Geht’s noch, Lieferando? Von einem Unternehmen, das auszog, einen Shitstorm zu ernten
Lieferando gilt als Hai im Meer von Food-Lieferservicediensten. In den letzten Jahren hat der Anbieter seine Konkurrenten nach und nach geschluckt oder an den Rand des Marktes gedrängt. Dabei genießt das Unternehmen nicht den besten Ruf. Das Wort „Abzocke“ schwebt immer ein bisschen in der Luft, wenn es um den orangefarbenen Dienst geht. Restaurants, insbesondere die kleinen, beklagen, dass Lieferando unfaire Konditionen auferlegt. Bis zu 13% Provision werden bekanntlich verlangt, sobald die Bestellung über das marktbeherrschende Onlineportal eingeht, sie aber vom Restaurant selbst ausgeliefert wird. Übernimmt der Lieferservicedienst zusätzlich noch die Auslieferung der Bestellung, sind es schon 30%. Und auch die Fahrer:innen kommen nicht gut weg. Sie müssen beispielsweise ihr eigenes Smartphone und eigene Fahrzeuge nutzen und arbeiten unter permanentem Zeitdruck – selbstverständlich unter Mindestlohn-Bedingungen. Dem Unternehmen wird zudem vorgeworfen, Trinkgelder für die Kuriere, die über die App gegeben werden, abzuzweigen. Jetzt bricht ein neuer Shitstorm über den Lieferdienst herein. Anlass ist eine Kundenbeschwerde auf Twitter.
(Dieser Tweet wurde inzwischen gelöscht)
Es fuckt mich so ab wenn der Lieferando Fahrer den Lift benutzt Der Lift ist nur für Hausbewohner und ihre Gäste und nicht für Arbeiter Ich bestelle fast jeden zweiten Tag und schreibe es immer bei der Bestellung dazu aber die lernen es einfach nicht
— Stefan Hinterhuber (@dimitroffultra) May 25, 2021
Satire? Trauriger Ernst? Die Meinungen gehen hier auseinander. Allerdings nicht, wenn es um die Reaktion des Unternehmens geht. Diese sieht nämlich so aus:
Hey! Es tut uns sehr leid, dass der Lieferant den Fahrstuhl benutzt. Sende uns gerne eine DN mit der Bestellnummer, damit wir das Ganze einmal prüfen können.^A
— Lieferando.de (@lieferando) May 25, 2021
Ein voreiliger Schnellschuss? Vielleicht! Aber gerade ein Unternehmen, das in der Kritik steht, Arbeiter:innen auszubeuten, sollte seine Öffentlichkeitsarbeit etwas genauer überdenken. Stattdessen wird hier beim absurden Vorwurf des Kunden eilfertig gebuckelt. Die Reaktionen auf Twitter waren eindeutig:
Hey, @lieferando. Ich habe ein paar Fragen an euch:
1. Habt ihr den Arsch offen?
2. Wie egal können euch eure
Lieferant*innen eigentlich sein?
3. Wieso fallt ihr auf einen Troll rein?
4. Habt ihr den Arsch offen?— Selma (@selmuggle) May 28, 2021
Lieferando ist übrigens der sympathische Weltkonzern, der seine Mitarbeiter:innen ausbeutet, ausspioniert und Betriebsratswahlen torpediert. Da verwundert auch diese Reaktion nicht, die auf dem Rücken derjenigen stattfindet, die für die Konzernzentrale das Geld verdienen. https://t.co/Xqu6kRZHSN
— Stephan Anpalagan (@stephanpalagan) May 28, 2021
Wohin „Der Kunde ist König“ uns gebracht hat. https://t.co/Nl7kcEjqCH
— Krieg und Freitag (@kriegundfreitag) May 29, 2021
Was zur Hölle ist mit @lieferando los? Spüren sich die noch? Dass ein Kunde so dermaßen menschenverachtend ist, dass er sich traut sich öffentlich darüber zu beschweren wenn „Arbeiter den Lift benutzen“ ist das eine, aber dass dieses Unternehmen so antwortet ist unerträglich. https://t.co/uHrY9w43xB
— Veronika Bohrn Mena (@VBohrnMena) May 28, 2021
SO SOLLTE DAS AUSSEHEN:
Alle unsere MitarbeiterInnen liefern in jeder Wetterlage (auch bei strömendem Regen und schwerem Schneefall) das bestellte Essen zu Ihnen direkt vor die Tür. Wir sind stolz, was unsere Mitarbeiter täglich leisten und wünschen mehr Respekt.
— Tobi (@iTobiPro) May 29, 2021
Wo wir schon bei Vorwürfen gegen das Unternehmen sind: Andere User:innen wussten die Steilvorlage zu schätzen und nutzen den Anlass, um konstruktive Kritik an Lieferando und seinen Lieferant:innen zu üben. (Bitte die Sarkasmus-Brille aufsetzen.)
hey lieferando
warum klingelt der fahrer
das kostet strom
kann er nicht laut rufen
wenn das essen da ist
so wie früher
meine mutter— Friedemann Weise (@FriedemannWeise) May 29, 2021
Wenn du auf der Überwachungskamera siehst wie der Lieferando-Bote einfach den Fahrstuhl benutzt
— Fabian Köster (@koesterfabian) May 29, 2021
hey lieferando, euer fahrer wollte mir nicht die füße lecken, nachdem ich ihn angespuckt und kein trinkgeld gegeben habe??
— merle (@akustikversion) May 28, 2021
Es fuckt mich so ab wenn der Lieferando-Bote die Haustür und nicht die Katzenklappe nutzt. Ich schreibe es immer in die Bestellung aber die raffen es ebensowenig wie ich Kommasetzung.
— Gebbi Gibson (@GebbiGibson) May 28, 2021
mein #Lieferando -Bote darf den Fahrstuhl bei uns im Haus nicht benutzen-
da habe ich ein Testzentrum drin eingerichtet.#TestGate— Micky Beisenherz (@MickyBeisenherz) May 29, 2021
Offenbar war die Marketing-Abteilung des Unternehmens auch am Wochenende besetzt. Vier Tage nach dem ersten Tweet, der den Shitstorm ins Rollen brachte, fühlte sich Lieferando zu folgender Reaktion genötigt:
Hallo! Bestimmt habt Ihr alle schon den Tweet gelesen.
Wir entschuldigen uns bei allen LieferantInnen!
Natürlich stehen wir hinter Euch.Es tut uns leid, dass wir uns missverständlich ausgedrückt haben.
Selbstverständlich können Hilfsmittel beim Ausliefern genutzt werden.
— Lieferando.de (@lieferando) May 29, 2021
Ah ja. Und für den Fall, dass immer noch unklar sein sollte, wie man leckeres Essen am besten bestellt:
Wie ihr #Lieferando richtig nutzt (eine Gebrauchsanleitung):
1) Als Suchmaschine nutzen
2) In den Speisekarten blättern
3) Ein Restaurant aussuchen
4) Lieferando verlassen und DIREKT im Restaurant bestellen
5) Fahrer nett mit Maske begrüßen und #Trinkgeld geben.#soeinfach— Lexi (@LexiMiamiamo123) May 29, 2021
Lieferando ist natürlich nicht das einzige Unternehmen, das mit unfairen Arbeitsbedingungen Schlagzeilen macht. Falls euch das Thema interessiert, schaut doch mal in diesen Thread: