Euros.
Hätte Putin das gemacht, wenn er damit gerechnet hätte, dass die EU diese Gelder einfriert? Nope.
— grimm (@gri_mm) February 27, 2022
Die Frage nun ist: Wo GENAU liegen die Milliarden-Reserven. So etwas ist nicht öffentlich. Da muss man Excel-Tabellen studieren und rechnen.
Gottseidank hat das jemand für uns gemacht:https://t.co/M07E8hAIVw
— grimm (@gri_mm) February 27, 2022
TL:DR – Mutmaßlich liegen große Teile des russischen Staatsvermögens in Frankfurt am Main, bei der deutschen Bundesbank. Etwas auch in Frankreich und Österreich, auf jeden Fall innerhalb des Euroraums und damit unter dem Zugriff der EU.
— grimm (@gri_mm) February 27, 2022
Sanktionen dieser Art gegen ein Land dieser Größe hat es in der Geschichte noch nicht gegeben.
Die USA haben Afghanistan nach der Taliban-Übernahme das Geld entzogen, auch Venezuela nach dem Putsch.
— grimm (@gri_mm) February 27, 2022
Aber das hier ist eine andere Hausnummer. Wenn am Montag die Märkte öffnen und russische Unternehmen ihre Arbeit wieder aufnehmen wollen, werden sie merken, dass ihr komplettes Finanzsystem (erstmal) im Chaos versinkt.
— grimm (@gri_mm) February 27, 2022
Kreditkarten werden nicht mehr funktionieren, Rechnungen im Ausland in Dollar könnten offen bleiben, mutmaßlich wird Russland seine in Dollar laufenden Staatsschulden stunden müssen
— grimm (@gri_mm) February 27, 2022
„Bank Runs“ wären plausibel, die russischen Bürger und Bürgerinnen holen schnell noch alles raus, was geht. Das wiederum bringt alles andere ins Wanken, weil Banken auf so etwas nicht vorbereitet sind.
— grimm (@gri_mm) February 27, 2022
Alternativen gibt es für Russland, aber sie gleichen nicht aus, was verloren geht.
Die Goldreserven? Ja, viel Glück, mit einem Barren Gold für irgendetwas zu bezahlen.
Die Yuan-Reserven? Groß, aber nicht ausreichend. Zumal Chinas Nachfrage auch nicht unendlich ist.
— grimm (@gri_mm) February 27, 2022
FAZIT: Die Sanktion gegen die RU-Zentralbank sitzt. Sie wird Putin überraschen.
Und wir müssen es sagen, wie es ist: Die EU verschärft hier den Konflikt, den „Finanzkrieg“ bis zum Äußersten.
Swift abschalten ist nervig für Russland, diese Sanktion aber geht an die Gurgel.
— grimm (@gri_mm) February 27, 2022
Das sagen andere User:
Gut erklärt, oder? Das versteht wirklich jeder. Ob es am Ende der Gamechanger ist, der den Wendepunkt des Krieges einläutet, wird die Zeit zeigen. Ein paar der treffendsten Kommentare und Reaktionen auf den Thread haben wir hier für zusammengetragen.
Danke! Dieser Thread beantwortet viele Fragen.
— 🔴 Ursula Saatweber 💉 (@SaatweberUrsula) February 27, 2022
Danke für die Infos, es fällt mir immer schwer vorzustellen, was diese Sanktionen im realen Leben für die Leute bedeutet.
— ✊🇺🇦 Die Bürokrateuse (@Integrateuse) February 27, 2022
Wer Putin morgen mit einem Geldkoffer beim einzigen Hawaladar Moskaus sieht: bitte Foto hier twittern.
— Philipp Kurowski (@PhiKuro) February 27, 2022
Wenn das Geld aus Moskau ausbleibt kann die AfD einpacken!
— Michael Renner (@dd0ul) February 27, 2022
Wäre interessant zu wissen, wie die Wirtschaft in Russland weiterlaufen könnte.
Einfach umschwenken auf die frühere Planwirtschaft wird unter diesen Umständen wohl nichts.
— 🇺🇦 jinxtalock 3x💉 (@jinxtalock) February 27, 2022
Du kannst aber nur mit digitalen Währungen handeln, wenn Du welche besitzt.Wenn alle Wirtschafts- und Staatsgelder eingefroren sind, wie jetzt durch die SWIFT-Blockierung,kannst Du keine digitalen Währungen mehr erwerben. Und Staaten sichern ihre Staatsreserven nicht in Bitcoins.
— Catnap (Morgellontrainerin) 🇺🇦 (@Angelac07220708) February 27, 2022
Danke für die Zusammenstellung. kleine Ergänzung: bei einem Run auf eine klassische Geschäftsbank/Regionalbank finde ich „sind nicht vorbereitet“ widersprüchlich. Aufgrund der Bilanzstruktur trifft „kann nicht vorbereitet sein“ besser.
— 🎱 Sam Kai T. (@samohtdelsol) February 27, 2022
Das ist Putin egal. Dem ist alles egal außer er selbst und sein Krieg. Der interessiert sich nicht für Sanktionen. Oder für sein Volk. Hauptsache, er bekommt seinen Willen, auch wenn alle darunter leiden. Dem ist solange alles egal, bis es ihm persönlich an den Kragen geht.
— Active Asylum Entertainment 🌋🦈🌪 (@Errydraven) February 27, 2022
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit! Das hier könnte euch auch noch interessieren: