Thread: Der Flughafen Tegel ist in Rente
Der Flughafen Tegel war für viele Berliner jahrzehntelang das Tor zur Welt und blickt auf eine ereignisreiche Geschichte zurück. Seit zwei Wochen ist er nun geschlossen. Neben seiner eigenen Geschichte sind natürlich auch unzählige Einzelschicksale mit ihm verknüpft. Dabei geht es um mehr als nur um Urlaubs- oder Dienstreisen. Ob Beziehungen, Hochzeiten, Geburtstage, Todesfälle, Familienzusammenführungen oder tränenreiche Trennungen, der TXL war in viele zwischenmenschliche Wendepunkte verwickelt. Wenn auch nur als Statist oder stiller Beobachter. Wäre es ihm möglich, aufzuschreiben, was er gesehen hat, er könnte sicher eine ganze Bibliothek damit füllen. Es wären Geschichten aus dem Leben. Eine davon hat der User @Maori für uns aufgeschrieben.
Seit einer Woche ist der Flughafen Tegel in Rente. 1972 landete dort ein etwas naiver 24jähriger Abenteurer. Bei sich: ein Koffer, 1000 Mark Ersparnisse und die Busverbindung zur Musikhochschule. Er kannte niemanden, hatte keine Bleibe, nur einen Traum.
— Maori (@Maori) November 16, 2020
Er fand tatsächlich den Bus, fuhr zur Musikhochschule und traf dort zufällig auf einen Landsmann, einen Studenten. Dieser Student half dem sehr schlecht vorbereiteten Typen, sich vorzustellen, sich zu bewerben und ein kleines Zimmer zur Untermiete zu bekommen.
— Maori (@Maori) November 16, 2020
Der junge Mann schaffte die Aufnahmeprüfung, jobbte in einem Restaurant und ging zur Abendschule, um diese bekloppte Sprache zu lernen. Nach einem Jahr ging ihm trotzdem das Geld aus und er beschloss, Deutschland wieder zu verlassen und den Traum aufzugeben.
— Maori (@Maori) November 16, 2020
Sein Professor hörte davon und wurde sauer. Dieser verbot ihm, abzuhauen, und vermittelte den talentierten Mann als Aushilfe an die @BerlinPhil. So kam es, dass er unter Karajan spielen durfte. Als Aushilfe. Das Geld reichte nun, um zu bleiben. Also holte er seine Frau nach.
— Maori (@Maori) November 16, 2020
Über eine Stelle in Bremerhaven landete das Paar Ende der 1970er in Gelsenkirchen. Dort kamen drei knuffige Kinder zur Welt (das zweite war das süßeste). Die nächsten 40 Jahre spielte der Mann Konzerte in den größten und renommiertesten Konzerthallen der Welt.
— Maori (@Maori) November 16, 2020
In Rente, spielte er noch beim @WDR und in anderen Häusern, bis er 2018 erkrankte und nicht mehr konnte. 2019 brachte er sein glückliches Leben erfolgreich zu Ende. In Tegel begann unsere deutsche Familiengeschichte. Das ist eigentlich alles, was ich euch erzählen wollte.
— Maori (@Maori) November 16, 2020
Das sagen andere User:
Danke für das Teilen Deiner Familiengeschichte. ❤️
Eigentlich werden daraus tolle ZDF Mehrteiler gedreht.
— Zimtschnuti (@belugaOL) November 16, 2020
Das ist so sehr rührend. Danke, dass wir teilhaben dürfen an dieser wunderschönen Geschichte.
— Proseccojule alias Mel B. (@Prossecojule) November 16, 2020
Ich habe sie gerade meinem Mann vorgelesen und jetzt sitzen wir beide hier mit Gänsehaut und Tränen in den Augen, weil es richtig richtig richtig schön ist!
— Simone 🐿️☀️❤️ (@simoen72) November 16, 2020
Sehr berührend und inspirierend.
Und: SELBSTVERSTÄNDLICH war das zweite Kind das süßeste 😊
— Tina ចែងចាំង (@KirribilliDelos) November 16, 2020