Thread: Die dreijährige Zeynep aus Berlin
Es ist noch keine zwei Monate her, da machte das Thema mehrsprachige Erziehung Schlagzeilen. Jedes fünfte Kind in Deutschland spricht zu Hause kaum Deutsch. Das ging aus einer Antwort des Bundesfamilienministeriums auf eine Anfrage der FDP hervor. Im Vergleich zu den Vorjahren konnte hier eine Steigerung verzeichnet werden. Das brachte natürlich sofort wieder einige Menschen auf die Barrikaden, weil viele immer noch der Meinung sind, dass daran die Integration scheitere.
Dabei bedeutet Mehrsprachigkeit überhaupt nichts Schlechtes. Kinder, die zuhause Türkisch oder Arabisch sprechen, wachsen ebenso bilingual auf wie andere Kids, die zu Hause Englisch, Spanisch, Russisch oder Französisch sprechen. Bilingual aufzuwachsen, ist eine Bereicherung. Zweitsprachen sind kein Hindernis für die Lerneffizienz, ganz im Gegenteil. Das eigentliche Problem sind hier Vorurteile und Rassismus.
Der nun folgende Thread schildert die Geschichte der dreijährigen Zeynep aus Berlin, die mit ihrem Vater beim Zahnarzt war. @Tarek_Bae hat sie aufgeschrieben.
*Update vom 26.10.20: Gegendarstellung der Praxis wurde ergänzt*
Das ist die dreijährige Zeynep aus Berlin. Aus ihrem eigentlich normalen Besuch bei einer Zahnärztin wurde ihre erste bewusste Rassismuserfahrung. Und das sollte man nicht einfach hinnehmen.
— Tarek Baé (@Tarek_Bae) October 18, 2020
Wie auch viele andere Kinder wächst Zeynep mehrsprachig auf. Wenn man es aus pädagogischer und linguistischer Sicht betrachtet, eine Bereicherung. Das will ihre Zahnärztin aber scheinbar nicht wissen.
— Tarek Baé (@Tarek_Bae) October 18, 2020
Am Donnerstag hatte Zeynep mit ihrem Vater einen Termin bei der Zahnärztin Frau Dr. C. B. in der einer Filiale von „MEINDENTIST“ in Berlin-Kreuzberg. Die Ärztin stellte dem Mädchen einige Fragen, auf die sie nicht antwortete.
— Tarek Baé (@Tarek_Bae) October 18, 2020
Das liegt vor allem daran, dass Zeynep ein ruhiges Kind ist und bei Ärzten etwas schüchterner wird, wie ihre Familie erklärt. Die Ärztin bestand aber darauf, dass Zeynep ihr antwortet. Auf Deutsch. Und spätestens da geht die Geschichte rassistisch weiter.
— Tarek Baé (@Tarek_Bae) October 18, 2020
Als Zeynep ihr weiterhin auf Fragen nicht antwortete, fragte die Ärztin den Vater, warum das Kind nicht antwortet. Er erklärte der Zahnärztin, dass Zeynep etwas ruhiger ist. Dr. C. B. hakte nach und fragte, ob die Dreijährige kein Deutsch spreche.
— Tarek Baé (@Tarek_Bae) October 18, 2020
Der Vater sagte, sie könne deutsch, aber lerne es erst frisch im Kindergarten und zuhause würde man mit dem Kind zunächst türkisch sprechen. Die Ärztin meinte daraufhin, erklären zu müssen, dass das Kind Deutsch sprechen müsse. Der Vater sagte, er könne ja theoretisch übersetzen
— Tarek Baé (@Tarek_Bae) October 18, 2020
Die Ärztin sei aber drastischer geworden und habe den albekannten Satz Satz „wir leben hier in Deutschland“ geäußert. Daraufhin habe die Ärztin dem dreijährigen Kind die Behandlung verweigert. Der Vater des Kindes habe deshalb die Polizei gerufen.
— Tarek Baé (@Tarek_Bae) October 18, 2020
Die hinzugerufene Polizei kam schnell und nahm den Sachverhalt auch geduldig auf. Die Ärztin aber habe darauf bestanden, dass diese Aussage nicht gefallen sei. Die Polizei habe dann gesagt, man könne nichts tun, weil „Aussage gegen Aussage“ stehe und es kein Notfall sei.
— Tarek Baé (@Tarek_Bae) October 18, 2020
Und schon war der potenzielle Rassismus vom Tisch. Natürlich kann man an der Stelle argumentieren, dass bei einer Behandlung eine direkte Kommunikation zwischen Behandelten und Behandelnden förderlich ist, z.B. wenn es um Scherzen geht.
— Tarek Baé (@Tarek_Bae) October 18, 2020
In dem Fall war aber der Vater zugegen, ihm kann selbstverständlich zugetraut werden, das Wohlbefinden seiner Tochter im Interesse zu haben. Solche Anpassungsfähigkeit in der Kommunikation ist notwendig; sei es bei Touristinnen & Touristen, bei Gehörlosen, bei Traumatisierten etc
— Tarek Baé (@Tarek_Bae) October 18, 2020
Deshalb sollte unmissverständlich klar sein: Wenn ein Kind nicht behandelt wird, weil es aus einem Haushalt kommt, in dem die Eltern zunächst in einer anderen Sprache mit dem Kind sprechen und das Kind – wie es viele Kinder tun – durch den Kindergarten deutsch lernt,
— Tarek Baé (@Tarek_Bae) October 18, 2020
dann drängt sich der Verdacht auf, dass aus rassistischen Motiven eine Behandlung verweigert wird. Das würde einer Diskriminierung des Kindes aufgrund der Herkunft der Eltern entsprechen.
— Tarek Baé (@Tarek_Bae) October 18, 2020
Das Kind bekam alles mit. Sie ist intelligent genug, zu verstehen, dass ihre türkische Herkunft als Problem dargestellt wurde; und sie ist zu klein, um verstehen zu müssen, dass Rassismus das wahre Problem ist.
— Tarek Baé (@Tarek_Bae) October 18, 2020
Der Fall wurde durch uns der Antidiskriminierungsstelle des Bundes und der Antidiskriminierungsstelle Berlins, sowie der Ärztekammer und anderen Dokumentations- und Beratungsstellen gemeldet.
— Tarek Baé (@Tarek_Bae) October 18, 2020
Das sagt die Praxis zu den Vorwürfen:
Leider zeigt die Antwort der Praxis auf die vielen negativen Rezensionen durch Nichtanwesende ein ganz anderes Bild:
— AnniMe (@AnniMe01) October 19, 2020