
Corona hat gezeigt, was jahrelang ein offenes Geheimnis war. Die Fleischindustrie ist ein Wirtschaftszweig der Barbarei. Deutschland ist seit Jahren einer der größten Schweine- und Hähnchenfleischexporteure auf dem EU-Markt und in arme Drittländer, während der inländische Verbrauch weiter sinkt. In den Entwicklungsländern zerstören wir damit sogar regionale Schlachtbetriebe, weil das industrielle Fleisch inklusive Transport so spottbillig ist.
Auf Kosten von Mensch- und Tierwohl werden die Gewinne bis zum Anschlag maximiert und das nicht nur bei Tönnies. Tiere verkommen allgemein zur atmenden Proteinmasse, die auf dem Weg ins Schlachthaus auch schon mal sterben kann, weil die Haltungsbedingungen so erschreckend niedrig angesetzt sind oder auf Freiwilligkeit basieren. Und auch sonst darf Fleisch hierzulande gerne mal im Müll landen. Hauptsache, der Nachschub ist billig und gesichert. Die Arbeiter in diesen Betrieben werden als robotergleiche Billiglohnsklaven behandelt, denen am Ende auch noch der Coronausbruch untergeschoben wird. Warum der Arbeitsminister die Werkverträge erst zum 1. Januar des Folgejahres verbieten lässt, ist angesichts der prekären Bedingungen in den Betrieben, nicht nachvollziehbar. Von der Landwirtschaftsministerin ist indes kein Aktionismus zu erwarten. Lobbyarbeit sei Dank. Der Twitteruser @cihansugur hat versucht, 30 Jahre, die seine Mutter in der NRW-Fleischindustrie gearbeitet hat, in dem folgenden Thread zusammenzufassen.
Sitze mit Mama zusammen. Sie, 30 Jahre Bandarbeiterin in der Fleischindustrie in NRW, in der Branche schon jeden Scheiss erlebt, so derbe am Auspacken, ich schwör’s euch, dass @juliakloeckner und #Tonnies die Koteletts im Halse stecken bleiben würden. THREAD. 1
— 🦠 Cihan 🦠 (@cihansugur) June 28, 2020
Sitze mit Mama zusammen. Sie, 30 Jahre Bandarbeiterin in der Fleischindustrie in NRW, in der Branche schon jeden Scheiss erlebt, so derbe am Auspacken, ich schwör’s euch, dass @juliakloeckner und #Tonnies die Koteletts im Halse stecken bleiben würden. THREAD. 1
— 🦠 Cihan 🦠 (@cihansugur) June 28, 2020
Meine Mutter hat Würstchen verarbeitet und jahrelang hart, wirklich hart geschuftet. Dabei hat der Arbeitgeber wa ihr und ihren Kolleginnen (allermeist türkische Gastarbeiter) das Leben immer maximal schwer wie möglich gemacht. 2
— 🦠 Cihan 🦠 (@cihansugur) June 28, 2020
Meine Mutter hat Würstchen verarbeitet und jahrelang hart, wirklich hart geschuftet. Dabei hat der Arbeitgeber wa ihr und ihren Kolleginnen (allermeist türkische Gastarbeiter) das Leben immer maximal schwer wie möglich gemacht. 2
— 🦠 Cihan 🦠 (@cihansugur) June 28, 2020
30 Jahre Akkordarbeit heißt 30 Jahre keine Zeit zum Atmen. 05:00 Uhr Schichtbeginn (Bezahlung) heißt, 04:40 Uhr schon da sein und die Maschine startklar machen (natürlich unbezahlt). Pausen? 15 Minuten. Mittagspausen? Kantine so eng, dass Leute auf dem Boden sitzen müssen. 3
— 🦠 Cihan 🦠 (@cihansugur) June 28, 2020
30 Jahre Akkordarbeit heißt 30 Jahre keine Zeit zum Atmen. 05:00 Uhr Schichtbeginn (Bezahlung) heißt, 04:40 Uhr schon da sein und die Maschine startklar machen (natürlich unbezahlt). Pausen? 15 Minuten. Mittagspausen? Kantine so eng, dass Leute auf dem Boden sitzen müssen. 3
— 🦠 Cihan 🦠 (@cihansugur) June 28, 2020
Akkordsystem: MA muss Output X generieren, alles darüberhinaus (also das schnelle Arbeiten) wird belohnt bzw. bezahlt. Was ist mit der Zeit passiert? Richtig: X wurde immer höher geschraubt, sodass das zusätzliche Erarbeiten gar nicht möglich wurde. 4
— 🦠 Cihan 🦠 (@cihansugur) June 28, 2020
Akkordsystem: MA muss Output X generieren, alles darüberhinaus (also das schnelle Arbeiten) wird belohnt bzw. bezahlt. Was ist mit der Zeit passiert? Richtig: X wurde immer höher geschraubt, sodass das zusätzliche Erarbeiten gar nicht möglich wurde. 4
— 🦠 Cihan 🦠 (@cihansugur) June 28, 2020
Auf Nacken von meist weiblichen (siehe Vergleich der systemrelevanten Berufe während der Corona-Anfänge) wird hier Profit generiert, der weder ethisch ok ist noch gesetzlich legitimierbar sein sollte. 5
— 🦠 Cihan 🦠 (@cihansugur) June 28, 2020
Auf Nacken von meist weiblichen (siehe Vergleich der systemrelevanten Berufe während der Corona-Anfänge) wird hier Profit generiert, der weder ethisch ok ist noch gesetzlich legitimierbar sein sollte. 5
— 🦠 Cihan 🦠 (@cihansugur) June 28, 2020
Urlaubstage? Nur nach langer Bettlerei beim Chef „im Büro“. Überhaupt, „Büro“, für unsereiner einfach ein Raum, für meine Mutter der Inbegriff der Höhle des Bösen. Weil dort die meist jungen und von dem eigentlichen Gewerbe ahnungslosen Typen sitzen, die sie drangsalieren. 6
— 🦠 Cihan 🦠 (@cihansugur) June 28, 2020
Urlaubstage? Nur nach langer Bettlerei beim Chef „im Büro“. Überhaupt, „Büro“, für unsereiner einfach ein Raum, für meine Mutter der Inbegriff der Höhle des Bösen. Weil dort die meist jungen und von dem eigentlichen Gewerbe ahnungslosen Typen sitzen, die sie drangsalieren. 6
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Übrigens: Abends nach Schichtende muss natürlich noch aufgeräumt und der Maschinenpark sauber verlassen werden. Selbstverständlich wird auch dieser Teil der Arbeit nicht bezahlt, weil der Arbeitgeber einen Allgemeinabschlag für Trödelei vorsieht. 7
— 🦠 Cihan 🦠 (@cihansugur) June 28, 2020
Übrigens: Abends nach Schichtende muss natürlich noch aufgeräumt und der Maschinenpark sauber verlassen werden. Selbstverständlich wird auch dieser Teil der Arbeit nicht bezahlt, weil der Arbeitgeber einen Allgemeinabschlag für Trödelei vorsieht. 7
— 🦠 Cihan 🦠 (@cihansugur) June 28, 2020
Ich erinnere mich noch als Kind, wie mich meine Mutter morgens um 4 erst zur Oma brachte und dann selbst zur Arbeit gefahren ist. Das hat sie 30 Jahre lang gemacht – selbstverständlich ist es nicht spurlos an ihr vorbei gegangen. 8
— 🦠 Cihan 🦠 (@cihansugur) June 28, 2020
Ich erinnere mich noch als Kind, wie mich meine Mutter morgens um 4 erst zur Oma brachte und dann selbst zur Arbeit gefahren ist. Das hat sie 30 Jahre lang gemacht – selbstverständlich ist es nicht spurlos an ihr vorbei gegangen. 8
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„Würdest du es wieder tun, Mutter?“ – „Natürlich!“ antwortet sie spontan mit den Blicken einer Löwin und fügt an „So etwas wie ‚finde keine Arbeit‘ gibt es nicht – es gibt nur ‚die Arbeit gefällt mir nicht’„ (auf Türkisch klingt es viel deeper). 9
— 🦠 Cihan 🦠 (@cihansugur) June 28, 2020
„Würdest du es wieder tun, Mutter?“ – „Natürlich!“ antwortet sie spontan mit den Blicken einer Löwin und fügt an „So etwas wie ‚finde keine Arbeit‘ gibt es nicht – es gibt nur ‚die Arbeit gefällt mir nicht’„ (auf Türkisch klingt es viel deeper). 9
— 🦠 Cihan 🦠 (@cihansugur) June 28, 2020
Was sie meint: Erhobenen Hauptes, gleich wie ekelhaft oder hart die Arbeit war, wie waren nie auf niemanden angewiesen, sondern haben uns durchgekämpft. Wenngleich es ein unfairer Kampf war gegen die Praktiken der Fleischindustrie. 10
— 🦠 Cihan 🦠 (@cihansugur) June 28, 2020
Was sie meint: Erhobenen Hauptes, gleich wie ekelhaft oder hart die Arbeit war, wie waren nie auf niemanden angewiesen, sondern haben uns durchgekämpft. Wenngleich es ein unfairer Kampf war gegen die Praktiken der Fleischindustrie. 10
— 🦠 Cihan 🦠 (@cihansugur) June 28, 2020
Seit Jahren – und jetzt noch viel mehr – fragt Mutter sich, warum nie etwas gegen diese unmenschlichen Praktiken unternommen wird und weiß nichts von den Seilschaften dieser Gottseibeiuns-Industrie. Bitte tun Sie was @BMAS_Bund. Danke.
11 Ende.
— 🦠 Cihan 🦠 (@cihansugur) June 28, 2020
Seit Jahren – und jetzt noch viel mehr – fragt Mutter sich, warum nie etwas gegen diese unmenschlichen Praktiken unternommen wird und weiß nichts von den Seilschaften dieser Gottseibeiuns-Industrie. Bitte tun Sie was @BMAS_Bund. Danke.
11 Ende.
— 🦠 Cihan 🦠 (@cihansugur) June 28, 2020
Freunde schreiben mir, dass dieses Bild am Ende nicht klug sei und mich angreifbar mache. Ich schätze Armin Laschet, halte von seiner dieser Beziehung und Haltung aber nichts. Das Bild wurde emotional ausgewählt, weil auch das Thema emotional ist. Ich hoffe ihr versteht das.
— 🦠 Cihan 🦠 (@cihansugur) June 29, 2020
Freunde schreiben mir, dass dieses Bild am Ende nicht klug sei und mich angreifbar mache. Ich schätze Armin Laschet, halte von seiner dieser Beziehung und Haltung aber nichts. Das Bild wurde emotional ausgewählt, weil auch das Thema emotional ist. Ich hoffe ihr versteht das.
— 🦠 Cihan 🦠 (@cihansugur) June 29, 2020
Nachtrag 2: Wir sind überwältigt ob des positiven Zuspruchs und der so vielen schönen Resonanzen. Ich habe Mutter eine Interview-Anfrage vorgelesen und sie hat gleich rigoris abgelehnt. Wollt ihr wissen warum?
— 🦠 Cihan 🦠 (@cihansugur) June 29, 2020
Nachtrag 2: Wir sind überwältigt ob des positiven Zuspruchs und der so vielen schönen Resonanzen. Ich habe Mutter eine Interview-Anfrage vorgelesen und sie hat gleich rigoris abgelehnt. Wollt ihr wissen warum?
— 🦠 Cihan 🦠 (@cihansugur) June 29, 2020
„Weil wir 30 Jahre unsere Familie mit dieser Arbeit ernährt haben. 4 Kinder großgezogen. Jetzt so nachtreten…. Ja, könnte ich machen. Aber nein. Ich möchte das nicht. Das gehört sich nicht.“
Ich heule.
— 🦠 Cihan 🦠 (@cihansugur) June 29, 2020
„Weil wir 30 Jahre unsere Familie mit dieser Arbeit ernährt haben. 4 Kinder großgezogen. Jetzt so nachtreten…. Ja, könnte ich machen. Aber nein. Ich möchte das nicht. Das gehört sich nicht.“
Ich heule.
— 🦠 Cihan 🦠 (@cihansugur) June 29, 2020
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